Reiten, Bodenarbeit, Pflege
Perfekter Reitunterricht für Kinder in Tannhorst

Kinder reiten durch Trails, lernen Bodenarbeit und liebevolle Pferde-Pflege: So wie auf dem Reiterhof Tannhorst soll Reitunterricht sein. Sehen Sie selbst!

Reitschule Tannhorst
Foto: Maike Klein

Alle rieten ihr ab: Familie, Freunde, der Steuerberater. Aber Anna-Katharina Wehr wollte nie etwas anderes, als Reitunterricht geben. Im Alter von 18 Jahren bekam sie von ihrer Oma 300 Euro geschenkt. Damit konnte sie tun, was sie wollte – und kaufte für 275 Euro das 4-jährige Shetty Giovanni. Sie bildete es selbst aus und machte sich selbstständig mit Reitunterricht für Kinder.

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Reiterhof Tannhorst
Der perfekte Reitunterricht für Kinder
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Ruckzuck waren Anna und Giovanni ausgebucht. Nach einem Jahr hatte die Reitlehrerin so viel Geld verdient, dass sie ein zweites Pony kaufen konnte. Und bald kam noch eins. Und noch eins. Heute betreibt sie eine Reitschule mit 40 Pferden. Jede Woche kommen rund 550 Reitschüler auf den Hof Tannhorst in Celle. Klingt nach Massenabfertigung?

Von wegen. Das Hof-Team führt Kinder spielerisch ans Pferd. Dass es nicht nur ums Reiten geht, sondern auch um Pflege und sicheren Umgang, versteht sich hier von selbst. Genauso wie der tägliche Auslauf und artgerechtes Herdenleben für die Schulpferde.

Neugierig, wie man so viele Kinder und Ponys managt – und eine riesige Portion Spaß dabei hat? CAVALLO erlebte einen Tag mit und fühlte sich wie im Immenhof-Film.

Lieber ins Freibad statt Reiten? Auf keinen Fall

36 Grad und es geht noch heißer – diese Liedzeile geht Autorin Alena Brandt durch den Kopf, als sie auf den Hof fährt. Ob sich an diesem heißen Sommertag überhaupt Kinder zum Reiten aufraffen? Ganz offensichtlich.

Reitschule Tannhorst
Maike Klein
Hof-Gründerin Anna-Katharina Wehr radelt auf dem Weg zum Geländereitplatz neben ihren Reitschülern her.

In der Reithalle trabt eine Abteilung um Pylonen und übt das korrekte Ausreiten von Ecken. Das ist das Thema der Woche, an dem alle Gruppen auf kreative Weise arbeiten. Kein Pony trägt übrigens Ausbinder. In der Halle laufen sogar viele gebisslos und ohne Sattel.

An den überdachten Putzplätzen striegeln Kinder ihre Schulponys. Einige strömen zur Weide: Ponys reinholen! Auf dem Trail-Platz ertönt Jauchzen: Der Ritt unter einem Wasser-Strahl hindurch kühlt ab.

Am Offenstall sammeln Kinder Pferdeäpfel auf. Ganz selbstständig. Ohne Murren. Wie schafft man das denn? Anna-Katharina Wehr lacht. "Da wachsen die Kinder von Anfang an rein. Jedem hier ist es wichtig, dass die Schulpferde bis ins hohe Alter fit bleiben – dafür packen alle mit an." Zum Hof Tannhorst gehört eine Gesamtfläche, die so groß ist wie rund 90 Reithallen zusammen – sieben Hektar. Damit alles gepflegt bleibt, wird die Arbeit aufgeteilt. "Die Ponys sollen es schön haben nach dem Reiten", meint ein Junge. Er schippt eine Ladung Pferdeäpfel in die Karre. Ein Mädchen transportiert alles ab. Die Absprachen fluppen.

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Maike Klein
Team-Work! Diese Gruppe äpfelt nach dem Reiten die Weide ab.

Was besonders süß ist: Anna-Katharina Wehr bastelt am Wochenende mit ihren Töchtern Schlüsselanhänger mit Bildern von den Ponys: Die sind beliebte Sammelobjekte. "Die Kinder tauschen sie in der Schule wie wir früher Sticker", weiß die Reitlehrerin.

Der Hof bestand nur aus einem Stall und Wiese, als Anna-Katharina Wehr und ihr Mann ihn kauften. "Ich war da erst 22 Jahre alt", erzählt die Reitlehrerin. Sie ist heute 36 und Trainerin B Leistungssport und Trainerin im Gesundheitssport. Ihr Mann Veit, gelernter Industriekaufmann, ist mit in den Betrieb eingestiegen. Er kümmert sich um die Buchhaltung, die zwei gemeinsamen Kinder und packt bei allen Bauprojekten an. Und davon gab es nie zu knapp.

Das Paar baute zwei Reithallen, einen Trail, einen Geländeplatz und einen Reitplatz. Die erste Reithalle baute Veit Holzknecht mit Freunden nach der Arbeit. "Wir mussten mit dem arbeiten, was wir uns leisten konnten. Deshalb ist das Hallenmaß mit 20 x 28 Metern auch etwas ungewöhnlich", erzählt er.

Die Jüngsten starten mit 9-wöchigen Kursen

Jeden Tag unterrichten drei Trainerinnen mehrere Gruppen parallel. Gewusel herrscht trotzdem nicht. Die Kinder verteilen sich auf der Fläche. Eine Magnet-Tafel zeigt, wer wen reitet.

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Die jüngsten Reiter auf dem Hof gehören zur Gruppe der Minimäuse: Sie sind zwischen 2,5 und 5 Jahre alt. Jedes Kind wird persönlich betreut und lernt schon Basics wie Putzen.

Das Konzept ist gut durchdacht. Die Jüngsten zwischen 2,5 und 5 Jahren heißen "Minimäuse". Viele Trainerinnen unterstützen die Kleinen – etwa beim Putzen. Pferdepflege gehört zum Unterricht dazu. "Unsere Schüler sind bei Pferdebesitzern in der Umgebung als Reitbeteiligungen heiß begehrt, weil sie alles gelernt haben", erzählt die Hof-Chefin. Für die Minimäuse gibt es Kurse à neun Stunden.

Wer weitermachen will, bucht einen Folgekurs. Wer nicht mehr mag, steigt aus. Ganz unkompliziert. Das tun allerdings nicht viele: Die meisten Gruppen sind ausgebucht. Fortgeschrittenere Reiter sind ebenfalls nach Alter eingeteilt: Es gibt die 6- bis 9-Jährigen, die 10- bis 17-Jährigen und Erwachsene. Auch Voltigieren ist im Angebot. Und sogar Schulklassen kommen regelmäßig.

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Die Reitlehrerin versorgt die Kinder mit Wasser.

Der Tierarzt hat bei den fitten Ponys kaum Arbeit

Damit dieses Programm klappt, muss jedes Schulpferd zwei Mal täglich im Unterricht laufen. Selbst drei knapp 30-jährige Senioren-Ponys haben noch einen Job: Minimäuse tragen. "Wir haben hier viele Ponys, die mit Hufrehe kamen, aber bei uns nie wieder einen Schub hatten", berichtet die Trainerin.

Überhaupt bräuchten sie fast nie den Tierarzt. Bewegung, frische Luft und gutes Futter – das hält Pferde fit. Anna-Katharina Wehr achtet auf passende Sättel: "Bei uns kann man jedem Pferd über den Rücken streichen. Keines zuckt." Auch Husten ist dank Offenstall kein Problem. Nur ein Pony hat eine chronisch kranke Lunge und für das gibt es extra eine Sole-Kammer.

Fliegende Ponys und strahlende Kinder

Nach dem Rundgang über den Hof erleben wir eine Reitstunde von Anna-Katharina Wehr. Die Schüler putzen schon die Ponys. Wer vergessen hat, wie der Anbindeknoten geht, kann auf einem Plakat an der Wand mit Zeichnungen spicken. Solche Plakate hängen auch an den Reithallen mit den Bahnregeln. So prägt sich Theorie anschaulich ein.

Die Hof-Chefin verteilt Herzchen-Leckerlis. "Die gibt es für jedes Pony. Aber nur zum Trensen und Aufsteigen." Die Gruppe reitet heute auf den Geländeplatz. Auf dem Feldweg dorthin üben die Reiter, per Handzeichen die Straße zu überqueren. Anna-Katharina Wehr radelt nebenher. In ihrem Fahrradkorb ruckeln Getränkeflaschen für die Kinder. Auf dem Platz galoppiert die Abteilung hintereinander über Baumstämme. Hier kann man fliegende Ponys erleben! Die Reiter strahlen.

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Fetzig! Die Schüler springen über Baumstämme.

Wichtig ist neben Spaß auch Sicherheit: Jedes Kind trägt beim Geländespringen eine Sicherheits-Weste und jeder Sattel ist mit Sicherheits-Steigbügeln ausgestattet, bei denen sich im Notfall ein Gummi löst. Nach dem Geländeritt gehen die Kinder noch kurz für eine Einheit Bodenarbeit auf den Reitplatz. Auch die ist fester Bestandteil im Unterricht. An der langen Seite zeigen sie Schenkelweichen.

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Im Trail klettert ein Pony geschickt über eine Treppe aus Reifen.

Am Ende des Tages lernen wir noch Giovanni kennen. Das Gründer-Pony ist mittlerweile 23 Jahre alt. "Er läuft noch im Unterricht – und erfreut sich an der großen Herde, die er selbst verdient hat. Die 275 Euro waren gut investiert", meint Anna-Katharina Wehr. Fürs Foto macht das Pony zum Abschied winke, winke. Hebt seine Besitzerin die Hand, hebt er den Huf. Ciao, Giovanni! Ciao, Anna-Katharina! Toll, was für ein Paradies ihr für Pferdenarren geschaffen habt.

Kommentar

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Maike Klein
Alena Brandt, CAVALLO-Autorin.

Hier ist es ja wie auf Immenhof, sagte ich zu Anna-Katharina Wehr beim CAVALLO-Termin. Ihre Antwort: "Ja, das hoffe ich. So sollen sich die Kinder auch fühlen." Die Reitlehrerin kombiniert fundiertes Wissen mit Spaß. Davon könnten sich viele Reitschulen eine Scheibe abschneiden. Kein Kind sollte mehr mit Angst reiten lernen. Die Kinder vom Hof Tannhorst zeigen: Wer spielerisch lernt, lernt am besten. Sie sitzen balanciert im Sattel und strotzen vor Wissen. Alena Brandt, CAVALLO-Autorin.

Kontakt

Reitschule Tannhorst
Maike Klein
Das erste Schulpony Giovanni mit Anna-Katharina Wehr und ihrem Mann Veit.

Reitschule Hof Tannhorst
Tannhorstweg 1
29229 Celle
Telefon: 05141 2197360
hof-tannhorst.de

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Erscheinungsdatum 17.05.2023