Sanktionen kommen - André Hascher im Interview

Der Vorstandsvorsitzende des ZfdP im Interview
„Wer nicht für geschundene Pferde einsteht, macht sich mitschuldig“

Zuletzt aktualisiert am 21.02.2024
Bandagierte Pferdebeine auf Dressurplatz in Detail
Foto: Somogyvari/Gettyimages
CAVALLO: Herr Hascher, in Ihrer Funktion als Vorstandsvorsitzender und Mitglied des Zuchtverbandes für deutsche Pferde e.V. haben Sie unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Tierquälerei durch Cesar Parra und den daran Beteiligten den Antrag auf Ausschluss der Dressurstall Sandbrink GmbH aus dem Zuchtverband an den Vorstand gerichtet. Wie war die erste Reaktion auf diesen Antrag? Gab es Diskussionen?

André Hascher: Nein, wir waren uns alle einig. Es gab allerdings eine lange Sitzung dazu, weil Beschlüsse solcher Art natürlich weitreichende Folgen haben, vor allem für die betroffene Dressurstall Sandbrink GmbH, gegen die das Ausschlussverfahren eröffnet wurde. Dass das Verfahren eingeleitet werden muss, war allerdings von jedem Vorstandsmitglied von Anfang an so gewünscht und auch klar. Es gibt bei einem solchen Verfahren viel zu beachten, z.B. wie sind die Regularien, welches Verfahren muss hier eingehalten werden usw. Darüber wurde ausführlich gesprochen, weil unsere Satzung den Weg, wie ein solches Verfahren ablaufen muss, ganz klar vorgibt. Und das war natürlich nicht jedem Vorstandsmitglied so aus der Erinnerung heraus einfach im Kopf. Aber, dass man bei den Bildern, die man da gesehen hat, ganz schnell handeln muss, das war klar und wurde so auch einstimmig, auch unter Einbeziehung der Zuchtleitung, die sich das zumindest als Gäste dann auch angehört haben, in der Vorstandssitzung beschlossen.

Vorstandsmitglieder des ZfdP, Zuchtverband für deutsche Pferde e.V.: Dunja Junker, Klaus Rabensteiner, André Hascher, Heinrich Hünnekes, Fiona Domdey
Volker Hagemeister
Wurde Ihnen das Videomaterial zugespielt oder haben Sie die Vorfälle selbst über die sozialen Medien mitbekommen?

Tatsächlich war es so, dass ich zwar dieses Video selbst in den sozialen Medien zufällig gesehen hatte, aber erst gar nicht darauf aufmerksam geworden bin, dass dort zwei deutsche Beteiligte zu sehen sind. Ich hatte ehrlich gesagt nach der ersten Minute direkt ein fürchterliches Bauchgefühl und es mir aus diesem Grund nicht direkt bis zum Ende angeguckt. Von einem Dritten wurde ich dann darauf hingewiesen, dass es deutsche Beteiligte gibt, woraufhin ich mir diese schrecklichen 8 Minuten dann genau angeschaut habe. Mir sind die beiden Personen, Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber von unseren Veranstaltungen bekannt und ich habe somit bestätigen können, dass sie in besagtem Video zu sehen sind. Mir war sofort klar: Jetzt muss man dringend und konsequent von deutscher Seite eingreifen und handeln!

Wussten Sie von der Verbindung der Sandbrink GmbH bzw. Frau Dr. Klieber und Stefan Sandbrink zum Dressurreiter Cesar Parra?

Nein, bis dahin war mir eine Verbindung zu Cesar Parra nicht klar. Ich weiß, dass die Dressurstall Sandbrink GmbH immer tolle Pferde hat und dass sie aus diesem Grund natürlich auch einen internationalen Kundenkreis pflegt. Das war mir abstrakt schon klar, aber eine Verbindung zu Dr. Cesar Parra konkret nicht. Davon geht man auch nicht aus, denn der Name ist nicht unbefleckt. Man weiß schon seit mindestens zehn Jahren, was da hinter den Kulissen abläuft. Vielleicht nicht in dieser Breite wie man es jetzt sieht, aber dass da vieles im Argen liegt und dass auch schon einige Sanktionen gelaufen sind, ist in der internationalen Pferdewelt weitläufig bekannt. Ich war im Grunde über beides schockiert: sowohl die Bilder von Herrn Sandbrink als Handlanger und Akteur in der Bahn und Frau Dr. Klieber mit wohlwollenden Worten an der Bande zu sehen, als auch, dass sie offenbar geschäftliche Verbindungen zu Parra pflegen.

Andere Institutionen und Verbände haben sich etwas mehr Zeit gelassen, eine Entscheidung zu fällen und weitere Maßnahmen einzuleiten. Wie konnte bereits so schnell innerhalb Ihrer Verbandsstrukturen gehandelt werden?

Ich glaube die Entscheidung auf den Antrag des Ausschlusses musste so schnell und so klar sein, dass die Leute die bereit sind es gut zu machen, den Mut nicht verlieren. Diese müssen sich nämlich dauernd messen mit anderen, die unlautere Trainingsmethoden anwenden. Viele fühlen sich nicht gehört, weil es bei den Verfahren in den Verbänden Wochen und Monate dauert. Auch dieses Verfahren braucht Zeit, es gibt also keinen Grund es nicht sofort anzustoßen. Ich hoffe einfach, dass meine Entscheidung ein Signal ist, dass solche Dinge sofort ernst genommen werden. Ich habe weiter ermittelt, habe mit den Personen gesprochen, die die ganze Sache aufgedeckt haben und den Stein sozusagen ins Rollen gebracht. Wir als Zuchtverband für deutsche Pferde e.V. haben in der Hinsicht vielleicht die Richtung und das Tempo vorgegeben, aber der Fairness halber möchte ich doch betonen, dass auch die FN und das Westfälische Pferdestammbuch schnell Maßnahmen eingeleitet haben und andere Verbände nachgezogen sind. Die Verbandsstrukturen eines so großen Organs wie der FN, sind mit unseren nicht zu vergleichen. Und trotzdem wurden durch die FN in weniger als einer Woche Maßnahmen verhängt. Ich denke, da gibt es im Moment andere Institutionen, die zu lange brauchen.

Welche wären das?

Alle, die nicht bisher schon klar, zumindest ein Ausschlussverfahren eingeleitet haben! Die Begrifflichkeit ist an der Stelle äußerst wichtig. Wir haben das Verfahren eingeleitet und das ist ein großer Schritt, der weitreichende Konsequenzen trägt. Die Schritte in einem solchen Verfahren müssen genaustens eingehalten werden. Selbst bei uns, wo wir noch so schnell waren. Wir müssen den Beirat beteiligen, wir müssen die Betroffenen anschreiben, wir müssen irgendwann die Mitglieder der Delegiertenversammlung mit einschalten. Das hat alles gewisse rechtsstaatliche Spielregeln. Aber zumindest, wenn man diese Videos gesehen hat, besteht für mich kein Grund zum Zögern ein solches Verfahren einzuleiten. Man springt hier nicht auf die Ermittlung oder die Stellungnahmen von irgendwem auf, sondern man sieht und hört ganz deutlich, was da gemacht wird. Und ich denke, in diesem Zusammenhang kann man nicht länger warten. Jeder, der verständig hingucken kann, sieht, was da geschieht. Und dann kann ich es nicht verstehen, wenn andere zögern.

Wie gestaltet sich nun der weitere Ablauf des Ausschlussverfahrens der Dressurstall Sandbrink GmbH?

Alles wird nun satzungsgemäß durchgeführt, d.h. der Beirat ist beteiligt und die Dressurstall Sandbrink GmbH wird mit einer Frist zur Stellungnahme zu den Vorwürfen aufgefordert. Die betroffene GmbH hat dann die Möglichkeit, ein verbandsinternes Widerspruchsverfahren, also ein Rechtsschutzverfahren durchzuführen. Hierfür muss man allerdings die Mitglieder und die Delegiertenversammlung davon überzeugen, dass die Annahme des Vorstandes falsch ist. Danach könnte theoretisch der Vorstand mit einer Dreiviertelmehrheit der Mitglieder und Delegierten im Rahmen der Hauptversammlung überstimmt werden. Das würde aber auch voraussetzen, dass man sich persönlich zu den Vorwürfen äußert und bei allen die Überzeugung erweckt, dass der Vorstand hier etwas falsch verstanden hat. Das halte ich doch für sehr unwahrscheinlich.

Also gab es zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Austausch mit Klieber und Sandbrink bzw. eine Stellungnahme dazu?

Nein, bisher noch nicht. Im Ausschlussverfahren des ZfdP liegt noch keine Stellungnahme der Dressurstall Sandbrink GmbH vor. Wenn Sie mich danach fragen, kann ich mich nur zu der Stellungnahme äußern, die vom Oldenburger und Hannoveraner Verband nach Übersendung durch Frau Dr. Kerstin Klieber und Herrn Stefan Sandbrink veröffentlicht wurde. Das in Rede stehende Video passt in keiner Weise zu der in der Stellungnahme veröffentlichten Geschichte. Meines Erachtens ist dort ein Pferd zu sehen, das in brutaler, verabscheuungswürdiger Art und Weise dazu gezwungen werden soll, sich möglichst ausdrucksstark zu bewegen. Herr Sandbrink hindert das Pferd an der Flucht, während es von einem Dritten brutal von hinten verprügelt wird. Frau Dr. Klieber äußert sich von der Bande aus wohlwollend und erweckt damit den Anschein, diesem Treiben zuzustimmen und es verbal zu unterstützen. Die Stellungnahme, wonach man lediglich der hilflosen Reiterin habe helfen wollen, halte ich für eine vollkommen unschlüssige Schutzbehauptung, die nicht zu den Geschehnissen passt.

Also halten Sie die Erklärung für mehr Schein als Sein? Gäbe es denn tendenziell Unterstützer des veröffentlichten Statements der Sandbrink GmbH?

Jeder Beobachter darf sich nun entscheiden, ob er sich solidarisch im Sinne der Pferde verhält und solche Personen konsequent ausschließt, oder ob fadenscheinig wirkende Ausreden zum Anlass genommen werden, diese zwingend notwendige Solidarität zu verweigern. Wer nicht für geschundene Pferde einsteht und redlich handelnden Pferdemenschen die zwingend notwendige Solidarität verweigert, will offensichtlich, dass es so weiter geht und macht sich an der Misere mitschuldig. Eine ungeahnte Pressewelle von außen wird dann die Aufklärung übernehmen, die eigentlich aus der Branche selbst kommen sollte. Wer hier mit Doppelmoral handelt und die eigene Branche trotz besseren Wissens damit aktiv schädigt, sollte konsequent isoliert werden.

Wie lange wird das Verfahren nun noch dauern, bis man eine endgültige Entscheidung hat?

Die Mitgliederversammlung wird Anfang Mai stattfinden. Bis dahin fällt der Zeitraum, in dem sich die Dressurstall Sandbrink GmbH zur Wehr setzen und die Schlichtungsstelle anrufen kann. Mit der Delegiertenversammlung wäre der Fall dann abgeschlossen. Das ist ein überschaubarer Zeitraum.

Gab es denn bereits in der Vergangenheit Ausschlüsse solcher Art, d.h. aufgrund tierschutzrelevanter Themen?

Nein, bei uns nie. Wir hatten zwar in den schätzungsweise letzten 12 Monaten einige Tierschutz-Skandale in der Pferdewelt in Europa. In diesen Fällen hatten wir als Zuchtverband für deutsche Pferde e.V. jedoch keine Handhabe von Amtswegen, weil Betroffene keine Mitglieder bei uns waren. In diesem Fall jetzt ist es anders und wir haben diese Möglichkeit. Sobald es in unseren Bereich fällt, werden wir also auch in Zukunft in all diesen Situationen genauso und auch genauso schnell handeln.

Wenn Sie über die Wahrnehmung der Öffentlichkeit nachdenken: Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Reitsports?

Ich wünsche mir drei verschiedene Dinge. Zuallererst, dass der Reitsport wieder ausgeübt wird, um Pferdepassion auszudrücken, indem man anstrebt, mit diesen kraftvollen Tieren im Einklang zu sein. Als zweites würde ich mir sehr wünschen, dass der Reitsport in der Öffentlichkeit auch genauso wieder wahrgenommen wird – eine Partnerschaft im Einklang. Mittlerweile muss man sich als Reiter bald schon rechtfertigen, wie man denn überhaupt diesen Sport ausüben und in dieser Branche tätig sein kann. Das ist schade, weil doch die meisten Menschen, die mit Pferden umgehen, das aus einer ganz großen Verbundenheit tun. Ich wünsche mir darüber hinaus, dass mehr Menschen den Mut haben, wenn sie bei solchem Unrecht Zeugen werden, sich wirklich Hilfe zu suchen. Man hat es an dieser Presse-Kampagne gemerkt: Es gibt ein Umfeld, das weiterhilft. Es gibt Funktionäre oder Institutionen, die es hören und die sofort handeln.

Das Image der Pferdebranche geht zunehmend in die Brüche, vor allem durch solche Vorfälle. Wie schafft man es, das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder herzustellen?

Auch wenn man in dem Moment viel riskiert, ich finde man schuldet es den mutigen Personen als Öffentlichkeit oder Presse oder ich als Verbandsvorsitzender, dass die Ergebnisse von dem, was sie aufdecken konnten, zur Verbesserung der Situation der Tiere beitragen. Niemals kann man einem Pferd Eleganz und Vertrauen einprügeln. Die Bilder, die wir in letzter Zeit in der Öffentlichkeit gesehen haben, sind schlimm – für mich persönlich wie auch als Verbandsvorsitzender. Es ist ehrlich gesagt eine große Schweinerei. Wir wollen, dass der Reitsport als etwas Harmonisches, als etwas Ästhetisches wahrgenommen wird, doch das Gegenteil zeigt momentan die Berichterstattung. Ich bin der Meinung, dass man das jetzt ganz hart aus der Branche heraus regeln muss: die schwarzen Schafe beseitigen, tierschutzwidriges Verhalten bestrafen und Maßnahmen ergreifen. Dann kann man auch wieder aus der Branche heraus in eine gesunde Zukunft gehen.