- Boden: Schulter an Schulter gehen
- Boden: Schluss mit dem Ziehen
- Boden: Auf dem Zirkel nach außen kreuzen lassen
- Boden: Anziehende Wirkung aufs Pferd
- Boden: Kreuzen macht flexibel
- Boden: Achten bringen die Vorhand hoch
- Boden: Schulterherein mit feinen Signalen
- Reiten: So richten Sie die Schulter auf die Hinterhand aus
- Reiten: Schlangenlinien-Varianten für die Schultern
- Reiten: Sechs Pylonen, unendlich seitwärts
- Reiten: Schwanken und Schwenken für die Schultern
- "Die eigenen Schultern öffnen"
- So wichtig ist die Schulter in der Herde
- Diskussion über die Ausrüstung
- Vom Boden in den Sattel
- Die Schulter: Diskussionspunkt seit eh und je
- Unser Experten
Boden: Schulter an Schulter gehen
Den Balancepunkt finden: Mit einem anderen Menschen Schulter an Schulter zu gehen, ist für die meisten von uns selbstverständlich – besonders, wenn wir im Gespräch sind oder eine enge Beziehung haben. "Beim Pferd gehen die meisten aber weiter vorne", beobachtet Ian Benson. Dabei lohnt es sich, auf Schulterhöhe zu bleiben: "Wir befinden uns dort an einem Balancepunkt", erklärt Anke Benson.
"Auf Schulterhöhe sind wir neutral und stehen weder auf der Bremse noch dem Gaspedal", ergänzt Ian Benson. Ersteres passiere, wenn wir auf Kopfhöhe gehen: Dann bremse der Mensch das Pferd unbewusst durch seine Position aus. Gehe er hinter der Schulter, treibe er. "Am Balancepunkt kann man bei Bedarf treibend etwa mit dem Seilende hinter sich oder bremsend mit dem absinkenden Arm einwirken. Zudem bleibt das Sichtfeld des Pferds frei", so Ian Benson.

Leichter werden in der Schulter: Wer sich auf Schulterhöhe bewegt, läuft nach Erfahung des Ausbilder-Paars weniger Gefahr, das Pferd versehentlich auf die Vorhand zu ziehen. "Das passiert immer dann, wenn sich der Führstrick spannt", erklärt Anke Benson. Beim Antreten muss die Energie daher immer von hinten kommen, zum Beispiel durch Antippen mit Gerte oder Seilende. Der erste Schritt passiert gemeinsam. "Wenn ein Pferd nicht vorwärts gehen will, ist es auf der geraden Linie schwer zu motivieren, ohne ins Ziehen zu kommen", so Ian Benson. Klemmt es beim Vorwärtsgehen, rät er, nach links oder rechts anzuführen, also einen kleinen Bogen zu gehen.
Boden: Schluss mit dem Ziehen
Übeltäter Longierhand: Ob das Pferd beim Longieren oder bei der Arbeit am langen Seil auf die innere Schulter fällt oder sich ausbalanciert bewegt, haben zu einem guten Teil wir selbst in der Hand – betonen die Bensons. "Oft zieht die Führhand den Kopf nach innen, so dass sich das Pferd auf die innere Schulter lehnt", erklärt Ian Benson.
Longierprobleme lösen: Wenn das Pferd auf der Kreislinie nach innen schaut und mit der Hinterhand rausdreht, blockiert es mit der inneren Schulter und will mit dem inneren Vorderbein stehenbleiben. Wir bemerken oft nur, dass es langsamer wird. "Manchmal passiert es dann, dass der Mensch statt der Schulter die Hinterhand bewegt und sich Pferd und Mensch buchstäblich im Kreis drehen", weiß Ian Benson. Die Lösung: Gezielt die Pferdeschulter ansteuern und beispielsweise das Seilende darauf zuschwingen, mit der Führhand währenddessen in die gewünschte Richtung weisen, ohne am Strick zu ziehen.

Läuft das Pferd wieder um Sie herum, bleibt die Führhand ruhig und stetig. "Wir geben am Knotenhalfter bewusst keine Impulse am Seil, weil sie sehr unangenehm sind und aus der Balance bringen können", so Anke Benson.
Longieren am Kappzaum: Auch am Kappzaum kommt es nach Erfahrung der Bensons vor, dass zu viel Zug an der Longe nach innen die Pferde auf die innere Schulter bringt. Das habe zur Folge, dass immer wieder Longierpeitsche oder Seilende die Schulter nach außen treiben müssen. "So kann das Pferd nicht in seine eigene Balance finden", meint Anke Benson.
Boden: Auf dem Zirkel nach außen kreuzen lassen
Gesund zirkeln: Das Lieblingsrezept von Dr. Vivian Gabor, um Pferde die innere Schulter besser anheben und in der Schulter weich und beweglich werden zu lassen: Das Pferd einige Schritte von der Zirkellinie aus übertreten und so den Zirkel vergrößern lassen.
Aus der Nähe: Anfangs geht Vivian Gabor auf Schulterhöhe seitlich neben dem Pferd mit. Wenn das innere Vorderbein abfußt, tippt sie mit Stick oder Gerte an der inneren Schulter. Das Pferd soll daraufhin das innere Vorderbein vorne über das äußere kreuzen und sich so vorwärts-seitwärts bewegen (siehe auch die Variante von Dr. Claudia Münch, "Gemeinsam kreuzen").

Die Distanz vergrößern: Hat das Pferd die Hilfen verstanden, können Sie weiter wegbleiben und das Kreuzen am Seil oder sogar bei der Freiarbeit abfragen. Anfangs nutzen Sie die Gerte als verlängerten Arm, um die Schulter anzutippen oder auf sie zu weisen. Später reicht es, das Seilende Richtung Schulter zu schwingen oder die Schulter nur mit dem Blick zu fokussieren und auf sie zuzugehen.
Boden: Anziehende Wirkung aufs Pferd
Die Schulter lenkt das Pferd: Wo die Schulter hingeht, geht das Pferd hin. "Darum kann ich ein Pferd auch über die Schulter abholen und zu mir bitten", erklärt Dr. Vivian Gabor.
Annäherung und Rückzug: Das Vorgehen eignet sich zum Beispiel gut, um skeptische, ängstliche Pferde auf der Koppel einzufangen. So geht’s: Gehen Sie schräg von vorne ruhig und gelassen auf das Pferd zu und blicken dabei auf seine Schulter. Bemerkt es Sie und schaut zu Ihnen oder bewegt vielleicht nur ein Ohr in Ihre Richtung, nehmen Sie den Druck weg. "Dazu drehe ich meine Schultern vom Pferd weg, gehe rückwärts oder drehe mich sogar um und gehe ein Stück in die andere Richtung."

Drucknachlass wirkt anziehend: "Die Pferde entwickeln durch diese Methode Vertrauen und lernen, dass sie Druck durch ihre Reaktion loswerden", erklärt Dr. Vivian Gabor. "Mit der Zeit gelingt es dann, das Pferdüber das Wegdrehen der Schulter in den eigenen Energiekreis hineinzuziehen, es bringt seine Schultern zu uns und folgt."
Auch für die Freiarbeit: "Im Roundpen bremse ich das Pferd, indem ich von ihm wegschaue und so Druck nachlasse. Drehe ich meine Schultern zur Zirkelmitte und weg von ihm, lade ich es ein, zu mir zu kommen".
Boden: Kreuzen macht flexibel
Erst die Hinterhand: Für die Übung sollte sich das Pferd beim Führen bereits an Ihrem Tempo orientieren, Übergänge vom Schritt zum Trab flüssig absolvieren, Slalom, Kreise sowie Wendungen um die Vorhand beherrschen. Diese Übungen aktivieren die Hinterhand. "Wenn man zu früh anfängt, sich auf die Schulter zu fokussieren, vergisst man sie leicht", so Dr. Münch.
Gemeinsam Vorwärts-Seitwärts: Für die Übung gehen Sie in Führposition hinter den Pferdeohren und vor dem Widerrist. "Ich wähle diese Position, um bei Bedarf ans Knotenhalfter greifen und Stellung erzeugen zu können", sagt Claudia Münch. Am einfachsten können Sie das Vorwärts-Seitwärts Übertreten von einer gebogenen Linie aus einleiten. Führen Sie beispielsweise einen Linkskreis und greifen mit Ihrer rechten, äußeren Hand in den Diamantknoten, um eine Stellung zu erzeugen. Um dann das Übertreten auf einer diagonalen Linie einzuleiten, schauen Sie in die gewünschte Bewegungsrichtung, geben dem Pferd einen Impuls für die Stellung entgegen der Bewegungsrichtung nach links und kreuzen selbst Ihr linkes über Ihr rechtes Bein. Wenn nötig, touchieren Sie das Pferd gefühlvoll mit dem linken treibenden Arm hinter der Schulter. Das Pferd soll mit Vor- und Hinterhand gleichmäßig kreuzen.
Wenn das Pferd nicht weicht: Das Kreuzen ist koordinativ anspruchsvoll. Beginnen Sie auf der Seite, auf der sich der Kreis leichter führen lässt. Drücken Sie nicht mit Ihrem Körper gegen das Pferd, das erzeugt Gegendruck. Achten Sie zudem darauf, im Oberkörper nicht nach innen einzuknicken.
Boden: Achten bringen die Vorhand hoch
Die Acht am langen Seil bringt das Pferd in Balance und weg von der inneren Schulter. Dazu lassen Sie das Pferd am langen Seil in einem Kreis um Sie herumtreten. Für den Handwechsel holen Sie es auf sich zu, gehen dabei rückwärts und wechseln vor sich die Führhand. Dann schicken Sie das Pferd vor sich auf die andere Hand.
Aufmerksamkeit macht leicht in der Schulter: Die Übung hilft dem Pferd, sich balancierter auf der Kreislinie zu bewegen, nicht auf die innere Schulter zu fallen und beide Schultern mehr anzuheben. "Durch die häufigen Wechsel hebt sich das Pferd im Brustkorb – was der Gesunderhaltung dient", betont Münch. Wichtig ist, nicht am Pferdekopf zu ziehen, sondern das Pferd auf Pfiff oder Stimmsignal und Körpersprache zu sich zu rufen. Entscheidend ist das Timing: Sie müssen rückwärtslaufen, pfeifen und das Pferd ins Kreisinnere einladen, ohne seine flüssige Bewegung zu stören. "Ziel ist, dass das Pferd aufmerksam bleibt, schließlich kann sein Mensch es jederzeit zu sich rufen", erklärt Münch. Um schnell und wendig reagieren zu können, müssen die Pferde mit der Hinterhand mehr Last aufnehmen.

Kreise und Achten: Münch wechselt gerne mit Geraden und Schlangenlinien ab. Besonders schön ist die Übung im Trab, für Fortgeschrittene auch im Galopp. Die Achten sind auch beim Longieren mit Kappzaum möglich. "Durch die Einwirkung am Nasenrücken ist die Gefahr dabei aber etwas größer, dass sich das Pferd im Genick verwirft."
Boden: Schulterherein mit feinen Signalen
Auf einer Linie: Das Schulterherein ist DIE Lektion für bewegliche Schultern und ein aktives Hinterbein. Die Vorhand wird dabei so weit nach innen geführt, dass äußeres Vorderbein und inneres Hinterbein auf einer Linie fußen. Das innere Hinterbein tritt vermehrt unter den Schwerpunkt.
Vom Kreisbogen ins Schulterherein: Für ein Schulterherein nach links führen Sie Ihr Pferd zunächst auf der linken Hand auf einem Kreis von etwa sechs bis sieben Metern Durchmesser. Sie gehen dabei innen und führen das Pferd mit der rechten Hand. Das Seil liegt in großen Schlaufen in Ihrer linken Hand. Geben Sie durch sanftes Zupfen am Diamantknoten Stellung nach links. Ihre innere Schulter geht dabei leicht zurück. Nun folgt das Schulterherein: "Wenn Sie den Hufschlag wieder berühren, denken Sie für eine Sekunde, dass Sie weiter auf dem Kreis bleiben wollen", rät Claudia Münch. Die Drehung in Ihrem Oberkörper bleibt erhalten, Sie bewegen sich nun aber geradeaus weiter. Münch hat bei Ihren Pferden für seitliches Verschieben das Stimmkommando Schnalzen etabliert. Wenn nötig touchiert sie mit dem Seil gefühlvoll in der Gurtlage, um die Vorwärtstendenz zu erhalten.
Wenn die Schulter nicht mitkommt: Oft bringt das Pferd zwar Kopf und Hals, aber nicht die Schulter nach innen. Das bemerkt man nicht immer gleich. "Mein Tipp: Lassen Sie jemanden von vorne oder hinten darauf schauen", so Claudia Münch. Stimmt es noch nicht? Dann führen Sie erneut einen Kreis, achten besonders auf Stellung und Biegung und versuchen es nochmal.
Auf vier Spuren arbeiten: Es kann einfacher sein, zunächst auf vier Hufspuren zu arbeiten. Dabei wenden Sie etwas mehr mit der Vorhand nach innen ab, das Pferd wird auch hinten mehr ins Kreuzen kommen. "Mit der Zeit klappt es auch dreispurig."
Reiten: So richten Sie die Schulter auf die Hinterhand aus
Balance ist alles: Balance ist für Dressurausbilder Christoph Ackermann der Kernpunkt guten Reitens. "Bei der vertikalen Balance geht es im Hinblick auf die Schulter darum, dass das Pferd nicht schwerer auf eine Schulter fällt oder nach außen über die Schulter wegdrängelt. Die Schultern müssen genau vor der Hinterhand ausgerichtet sein." Nur dann kann das Pferd auch mit der Hinterhand Last aufnehmen und in der Vorhand leichter werden. "Hinterhand und Rücken müssen die Schulter anheben, dann kann das Pferd sich gesund tragen", so Ackermann.

Zirkel in Schulterbalance: Gebogene Linien sind ideal, um Hinterhand und Schultern aufeinander auszurichten und die Balance zu schulen. Wenn das Pferd aus der Balance gerät, kontrollieren Sie Sitz und Hilfenhebung. "Oft macht die innere Hand zu viel und zieht Kopf und Hals nach innen", beobachtet Ackermann. "Dann fällt das Pferd auf die äußere Schulter." Wie es richtig geht? "Den äußeren Schenkel leicht zurücklegen, er verwahrt und verhindert, dass die Hinterhand von der gebogenen Linie ausbricht." Der äußere Zügel richtet in Kooperation mit dem inneren Zügel die Pferdeschultern auf die Linie der Hinterhand aus.

Schulterherein reiten: "Manchmal nehmen die Pferde statt der Schulter nur Kopf und Hals herein", so Ackermann. "Oft, weil der Reiter innen zu viel macht. So wirft er das Pferd aus der Balance." Stattdessen richtet der äußere Zügel die äußere Schulter auf das innere Hinterbein aus. "Die Hilfengebung ist ganz ähnlich wie beim Zirkel", so Ackermann. Wichtig: Außen führen, aber nicht ziehen. Da die äußere Halsseite im Schulterherein länger wird, muss die Hand sogar leicht vor. Dreht der Reiter sich gut mit, passiert das von allein. Die Schultern des Reiters sollten parallel zu denen des Pferds sein. "Die innere Hand geht dabei für ein bis zwei Sekunden zur Seite nach innen und richtet die Vorhand auf die Hinterhand aus."
Reiten: Schlangenlinien-Varianten für die Schultern
Schlangenlinien bringen in die Spur: Schlangenlinien bieten ständige Richtungwechsel. Der Reiter kann gut üben, die Schultern fein auf die Hinterhand auszutarieren. Im Idealfall bewegt sich das Pferd wie auf Schienen: jeweils äußeres und inneres Vorder- und Hinterbein auf einer Linie.
Vier Schlangen-Varianten: Christoph Ackermann lässt seine Schüler mit den vier Varianten von leicht nach schwer üben:
1. Einfache Schlangenlinie an der langen Seite: Die klassische Bahnfigur wirkt lösend, und der Reiter steuert bereits die Bewegungsrichtung der Pferdeschultern. "Reiten Sie ohne Biegung nur in Stellung, ohne die Schulter dabei zu verlieren", rät Ackermann.
2. Schlangenlinien durch die ganze Bahn: Die Bogen fordern Biegung vom Pferd, das innere Hinterbein fußt vermehrt unter den Schwerpunkt. "Das ist eine schließende Übung, die die Hinterhand an die Vorhand heranbringt", so Ackermann. Die Schultern über den äußeren Zügel auf die Hinterhand ausrichten und mit der inneren Hand leicht werden, dass das innere Hinterbein besser vorfußen kann.

3. Schlängelnde Schlange: Bei dieser alten Version der Schlangenlinien durch die Bahn gibt es keine Geraden, die Bögen bestehen aus aneinandergereihten halben Volten. "An der Mittellinie haben Sie auf einer kurzen Diagonalen jeweils nur drei Tritte Zeit zum Umstellen", so Ackermann.

4. Doppelte Schlangenlinie: Hier müssen Sie noch schneller umstellen. "Eine der wertvollsten und schwierigsten Übungen für die Schulter", so Ackermann.
Reiten: Sechs Pylonen, unendlich seitwärts
Vorwärts-Seitwärts mit Pylonen: Dr. Vivian Gabor stellt für abwechslungsreiche Vorwärts-Seitwärts-Varianten sechs Pylonen in der Bahn auf – je drei im gleichen Abstand an einer langen Seite. Die Pylonen stehen etwa auf dem fünften Hufschlag.
Verschiedene Wege wählen: Starten Sie zum Beispiel links neben dem Hütchen in einer Ecke.

Von hier aus können Sie zu einem der Hütchen auf der gegenüberleigenden Seite reiten. Je nachdem, welches Sie anpeilen, muss Ihr Pferd stärker seitwärts übertreten oder mehr Vorwärts beibehalten. "Sie lenken Ihr Pferd dabei eher über die Schulter, es geht nicht mit dem Kopf voran, sondern bewegt sich je nach Winkel unterschiedlich stark vorwärtsseitwärts", erklärt Vivian Gabor. "Probieren Sie aus, was Ihr Pferd und Sie schon schaffen und wählen die Strecken entsprechend aus", rät die Trainerin. Beim direkt gegenüberliegenden Hütchen muss das Pferd im 90-Grad-Winkel seitwärts. "Das entspricht einer Art Sidepass bei der Working Equitation", so Gabor.
Verschiedene Schwierigkeitsgrade: Die Übung lässt sich am lockeren Zügel oder auch einhändig im Schritt reiten. So schulen Sie sich selbst darin, mehr über Gewicht und Bein zu reiten. Wenn Sie mit Zügelverbindung reiten, können Sie das Pferd anfangs gegen die Bewegungsrichtung stellen. Das ist am einfachsten. Später bleibt es im Genick gerade, bis vielleicht sogar die Stellung in Bewegungsrichtung gelingt. "Die Übung schult sehr gut die Schulterkontrolle und gymnastiziert", so Gabor.
Reiten: Schwanken und Schwenken für die Schultern
Schwanken für die Balance: Vivian Gabor nennt diese Übung "das besoffene Pferd" – doch keine Sorge, was wie Torkeln aussieht, fördert Balance und Körpergefühl. Sie reiten dazu auf dem Zirkel in leichter Innenstellung und Biegung. Mit innerem Schenkel und äußerem Zügel lassen Sie das Pferd dann zwei bis drei Tritte lang den Zirkel vergrößern. Dann stellen Sie nach außen um und lassen das Pferd wieder nach innen übertreten und den Zirkel wieder verkleinern. "Die Pferde geben dabei im Genick nach und werden immer mehr auf inneres Bein und äußeren Zügel geschult", erklärt Dr. Vivian Gabor den Effekt. "Mit der Zeit fühlen sie sich immer wohler, beim Wechsel flüssig über die Schulter zu gehen."

Quadratvolte mit Schulterschwenks: Nächstes Level gefällig? Dann können Sie als verkleinerten Zirkel eine Quadratvolte aus vier Pylonen aufstellen. An dieser reiten Sie außen entlang. Wenn Sie das nächste Hütchen erreichen, reiten Sie daran eine Pferdelänge vorbei und lassen dann nur die Schulter um die Ecke weichen – am Anfang in Außenstellung, später in Innenstellung für eine Viertel-Kurzkehrtwendung. Die Wendung reiten Sie aus dem Bewegungsfluss heraus. Reiten Sie im Inneren der Hütchen, werden die Abstände enger und die Übung dadurch anspruchvoller. Das Pferd muss sich stärker versammeln – und die Übung wird irgendwann zur Hinterhandwendung. Das Pferd muss sich dabei stärker auf die Hinterhand setzen und wird in der Schulter leichter.

Pausen machen: Sie können die Übung im Schritt oder im Trab reiten. Machen Sie die Übung nicht zu lange. Vivian Gabor rät, ein bis zwei Mal pro Hand alle vier Ecken abzureiten und dann etwas anderes zu machen, bevor Sie wieder zu der Übung zurückkehren.
"Die eigenen Schultern öffnen"
Anke und Ian Bensons Methode "Humanship" legt den Fokus auf eine bessere Selbstwahrnehmung des Menschen.

CAVALLO: Rempeln mit der Schulter, wegdrängeln – was haben wir selbst mit diesem Pferdeverhalten zu tun?
Ian Benson: Pferde nutzen ihre Schultern oft gegen uns. Weil wir es ihnen beibringen und vergessen, Grenzen zu setzen! Wir ziehen am Seil, ziehen die Schultern zu uns. Und wir kreieren oft unbewusst eine Dysbalance im Pferd, weil wir vieles nur von links machen, nur von links führen und die linke Schulter dabei zu uns ziehen. Wir Menschen tendieren dazu, unsere Hände zu viel zu nutzen, Pferde etwa am Strick nach vorne bewegen zu wollen. Dabei tragen sie schon viel Gewicht auf den Schultern. Wir sollten ihnen helfen, sie leichter zu machen.
Wie können wir Pferden dabei helfen, ihre Schultern besser zu bewegen?
Anke Benson: Wir müssen lernen, unsere Hände achtsamer einzusetzen. Unsere Hände sind so gut im Festhalten, dass wir das oft wie von alleine tun: Dann wandern die Hände beim Reiten Richtung Oberkörper oder das Handgelenk dreht sich beim Longieren plötzlich ein. Ich frage gerne: Ziehst du noch oder führst du schon?
Wie beeinflusst unsere Haltung beim Reiten die Schultern des Pferds?
Ian Benson: Wenn wir nach unten schauen und am Zügel rückwärts wirken, bringen wir noch mehr Gewicht auf die Vorhand. Hilfreich ist es, wenn wir selbst unsere Schultern wirklich öffnen und geradeaus schauen. Es gibt eine enge Beziehung zwischen den Schultern des Pferds und unseren eigenen Schultern, wenn wir reiten – genauso wie zwischen der Hüfte des Pferds und der des Reiters. Wenn der Reiter sich zum Beispiel gut mit Hüfte und Schultern mitdreht ohne einzuknicken, kann das Pferd auf gebogenen Linien in Balance finden.
Warum fällt es oft so schwer, das Pferd in der Schulter leicht zu bekommen?
Ian Benson: Ein Pferd kann in der Schulter leicht sein wie eine Feder. Dazu muss es seine Kraft in der Hinterhand entfalten. Ich denke, viele Menschen haben davor im Grunde Angst. Daher kommen sie ins Ziehen, wollen die Vorhand, die Schultern und damit letztlich die Hinterhand kontrollieren.
Anke Benson: Manche schauen auch beim Führen nach hinten, um ihr Pferd zu kontrollieren und kommen so ins Ziehen auf die Vorhand. Leicht in der Schulter werden, hat viel mit Vertrauen zu tun.
So wichtig ist die Schulter in der Herde

Dr. Vivian Gabor ist Pferdeverhaltenswissenschaftlerin und Ausbilderin. Die Erkenntnisse aus ihrer wissenschaftlichen Arbeit nutzt sie im Training.
CAVALLO: Welche Rolle spielt die Schulter für die Kommunikation von Pferden in der Herde?
Dr. Vivian Gabor: Die Schulter hat in der Herde mit einem gewissen Standing zu tun – wer die Schulter eines anderen Pferds kontrolliert, bestimmt, wo es hingeht. Die Hinterhand ist dafür weniger entscheidend. Nicht umsonst kämpfen Hengste vor allem mit der Vorhand: Sie zwicken sich in die Vorderbeine, bringen sich vorne zu Boden. Und wenn ein Pferd ein anderes wegschickt, muss es zunächst mit der Schulter weichen und dann gehen.

Wer die Schulter eines Pferds bewegen kann, ist also ranghöher? Ja, und das gilt auch für unseren Umgang mit dem Pferd. Wenn ich diejenige bin, die die Schulter bewegen kann, bedeutet das zugleich, dass ich es durch schwierige Situationen leite und die Verantwortung trage. Pferde geben über die Schulter aber auch Raum frei: Beim gegenseitigen Kraulen etwa oder wenn ein rangniedrigeres Pferd neben einem ranghöheren frisst. Die vordere Körperhälfte ist so wichtig für die Kommunikation, weil auch die Mimik dafür entscheidend ist.

Wirken sich Übungen, bei denen man die Schulter bewegt, auch auf die Psyche des Pferds aus? Ich habe festgestellt, dass viele Pferde beim Seitwärtsweichen oder bei Wendungen um die Hinterhand mit lockerem Kreuzen der Vorderbeine auch mental entspannen. Sie kommen dadurch zudem gut aus einer Starre mit hohem Muskeltonus heraus, etwa in angespannten Situationen. Kreuzende Übungen sind also für die körperliche wie für die mentale Losgelassenheit sehr wichtig.
Das ist fast wie bei uns Menschen. Wir müssen bei Anspannung auch oft bewusst die Schultern lockern. Stimmt, uns sitzt ja sprichwörtlich etwas im Nacken oder lastet schwer auf uns. Die Schultern sind eng mit dem Mentalen verknüpft. Wenn man die Schultern eines Pferds bewegt, gibt es ein Stück weit seine Standfestigkeit auf – physisch und psychisch. Wir müssen das mit Wohlwollen tun und vermitteln, dass es zur Sicherheit des Pferds ist. Als ob wir sagen: Ich passe jetzt auf dich auf.
Diskussion über die Ausrüstung
Wie bei fast allen Themen rund ums Pferd, gibt es zum passenden Equipment für die Arbeit an der Schulterkontrolle unterschiedliche Meinungen – auch unter unseren Experten. Das sind die Gründe:
Nur mit Knotenhalfter und Bodenarbeitsseil – für ehrliche Ergebnisse: Bei ihrem Konzept setzt Bodenarbeitsexpertin Dr. Claudia Münch allein auf dieses Equipment. "Wenn man etwas mit sehr wenig Ausrüstung schafft, ist es meiner Meinung nach wirklich authentisch, und das Pferd kann die Übungen selbst halten", erklärt sie. "Es achtet zudem noch feiner auf uns und unsere Körpersignale."
Ausbinder stabilisieren: Dressurausbilder Christoph Ackermann hält den Einsatz von Ausbindern für sinnvoll – wenn es richtig gemacht wird. "Bei der Handarbeit können Sie Schultern und Hals auf die Hinterhand einrichten, das Pferd also seitlich begrenzen und ihm so beim Ausbalancieren helfen." Zu eng verschnallte Ausbinder sind dagegen absolut kontraproduktiv, betont er: "Wenn das Pferd vorne eng gemacht ist, gerät es auf die Vorhand."
Kappzaum: Anke und Ian Benson halten viel vom Kappzaum, wenn die Führhand ohne Ziehen, ständige Impulse oder Zupfen am Kopf dem Pferd in Stellung und Biegung hilft. "Wir empfehlen immer wieder mal das Equipment zu wechseln und mit dem Knotenhalfter im leichten Kontakt zu prüfen, ob das Pferd wirklich mehr und mehr in Balance läuft."
Vom Boden in den Sattel
Wer die Schulter am Boden bewegen kann, tut sich im Sattel leichter: Da auf der Vorhand von Natur aus das meiste Gewicht lastet, ist sie für die Balance sehr wichtig. Lernen Jungpferde schon vor dem Anreiten an der Hand vorwärts-seitwärts überzutreten, schult das ihre Balance und sie lassen psychisch leichter los.

Signale mitnehmen: Nicht nur beim Jungpferd können Sie am Boden etablierte Signale auch im Sattel nutzen: Tippen Sie zum Beispiel wie am Boden mit der Gerte an die Schulter, drehen sich im Oberkörper für Lektionen wie gebogene Linien oder Schulterherein gut mit und achten wie am Boden darauf, mit den Händen nicht zu ziehen.
Die Schulter: Diskussionspunkt seit eh und je
Den Fachbegriff "Schulterkontrolle" gab es bei den alten Meistern noch nicht. Dennoch war die Schulter schon in der Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts Thema, und zwar in Bezug auf die passende Stellung und Biegung, die zu dem führen sollte, was wir heute Schulterkontrolle nennen. "William Cavendish Duke of Newcastle vertrat zum Beispiel eine extreme Biegung und Stellung", weiß Barockausbilder Richard Hinrichs. "Das wurde schon früh kontrovers diskutiert. Johann Christoph von Regenthal, Bereiter der spanischen Hofreitschule, warnte um 1720 zum Beispiel bereits vor Übertreibung in dieser Hinsicht."
Die Debatte ist bis heute lebendig: Reitweisen, die sich stark an alten Meistern orientieren, wie etwa die Ecole de Légèreté oder die barocke Reitkunst, legen auch heute noch einen starken Fokus auf Seitengänge und die Kontrolle der Pferdeschultern. Andererseits wird die Schulter in ihrer Bedeutung teils unterschätzt. Ausbilder Christoph Ackermann, der bei Egon von Neindorff lernte, sieht in seinem Unterricht etwa, dass die Schulterkontrolle oft untergeht. Nicht wenige Reiter hätten Probleme damit, dass das Pferd auf eine Schulter fällt. Dennoch sieht er in einem zu starken Fokus auf die Schultern auch eine Gefahr: "Alles Gute kommt aus der Hinterhand. Wir müssen die Vorhand auf die Hinterhand einrichten, nicht andersherum. Wenn wir die Hinterhand auf die Vorhand einrichten, haben wir gar nichts erreicht", so seine Meinung. "Oft wird gesagt: Wer die Schulter hat, hat das Pferd. Das stimmt nicht. Es geht immer um ein Zusammenspiel von Hanke, Rücken und Schulter. Sonst wird das Reiten schnell handlastig."
Unser Experten

Christoph Ackermann reitet Dressur bis Grand-Prix-Niveau und bildet Pferde und Reiter aus. Er lernte u. a. bei Egon von Neindorff und Gert Schwabl von Gordon. www.conde-reitseminare.de

Dr. Vivian Gabor ist Pferdeverhaltenswissenschaftlerin und Ausbilderin. Die Erkenntnisse aus ihrer wissenschaftlichen Arbeit nutzt sie im Training.
Dr. Claudia Münch hat eine eigene Bodenarbeits-Methode mit Knotenhalfter und Bodenarbeitsseil entwickelt. Sie arbeitete an den Bodenarbeitsabzeichen der FN mit. www.bodenarbeit.net

Anke und Ian Benson. Das Paar lebt in Neuseeland und unterrichtet auch in Deutschland nach seinem Humanship-Konzept für eine gute Pferd-Mensch-Beziehung. www.humanship.co.nz