Das Training am Boden ist Voraussetzung fürs Reiten
Reiten ohne Sattel undTrense – diese Bilder sieht man immer wieder in den Sozialen Medien. Was man oft nicht sieht, ist die Arbeit dahinter und die Vorarbeit, die dafür nötig ist. Zum Reiten ohne Zaumzeug gehört natürlich, dass der Reiter sein Pferd jederzeit sicher anhalten kann – "nur" eben ohne Zügel. Sie wollen nicht ohne Zaumzeug reiten? Sie sollten trotzdem weiterlesen, denn mit der passenden Vorarbeit erhöhen Sie die Sicherheit beim Reiten mit Zaumzeug. Mit einem kleinschrittigen Training kann jeder einen besseren Stopp erarbeiten – egal ob das Pferd eher nervös, träge, jung oder alt ist. Pferdetrainerin Tanja Riedinger erklärt, wie das gelingt.
Das Pferd lernt, beim Führen und an der Longe zu stoppen. Beim Training mit ihrem jungen Lusitano-Hengst Opium (4 Jahre) zeigt Tanja Riedinger, wie sie das Stoppsignal bei der Bodenarbeit einführt. "Ich kombiniere anfangs meine Körpersprache mit einem Stimmsignal ("Scht"). Dieses Stimmsignal nutze ich nur fürs Anhalten, fürs Rückwärts ziehe ich es lang ("Schschscht"). Zusätzlich hebe ich die Hand, um das Pferd anzuhalten.

" Die Reihenfolge ist Körpersprache (Schultern zurücknehmen), Stimme und Handzeichen. Es geht darum, dass das Pferd zuhört und auf den Menschen achtet.

Ignoriert das Pferd diese drei Hilfen, begrenzt die Trainerin das Pferd mit der Gerte vor der Brust oder vor der Pferdenase, schneidet dem Pferd damit quasi den Weg ab und schickt es ein, zwei Tritte zurück. Anfangs nutzt man den Zaun, damit das Pferd lernt, gerade anzuhalten und eingerahmt wird.
Opium ist ein sehr energiegeladenes Pferd, das schnell seinen Fokus in der Außenwelt hat. Er stammt aus einer Stierkampflinie, ist sehr reaktiv und als Hengst von seinen Hormonen beeinflusst. Tanja Riedinger hält die Stehzeiten kurz, anfangs nur wenige Sekunden.
"Für nervöse Pferde ist das Antretenlassen die Belohnung, für Energiesparer das Stehenlassen", sagt sie. "Mir geht es um seine Reaktion, dass er mir zuhört und anhält – nicht darum, dass er schon ganz ruhig steht." Klappen Schritt-Halten-Übergänge gut, ist Trab-Halten dran. Diese Führübungen können Sie in Ihren Alltag integrieren: auf dem Weg zum Reitplatz oder wenn Sie das Pferd von der Weide holen.
Anhalten aus der Distanz: Klappt das Stoppen gut in der Führposition aus der Nähe, können Sie an der Longe oder dem Vier-Meter-Seil üben. Den Hilfen-Dreiklang aus Körpersprache, Handzeichen und Stimmsignal kennt das Pferd bereits aus der Nähe.

Auch hier ist der Zaun als Begrenzung hilfreich. "Die Übung beginnt im Schritt, und man kann dann nach und nach auch aus dem Trab oder dem Galopp arbeiten."
Ignoriert das Pferd den Menschen, kann man es über den Hinterhand-Not-Stopp ausbremsen. Dabei nehmen Sie den Pferdekopf zu sich herum und lassen die Hinterbeine kreuzen. "Diesen Not-Stopp setze ich sehr dosiert ein, da große Kräfte auf die Gelenke wirken", sagt Tanja Riedinger. Darum stoppt sie das Pferd am liebsten auf einer geraden Linie. Klappt das Stoppen am Zaun, übt sie auf freien Linien. "Ich achte darauf, dass das Pferd gerade neben mir steht."
Wer gerne mit seinem Pferd frei arbeitet, hat jetzt die Basis gelegt, auch ohne Halfter und Seil zu stoppen.

Der sichere Stopp im Sattel beginnt mit Zaum & Zügeln
Gutes Rückwärts erleichtert das Stoppen. "Wenn Pferde schon beim Stoppen an Rückwärts denken, gelingt das Anhalten leichter", sagt Tanja Riedinger, die nun den vierjährigen Warmbluthengst Nappa gesattelt hat. Ihn hat sie erst vor wenigen Wochen angeritten. Mit Nappa hat sie das Stoppen am Boden gut vorbereitet. Jetzt zeigt die Trainerin, wie sie beim Reiten vorgeht. "Da Nappa noch nicht ans Gebiss gewöhnt wurde, reite ich mit einem gebisslosen Zaum." Zwei weitere Stopp-Hilfen nimmt Tanja Riedinger nun beim Training dazu: das Anlegen der Gerte an der Schulter des Pferds und den Druck auf der Nase übers Zaumzeug. Diese Signale sind zunächst auch zentral, damit das Pferd nach dem Halten weich rückwärtsgeht.

Mit dem Hilfen-Quartett aus Reitergewicht, Gerte, Stimme und Zügeln bereitet Tanja Riedinger den Stopp vor: Zum Anhalten kippt sie das Becken nach vorne, legt die Gerte an der Schulter an, gibt ihr Stimmsignal "Scht" und nimmt die Zügel an.

Hält das Pferd an und zeigt (auch nur eine minimale) Rückwärtstendenz, löst sie sofort den Druck am Zügel und entspannt ihren Körper im Sattel. Ziel ist es, dass die Zügelhilfe immer weniger zum Einsatz kommt und das Pferd immer mehr allein auf Stimm- und Gewichtshilfen reagiert. Nappa ist sehr aufmerksam und hält sogar schon ohne Zügel an.

Doch was tun, wenn das Pferd das Hilfen-Quartett ignoriert und weiterläuft? Hilfe bietet wieder die Begrenzung des Reitplatzes: Tanja Riedinger wendet das Pferd nach außen Richtung Zaun. Dieser wirkt als optische Bremse. Wenn nötig, lässt sie das Pferd soweit drehen, bis es in die entgegengesetzte Richtung blickt. Sobald das Pferd die Beine kreuzt, wird das Vorwärts unterbrochen. Die Gerte in der inneren Hand hilft, die Nase des Pferds nach außen zu wenden.

Das Hilfen-Quartett wird nach und nach abgebaut und die Gangart erhöht. Ziel ist, dass das Pferd allein auf das Stimmsignal und die Gewichtshilfe des Reiters reagiert. Das Training steigert sich von der niedrigen zur höheren Gangart. Klappt das Stoppen im Schritt, können Sie im Trab weiterarbeiten, später auch im Galopp.
Tipp: Um dem Pferd das Halten noch schmackhafter zu machen, gibt Tanja Riedinger ihren Pferde nach einem besonders guten Stopp ab und zu ein Futterlob. Damit das Pferd die Belohnung mit dem Halten verknüpft, sollte nur eine kurze Zeit zwischen Halten und Belohnung liegen.
Was ist der One-Rein-Stop? Beim One-Rein-Stop biegt der Reiter den Pferdehals stark zu einer Seite und bremst es so aus.
- Kommt aus dem Westernbereich und wird auch "laterale Kontrolle" genannt.
- Wird kritisiert, wenn er sehr oft eingesetzt wird, um das Pferd zu dominieren.
- Tanja Riedinger empfiehlt diesen Stopp aus gesundheitlichen Gründen nur im Notfall: "Da das sehr ruckartig ist, belastet es die Gelenke."
Klappt der Stopp mit Zügeln, kann der Halsring drauf
Bekanntes mit Unbekanntem verknüpfen: Von den Übungen zuvor kennt Nappa die Hilfen von Reitergewicht, Stimme, Gerte und Zügeln. Jetzt kommt der Halsring dazu. Voraussetzung, um später nur am Halsring zu reiten, ist ein guter Stopp mit Zaum und Zügeln. Tanja Riedinger testet, ob Nappa dem Druck des Rings in Kombination mit der Gerte an der Brust nachgibt und anhält.

Reagiert er nicht, steigert sie den Impuls mit der Gerte an der Brust. Deswegen hat er vorher gelernt, auf diesen Impuls mit der Gerte an Stopp und Rückwärts zu denken. Das Pferd ist anfangs immer gezäumt: So könnte Tanja Riedinger die Zügel zusammen mit dem Halsring annehmen, um anzuhalten. Ziel ist es, immer mehr Hilfen wegzulassen und Nappa nur auf Gewicht und Stimme anzuhalten. Als Verstärker hat sie Gerte, Halsring und Zügel.
Lässt sich das Pferd komplett über Sitz und Stimme stoppen und hat es den Druck mit der Gerte an der Brust verstanden, darf der Zaum ab. Tanja Riedinger bleibt bei den ersten Einheiten am Halsring auf einem umzäuntem Reitplatz. Nappa stoppt gut, wenn sie den Halsring annimmt.

Sie arbeitet sich mit Schritt-Halt-Übergängen zu Übergängen aus höheren Gangarten vor. Nach wenigen Wiederholungen kann sie Nappa auf Stimme und Gewicht aus dem Trab stoppen – die Vorarbeit hat sich ausgezahlt! Erst wenn das gelingt, verlässt sie den Platz.

Stoppt das Pferd sicher auf dem Reitplatz, geht’s raus
Das Training im Gelände zeigt Tanja Riedinger mit einem erfahrenen Pferd. Mustang-Wallach Don ist 7 Jahre alt, gezäumt auf Wassertrense. Beim Reiten mit Gebiss gibt sie zum Stoppen die Impulse nur nach oben oder zur Seite.

Drückt der Reiter die Hände tief und rückwärts, kommt viel Druck auf die empfindliche Lade. Wichtige Voraussetzung, um am Gebiss gut stoppen zu können, ist die seitliche Biegsamkeit: Auf einen leichten Impuls soll das Pferd den Kopf wenden und nachgeben. "Dauerzug an beiden Zügeln macht Pferde nervös und erzeugt Gegendruck", erinnert die Trainerin.
Sobald das Pferd reagiert, löst sie den Druck aufs Gebiss. Und natürlich setzt sie wie in den ersten Schritten auch Gewicht, Stimme und Gerte ein.
Mit unerfahrenen Pferden startet Tanja Riedinger mit einem Training rund um den heimischen Hof. "Anfangs ist es leichter, wenn ich den Stopp vom Stall weg übe." Stoppt das Pferd nicht, wendet sie es zur Seite in die Gegenrichtung. "Anfangs geht es mir rein um die Reaktion auf die Hilfen, nicht darum, dass das Pferd schon ruhig steht", sagt sie. Ein kurzer Moment des Stoppens reicht, dann reitet sie wieder an. Ist das Pferd noch aufgeregt, dient das Loslaufen als Belohnung. Klappt der Stopp rund um den Hof und vom Hof weg, kommt die Königsdisziplin: Stoppen in Richtung Stall aus höheren Gangarten.

Das übt sie erst, wenn alle Vorübungen sitzen. Und selbst die Trainerin, die fürs Reiten ohne alles bekannt ist, hat anfangs stets ein Kopfstück drauf.
Die Expertin

Tanja Riedinger lebt in Süddeutschland, bildet Pferde aus, gibt Kurse und hat in Filmen gedoubelt. Sie gibt Onlinekurse auf: www.nativehorses.de