Das kleine Zweimaleins

Dressurtraining für Gangpferde
Das kleine Zweimaleins

Zuletzt aktualisiert am 11.05.2009
CAV Tölter Bild5

Gangpferdetrainer Stephan Vierhaus und seine Tochter Wiebke werden bei diesem Termin Klarheit schaffen. Und zwar in der oft kontrovers diskutierten Frage, wie man Gangpferde gesund ausbilden kann – und über klassische Dressur gymnastizieren muss.

Mit dem 17jährigen gekörten Andalusier-Hengst Lunatico und dem 9jährigen selbst gezogenen Töltende-Traber-Wallach Quickstep demonstrieren die beiden im Direktvergleich, dass der Tölter dem Spanier dressurmäßig kaum nachsteht. Trotzdem töltet der Traber taktsicher und rund über den Rücken.

Das liegt an seiner Grundausbildung. Die unterschied sich kaum von der eines Dreigängers. Auch Quickstep musste erst das kleine Einmaleins des Reitpferds lernen, bevor es an die höhere Mathematik ging, zu der auch der Tölt gehört. ­„Locker und ausdrucksstark gerittener Tölt ist fast so anspruchsvoll wie für einen Dreigänger die Piaffe“, sagt der geborene Belgier Vierhaus, der in Borken/Nordrhein-Westfalen zusammen mit seiner Frau Ellen ein Gangpferdezentrum betreibt und sich an der klassisch-französischen Dressur orientiert, die auch Philippe Karl repräsentiert. „Für beides müssen die Pferde versammelnde Arbeit kennen und damit ­umgehen können.“

Dennoch gibt es Dressur-Unterschiede zum Dreigänger. „Ein Naturtölter wird Trabtraversalen, Piaffe oder Galopp-­Pirouetten kaum lernen“, gibt Stephan Vierhaus zu. Das sei allerdings auch ­sinnlos: „Wer einen Tölter hat, will tölten."

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Falschen Tölt vermeiden

„Fehlen Kraft und mentale Stärke, sind auch begabte Pferde im Tölt schnell überfordert“, sagt Gangpferdetrainer Vierhaus. Selbst Natur­tölter, die sich leicht unter dem Reiter ­tölten lassen, benötigen ein gutes Training, bevor sie’s in gesunder Haltung und mit viel Ausdruck können.

Bei Jungpferden dauert es deshalb mindestens sechs, oft aber zwölf Monate, bis zum Tölt. „Selbst gut gerittene Pferde brauchen drei Monate Aufbautraining, bevor man mit dem Tölt anfangen kann“, stellt Vierhaus klar. Nur so können sie von Anfang an lernen, mit tragendem ­Rücken und gelassen zu tölten.

Das ist nicht selbstverständlich. „Tölt entsteht auch, wenn man die Anfangsunsicherheit eines jungen Gangpferds kultiviert“, beschreibt Vierhaus den weniger pferdefreundlichen Weg zum Sondergang. „Bei Balanceverlust neigt ein Tölter, ­dessen Talent ja darin besteht, die Fußfolgen der Grundgangarten aufzulösen, zum Viertakt. Forciert der Reiter dann den Tölt, verspannt das Pferd. Es lernt den Gang, wird aber den frühen Stress immer mit der Gangart verknüpfen. ­Gelassener Tölt wird unmöglich.“

Wurde ein Pferd so eingetöltet, kann die dressurmäßige Arbeit den Tölt tatsächlich zunächst verschwinden lassen, wie es die Dressurgegner behaupten. „Wenn solch ein Pferd sich löst, wenn es lernt, den Hals fallen zu lassen, und über den Rücken zu gehen beginnt, fehlt die Verspannung, die zuvor den Tölt möglich machte“, erklärt Vierhaus. Erst wenn die Grundausbildung nachgeholt wurde, wenn das Pferd die nötigen Muskeln ­besitzt und gelernt hat, bei schließenden Hilfen gelassen zu bleiben, darf Tölt ­wieder auf den Trainingsplan.

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Passt zusammen: Tölt und Dressur

„Je besser sie tölten, umso mehr hilft ihnen die damit verbundene Fähigkeit, jedes Bein flexibel zu benutzen, in der Dressur den Reiteranforderungen aus­zuweichen.“ Balanceverluste, etwa in ­Seitengängen, werden dann nicht durch mehr Untertritt, sondern durch Taktverschiebungen ausgeglichen. Und statt das Gewicht im Galopp mit der Hinterhand mühsam im Sprung nach vorne zu katapultieren, verteilt der Tölter es lieber gleichmäßiger auf die vier Beine.

Außerdem wird ein Pferd für den Tölt konditioniert, dass versammelnde Hilfen das Signal für diese Gangart sind. Die Unterscheidung, wann Tölt und wann nur mehr Lastaufnahme in einer Grundgangart gefragt ist, wird damit schwieriger. Stephan Vierhaus rät deshalb dazu, alle Dressurziele vor Beginn der Tölt-­Ausbildung zu erarbeiten und zu festigen. Später können nur wenige Pferde die Gänge noch so sauber trennen, dass der Takt einer Gangart auch bei hohen ­Anforderungen erhalten bleibt.

Doch auch wenn der Tölt wichtiger wird, ist Dressurarbeit weiter unerlässlich. „Fehlt diese, werden selbst sichere Tölter schnell wieder schlechter“, sagt Vierhaus. „Einmal wöchentlich Gelände reicht nicht aus, um die nötige Kraft und Lockerheit zu erhalten.“ Das weiß er aus eigener Erfahrung, seit er für seinen Tölter einmal wenig Zeit hatte und dieser immer schiefer und steifer wurde. „Obwohl er noch töltete, machte das Ausreiten bald keinen Spaß mehr.“

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Dressurlektionen: Tölter ins Viereck

Eine Lieblingslektion von Gangpferdetrainer Vierhaus, mit der er auch Turnierpferde wettkampfstark macht, sind Töltverstärkungen auf der Diagonalen. Diese kombiniert er mit Schulterherein im Tölt an den kurzen Seiten. Das gibt ­Muskeln und macht jedem klar, wie gut das mit dem Tölt und der Dressur funktioniert.

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Die Trainer vom Gangpferdezentrum Vierhaus

Stephan Vierhaus liebt den Tölt, aber nicht um jeden Preis. Im Gangpferdezentrum ­arbeiten er und Tochter Wiebke die Tölter auch nach Prinzipien der französischen Klassik.

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Rädlein

Wiebke Vierhaus arbeitet im Betrieb ihres Vaters.

Adresse:
Gangpferdezentrum Vierhaus
Coesfelder Straße 69
46325 Borken
Tel: (02861) 64252
www.gangpferde-vierhaus.de

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