Herpes bei Pferden: Alle Fakten und Therapie

Herpes: Alle Fakten und Therapie
Herpes bei Pferden

Zuletzt aktualisiert am 07.06.2024
CAV Pferd im Stall
Foto: Rädlein

Fakten rund um Herpes bei Pferden

Der Erreger: Es gibt derzeit 9 klassifzierte Equine Herpesviren (EHV). Eingegangen wird auf die bedeutsamsten Vertreter beim Pferd. Das sind:

  • EHV1 = Equines Abortvirus;
  • EHV2 = Equines Zytomegalievirus; E
  • HV3 = Equines Koitalexanthemvirus;
  • EHV4 = Equines Rhinopneumonitisvirus;
  • EHV5 = Gammavirus, verwandt mit EHV2.

Erkrankungen: Equine Herpesviren lösen unterschiedliche Erkrankungen aus. EHV1 und EHV4 können Virusaborte, Atemwegsinfektionen sowie Spinale Ataxie (EHM) verursachen. "Der herpesbedingte Virusabort der Stuten tritt nach wie vor bei Pferden aller Rassen und weitgehend unabhängig von deren Impfstatus auf", sagt Professor Thein. Ursächlich ist vor allem EHV1 (signifikant häufiger nachgewiesen als EHV4), wobei unterschiedliche EHV1-Stämme eine Rolle spielen.

Weltweit liegt die Beteiligung bei etwa 2 bis 11% der untersuchten Aborte. Hierbei gebe es aber etwa 40% falsch negativer Ergebnisse aufgrund unzureichenden Untersuchungsmaterials (z.B. keine Endometriumbiopsie, Fötus muss nicht immer EHV1-positiv sein).

"Atemwegsinfektionen sind klinisch relativ unbedeutend, da meist schwach ausgeprägt", so Prof. Thein. Es handele sich in erster Linie um Erstinfektionen bei Absetzern und jungen Pferden (Tröpfcheninfektion der oberen Atemwege). Bakterielle Sekundärinfektionen können zu schwereren Verläufen auch mit Beteiligung der unteren Atemwege führen. Die Diagnose muss durch direkten Erregernachweis gesichert sein (einmalige serologische Untersuchung führt zu hoher Rate falsch-positiver Befunde infolge der dominierenden klinisch inapparenten Verläufe bei der Mehrzahl der untersuchten, seropositiven Pferde).

Spinale Ataxie, Equine Herpes Myelitis (EHM), Schlaganfall des Pferds: An dieser Verlaufsform sind unterschiedliche EHV1-Virusstämme beteiligt. Bei trächtigen Stuten immer wieder in Verbindung mit Virusabort beschrieben (auch hier überwiegend EHV1, aber auch EHV 4, allein oder mit EHV1). Ursächlich für die klinischen Symptome ist u.a. die Schädigung des Neuroparenchyms infolge nekrotisierender Vaskulitis (Gefäßentzündung) sowie Blutungen in die graue und weiße Substanz des Rückenmarks, aber auch weiterer Organe. Eine immunvermittelte Pathogenese erscheint möglich. Extrem hohe Antikörpertiter im Verlauf der Erkrankung.

Die Pathogenese (= Weg des Erregers von der Aufnahme bis zur Erkrankung) ist unterschiedlich. EHV1: Infektion beginnt an der Umschlagstelle der Haut in die Schleimhaut der Nüstern; dort erste Virusvermehrung mit Einwanderung in regionale Lymphknoten. Von hier aus wird das Virus in weißen Blutzellen (PBL, Monozyten) weiter an die Erfolgsorgane (z.B. Endothel der Gefäße) transportiert. "Die Infektion der Monozyten bedingt eine Immundysfunktion vor allem gegen andere Erreger", sagt Prof. Thein. Zwangläufig geht EHV1 in Latenz, vorzugsweise in Lymphgewebe und Neuroganglien, z.B des Trigeminusnervs. EHV4 wird über Nüsternschleimhaut aufgenommen; infiziert nicht oder sehr selten die weißen Blutzellen, sondern vor allem Lungenzellen. Von dort ebenfalls in Latenz, vorzugsweise in Neuroganglien, aber auch Lymphgewebe.

Viruslatenz bedeutet laienhaft ausgedrückt, dass die Viren "schlummern"; die Reaktivierung, Virusvermehrung und -ausscheidung erfolgen vor allem unter Stress, Medikation, usw. erklärt Prof. Thein und betont: "Dieser Vorgang ist durch keine Impfung zu verhindern."

EHV2 und EHV5 sind ebenfalls weltweit verbreitet; Mehrfachinfektionen sind nicht selten. Die genaue Pathogenese ist unklar; Nachweis von EHV2 aus Lymphozyten des Bluts spricht für deren Infektion mit möglicher Latenz in diesem System. Virus- und/ oder DNA-Nachweis in Lymphgeweben und Neuroganglien spricht für Viruslatenz mit Reaktivierung wie bei EHV1 und 4.

EHV3, Erreger des Equinen Koitalexanthems (ECE), auch Deckexanthem oder Mosaikausschlag der Stute genannt, wird in erster Linie vom infizierten Hengst beim Deckakt auf die Stute übertragen. Inapparente Verläufe mit möglichen immunen Virusausscheidern dürften gegeben sein; Infektionskette wird dann in erster Linie von latent infizierten Hengsten aufrechterhalten.

So beugen Sie Herpes bei Pferden vor

Eine sichere Prophylaxe gegen Herpesvirusinfektionen gibt es nicht. "Auf die Weiterverbreitung von EHV1/4 hat das Management der Pferdebestände mit Trennung der Jahrgänge, Quarantäne, Hygiene, usw. größten Einfluss", betont Prof. Thein. "EHV-Vakzine, gleich welcher Art, sollten nur als Ergänzung dieser Management-, Hygiene- und Kontrollmaßnahmen verstanden und eingesetzt werden."

Impfstoffe sind nur gegen EHV1 und EHV4 verfügbar. "Fohlen reagieren serologisch auf die Erstimpfung gegen EHV1 erst nach Kontakt mit homologem Feldvirus via Erstinfektion", erklärt Prof. Thein. Diese Erstinfektion findet in der Regel nach dem Absetzen (ca. 5. Lebensmonat) statt. Die komplett immunologische Abwehr von Viren mittels Antikörpern (IgGa und IgGb) – obschon im Kolostrum der Mutterstute enthalten – wird erst aktiv gegen Ende des 1. Lebensjahres gebildet. "Empfehlungen zur Erstimpfung im Bereich des 4. Lebensmonats sind daher falsch", betont Prof. Thein. "Dass Erstimpfungen gegen Ende des 1. Lebensjahres deutlich bessere Ergebnisse zeitigen, ist auch bei Influenza und Tetanus bewiesen."

Einer der zwei derzeit verfügbaren Impfstoffe (Equip EHV1/EHV4) ist als Maßnahme zur Verhütung eines Aborts zugelassen. Trächtige Stuten sind im 5., 7. und 9. Monat der Trächtigkeit zu impfen. Thein: "In der australischen Zulassung des Impfstoffs ist zusätzlich vermerkt, dass geimpfte Stuten dennoch abortieren können." Nach dem Abort müssen im Sinne der Haltungshygiene u.a. alle Nachgeburtsgewebe unschädlich beseitigt, Oberflächen wirksam desinfiziert werden. Stuten können noch bis zu eine Woche nach dem Abort Viren ausscheiden.

Herpes-Therapie

Die Behandlungsmöglichkeiten sind bei EHV1 und 4 begrenzt, da keine spezifische antivirale Therapie existiert. Im Vordergrund stehen zunächst Maßnahmen der Haltungs-, Zucht- und Geburtshygiene (siehe unter Vorbeugen).

Atemwegsinfektionen müssen in der Regel nur behandelt werden, wenn auf die Virusinfektion eine bakterielle Super- und/ oder Sekundärinfektion mit Verschlechterung des Gesundheitszustands folgt. Eine weitere Belastung der Atemwege z.B über Futterstaub gilt es zu vermeiden. Ist eine antibiotische Behandlung nötig, sollte versucht werden, die ursächlich beteiligten Bakterien zu isolieren, definieren und deren Antibiotikaempfindlichkeit zu testen. "Das dann gewählte Antibiotikum muss gerade bei Fohlen und jungen Pferden in der Höchstdosis/kg LM konsequent über die vorgeschriebene Zeitdauer verabreicht werden", sagt Prof. Thein. Der wiederholte Einsatz eines Paramunitätsinducers auf Parapockenbasis habe sich bewährt.

Paramunitätsinducer empfiehlt Thein auch im Fall einer EHM, für die es ebenfalls keine spezielle Therapie gibt. Der Erfolg von Virostatika aus der Humanmedizin liege ziemlich genau innerhalb der Selbstheilungsquote von 50%.

Betriebssperrungen, Einrichten von Sperrzonen, Ganzkörperschutzkleidung, usw. gingen am Problem vorbei. "Ob und wie, vor allem auch in welchen Quantitäten die betroffenen Tiere Viren ausscheiden, ist nicht bekannt." Spezifische Therapie bei diagnostisch gesicherter Herpeskeratitis: mehrmals täglich viruzide Augenpräparate; betroffenes Auge abdunkeln zur Vermeidung von Lichteinfall; Analgetika. Paramunitätsinducer können hilfreich sein.

Achtung: Kortison (lokal oder systemisch) kann Virusvermehrung begünstigen und klinisches Bild verschlechtern. Bei ECE ist die entscheidende Maßnahme das sofortige Einstellen des Deckbetriebs mit infizierten Hengsten und/oder Stuten und Sperre für diese Saison. Bei bakteriellen Sekundärinfektionen lokal desinfizierende und antibiotisch wirkende Substanzen.

Streitfrage Herpes-Impfung bei Pferden

Umstritten ist u.a. die Verwendung sowie die Wirksamkeit von Impfstoffen mit inaktivierten und vermehrungsfähigen Erregern. In der aktuellen Impfleitlinie der Ständigen Impfkommission (STIKO) heißt es, dass bei EHV1-Stutenabort die "Applikation von Lebendvakzinen deutliche Vorteile gegenüber Inaktivaten aufweist, obgleich der Impfschutz auch mit Lebendvakzinen nicht sehr lange anzuhalten scheint". In Europa ist derzeit nur ein EHV1-Lebendimpfstoff zugelassen (Impfstoffe: www.pei.de).

Professor Thein betont hingegen: "Der vermehrungsfähige Impfstoff besitzt für die Verhinderung eines Virusaborts weder eine Zulassung noch einen entsprechenden Hinweis in der Gebrauchsinformation." Letzteres sei allerdings bindend für den Einsatz. Notimpfungen seien wirkungslos.

Impfen gegen Herpes? So entscheiden die CAVALLO-Leser

Lassen Sie Ihr Pferd impfen, um auf Turnieren zu starten? Die Mehrheit der Teilnehmer einer CAVALLO Online-Umfrage lehnt die Herpes-Impfung aus Angst vor gesundheitlichen Folgen für ihr Pferd ab. Ihre Unsicherheit zeigt, dass zu den Impfrisiken aktuell ein hoher Aufklärungsbedarf besteht. 19 Prozent sagen "Ja, ich werde mein Pferd fürs Turnier impfen lassen", 81 Prozent sagen "Nein, dann fahre ich lieber nicht mehr aufs Turnier". Das sagen unsere Leserinnen:

Ich halte die Herpes-Impfung für Unsinn. Laut meinem Tierarzt schützt sie ohnehin nur vier Monate und müsste ständig wiederholt werden. Außerdem kenne ich verschiedene Pferde, die trotz der Impfung schwer an Herpes erkrankt sind. Dazu kommt, dass die Impfung ja ohnehin nur dann nützt, wenn die ganze Herde oder der gesamte Stall geimpft ist. Für große Turnierveranstaltungen mit Pferden aus allen Ländern mag die Impf-Vorschrift eventuell sinnvoll sein – aber muss dafür dann das ganze Jahr über ständig geimpft werden? Außerdem kenne ich leider auch einige Pferde, die nach einer Impfung gegen Herpesviren gesundheitliche Probleme hatten, unter anderem beispielsweise mit Headshaking. Dafür ist mir der Nutzen der Impfung nicht groß genug. Ich werde dann in Zukunft lieber darauf verzichten, mit meinem Pferd auf Turnieren zu starten. Sandra S. aus Essen

Ich habe jahrelang impfen lassen. Nach den letzten beiden Impfungen hatte mein Pferd kurze Zeit danach epileptische Anfälle. Wir impfen nicht mehr. Dani N. aus Oy-Mittelberg

Meiner steckt die Impfung komplett unproblematisch weg. Im alten Stall hatten wir vor Jahren eine Impfpflicht für Herpes und Influenza. Da habe ich nichts Negatives mitbekommen. Auch wenn wir keine Turniere gehen und die Impfung ihm vielleicht nicht das Leben retten kann, so möchte ich doch möglichst anderen Pferden dieses Schicksal ersparen. Uta Peters via Instagram

Ich habe den Verdacht, dass mein Headshaker-Pferd erst durchs Impfen dazu wurde. Mein anderes Pferd hatte nach der Impfung wochenlang Flecken ums Maul. Die Herpes-Impfung lasse ich definitiv nicht mehr an meine Tiere. Anina Iversen via Instagram

Nach der Grundimmunisierung und der dritten Impfung bekam mein Pony einen Rehe-Schub. Laut Tierarzt gab es keinen Zusammenhang. Als es jedoch bei der nächsten Impfung wieder auftrat, gab auch er zu, dass es wohl einen Zusammenhang gibt. Seither hat mein vorher gesundes Pferd Probleme mit dem Stoffwechsel. Es wird nicht mehr geimpft. Irina Quade aus Recklinghausen

Gerade bei den oft auftretenden Impfreaktionen empfinde ich das als deutliche Belastung für die Pferde – von den Kosten einmal abgesehen. Ich kann mir vorstellen, dass viele Reiter ihre Pferde nächstes Jahr aus diesem Grund nicht mehr fortschreiben lassen, was wiederum keine gute Entwicklung für unseren tollen Sport ist. Iris Charles via Instagram

Mein Wallach hatte eine Impfreaktion. Wir mussten in die Augenklinik und hatten sogar eine OP, die nachweislich von der Herpes-Impfung verursacht wurde. Das kann bei jeder neuen Impfung wieder ausgelöst werden, deshalb erspare ich ihm das. Kathrin Schneibel via Instagram

Uns ist ein Dreijähriger nachweislich an der zweiten Impfung gestorben. Ich finde es wichtig, dass der Tierarzt auch bei vermeintlichen Standardimpfungen immer mit seinem Notfallkoffer bereitstehen sollte. Carina Klinkan via Instagram

Meine werden alle regelmäßig geimpft. Wir sind häufig unterwegs, auf Kursen und Wettkämpfen ist das oft Vorschrift. Es kam bislang nie zu einer Nebenwirkung. Anna-Sophie Fuchs aus München

Ich impfe meine Pferde nicht dagegen. Dann muss ich auf Turniere verzichten. Claudia Reichelt aus Brückmühl