Ein Hengst mit Charakter
Schön gucken soll ich? Wenn’s nur das ist! Dann schaut mal her! Safi reißt die Augen auf und tänzelt mit hoch erhobenem Schweif. Seine Besitzerin Stefanie Seebauer lacht nur. Das kennt sie. Ihr orientalischer Wüstenprinz lässt keine Gelegenheit verstreichen, um seinen Tausend-und-eine-Nacht-Charme zur Schau zu stellen. Der blütenweiß schimmernde Hengst könnte eine Porzellanfigur sein, wenn er denn mal still stehen und sein Haar nicht so wehen lassen würde.
Nach dieser Präsentation männlicher Schönheit lässt sich der Herr dann doch würdevoll portraitieren. Keine große Sache für den Hengst und schnell erledigt. Zeit, um größere Taten zu vollbringen. "Also was bitte wollt ihr noch sehen?”, scheint er uns zu fragen. "Ich kann alles.” Ein Blender ist Safi mitnichten. Ob klassische Dressur, Zirzensik oder Working Equitation, er kann in allen Disziplinen auf hohem Niveau abliefern. Wie es dem Wüstenprinz gebührt, hat er eine Ausbildung vom Feinsten genossen. Der zwölfjährige "WM Safi ox” residiert auf dem Rosenhof von Anja Beran im wunderschönen Allgäu und hat dort auch seine Lehrjahre verbracht. Dafür stellte das Baden-Württemberger Landgestüt Marbach der klassischen Dressurkünstlerin 2016 den reingezogenen Vollblutaraber zur Verfügung. Drei Jahre war der Hengst damals jung.

Gesucht und gefunden: Safi und Stefanie sind ein eingespieltes Team und haben eine tiefe Verbindung.
Seine heutige Besitzerin Steffi Seebauer sah Safi dort zum ersten mal. Sie nahm seit einigen Jahren Unterricht bei Anja Beran und hatte zu dem Zeitpunkt dort ihren Lusitano Bue eingestellt. "Als ich an Safis Box vorbeilief, dachte ich: Wow, was für ein tolles Pferd.” Sein Ausdruck erinnerte sie an ihre verstorbene Ponystute. Ohne zu ahnen, dass sie je eine engere Verbindung zu dem Pferd haben würde, gab sie Anja Beran den alten Zaum ihrer ehemaligen Stute, damit Safi diesen tragen konnte.
Ein echtes Wir-Gefühl: Von der Dressur, zur Zirzensik bis hin zur Working Equitation
Vier Jahre lang lief Steffi nur an seiner Box vorbei und hatte Herzchen in den Augen. Kurz vor der Corona-Pandemie fragte Anja Beran sie, ob sie Safi reiten möchte. "Was war ich da stolz!”, erinnert sich Steffi Seebauer zurück. Ihr Glück: Sie ist klein genug, um den zierlichen Araber auf Veranstaltungen vorzustellen. Nur unter der Anleitung der Ausbilderin durfte also Steffi nun Safi reiten und mit ihm lernen. Und auch in den Shows war sie ständig unter Beobachtung – Anja Beran erklärt dabei ihren Ausbildungsweg am Beispiel der Pferd-Reiter-Paare, die zu ihrem Schülerkreis gehören.
Der wunderschöne Safi erwiderte die Liebe seiner Verehrerin jedoch nicht. "Er fand mich nicht so toll”, gibt sie zu. "Ich musste regelrecht um seine Gunst betteln. Immer wenn ich in seine Box kam, drehte er mir den Hintern zu.” Safi, der bis dato nur von der Chefin höchstpersönlich geritten wurde, ließ seine neue Reiterin in allen Situationen deutlich spüren, dass sie sich unter seinem Niveau bewegte. "Und trotzdem war er ein Gentleman”, erzählt Steffi, die sich nie von ihm im Stich gelassen gefühlt hat. "Er war immer vorbildlich und hat brav seine Aufgaben erfüllt. Ich hatte auf ihm ein super Reitgefühl. Aber es war nie so ein Wir-Gefühl mit ihm, er blieb auf Distanz.” Man sagt den arabischen Pferden nun mal nach, dass sie sich auf eine Bezugsperson fixieren. Steffis Zeit war wohl einfach noch nicht gekommen.

Das Vertrauen des selbstbewussten Arabers musste Stefanie Seebauer erst gewinnen.
Als die Corona-Pandemie den Alltag durcheinanderwirbelte, änderte sich auch Safis Leben. Zumindest ein wichtiger Teil davon. Die Shows waren gestrichen. Und der Star musste sich mit heimischem Publikum begnügen. Steffi verbrachte viel Zeit mit Safi und experimentierte, wofür sie ihn außer der Dressur und den Kunststücken noch begeistern könnte. Mit ihrem Lusitano Bue war sie bereits in der Working Equitation unterwegs, und so probierte sie den Parcours eines Tages auch mit Safi aus. Der fand das neue Thema ganz gut. Die ungewohnten Hindernisse beeindruckten ihn nicht im Geringsten. "Safi ist ein sehr mutiges Pferd. Er war noch nie schreckhaft”, weiß Steffi. Es dauerte nicht lange, bis beide ihr erstes Online-Turnier in der Working Equitation bestritten.
Ganz allmählich begann Safi seine Reiterin ernst zu nehmen. Steffi Seebauer lernte, sich so zu verhalten, dass der Hengst zufrieden war. Mal schnell drüberputzen zum Beispiel war unvorstellbar. Bei solchen Versuchen fällt sie heute noch in Ungnade. Dann runzelt Safi die Nüstern und ist "not amused”. Ausgiebiges Bürsten, Massagen und Wellness unterm Solarium dagegen, das ist genehm.

Achtsamkeit: Steffi nimmt sich beim Fertigmachen von Safi vor dem Training im Working Equitation Trail viel Zeit. Hektik kann der Hengst gar nicht leiden.
Working Equitation brachte Steffanie Seebauer mit Safi zusammen
Auch unterm Sattel kamen beide sich näher. "Ich glaube, die Working Equitation hat uns zusammengebracht”, vermutet Steffi Seebauer. "Dass ich ihm Neues gezeigt und mit ihm gemeinsam diese Aufgaben gelöst habe, hat mich für ihn interessant gemacht. Wahrscheinlich empfand er mich dann erst für angemessen”, sagt sie lachend. Nach einem halben Jahr sah Steffi, wenn sie Safis Box betrat, zum ersten Mal nicht mehr nur seinen Allerwertesten. Von da an ließ der feine Herr sich herab, sich zu ihr umzudrehen und erlaubte sich sogar ein herzliches Begrüßungsblubbern.
Es war jedoch lange nicht sicher, ob die beiden ein Team bleiben können. Safis Reiterin war für jeden Tag dankbar, an dem das Landgestüt sich nicht rührte, um den gekörten Deckhengst zurückzuholen. Doch Gestütsleiterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck hielt nicht nur die Füße still und freute sich, wie vorbildlich der Araber auf Veranstaltungen präsentiert wurde. Sie kam Steffi Seebauer auch noch sehr entgegen: 2022 durfte die Reiterin ihr Traumpferd kaufen. "Ich bin immer noch sehr dankbar, dass mir das Landgestüt Safi übergeben hat”, betont Safis Besitzerin.
Ungeplante Showeinlagen auf dem Working Equitation Turnier?
Ohne Safi wäre Steffi Seebauer wohl nie auf den Araber gekommen. "Die Rasse hatte ich als Reitpferd nie wahrgenommen”, gesteht sie. "Erst durch Safi habe ich begonnen, mich mit diesen Pferden zu beschäftigen und ihre Eigenheiten kennen und schätzen gelernt.” Es sind vor allem die "arabischen Momente”, die Steffi faszinieren. Safi lässt ungerne eine Gelegenheit aus, sich in Szene zu setzen. Das kann auch dann passieren, wenn die Situation dafür eher ungünstig ist. Etwa auf dem Turnier. In solchen Fällen überhört Safi seine Reiterin dezent, um allen anderen Anwesenden zu zeigen, wie er sich selbst am besten gefällt. Steffi Seebauer lässt ihren kleinen Macho gerne gewähren. "Ich fühle in solchen Momenten, dass er das braucht und wie er dabei strahlt. Auch wenn mich das mal die Platzierung bei der Working Equitation kosten sollte, will ich ihm den Freiraum für seine persönlichen Showeinlagen nicht nehmen. Ich denke, wer sich für ein Araberpferd entscheidet, muss wissen, dass so etwas dazugehört.”
Für diese besonderen Momente liebt die Reiterin ihr Pferd. In dem Schimmel steckt eben ein kleiner Freigeist. Abgesehen davon ist auf den Araber immer Verlass. Seine Besitzerin kann ihn einfach in den Hänger packen, zum Springunterricht fahren oder zum Baden an den See – und sogar zum diesjährigen Auftritt auf der weltgrößten Pferdemesse, der Equitana. Sie sagt: "Wenn du einen Araber für dich gewinnen kannst, dann tut er alles für dich. Und er macht es gerne. Weil er sich dazu entschieden hat.”