Dr. Maximilian Pick zu Hindernisrennen in Aintree

Dr. Maximilian Pick im Interview zu Aintree
„Jagdrennen dieser Art sind Tierquälerei“

Zuletzt aktualisiert am 18.04.2023
Pferde stürzen beim Hindernisrennen von Aintree
Foto: Michael Steele / Staff / GettyImages
CAVALLO: Beim diesjährigen Grand National Meeting in Aintree starben drei Pferde in Folge von Stürzen. Wie beurteilen Sie dieses Rennen hinsichtlich des Tierschutzes?

Dr. Maximilian Pick: Das Rennen ist eine ganz fürchterliche Angelegenheit, ich weiß nicht wie die Engländer, die sonst so für Tierschutz sind, auf eine so tierquälerische Idee kommen. Jedes Jahr sterben dabei Pferde, brechen sich die Beine. Schon 1998 habe ich deswegen einen Brief an die Queen geschrieben. Ich bat sie damals, das Grand National zu entschärfen und schlug verschiedene Maßnahmen vor. Inzwischen bin ich der Meinung, dass man solche Rennen ganz abschaffen sollte. Die Queen hat mir damals antworten lassen, worauf ich sehr stolz war. In dem Brief hieß es, die Queen habe meine Sichtweise sorgfältig und mit Interesse zur Kenntnis genommen. Eine Kopie meines Briefs hatte ich an mehrere englische Zeitungen zur Veröffentlichung geschickt, doch die hatten kein Interesse. Die Engländer standen da voll hinter ihrer Königin, was ich in dieser Sache nicht verstehen kann.

Warum ist das Grand National Meeting besonders gefährlich?

Obwohl das Rennen bereits entschärft wurde, sind es zu viele Pferde, die Strecke ist zu lang, die Pferde sind völlig erschöpft. Die Hindernisse sind mit etwa 1,50 Metern sehr hoch und die Pferde gehen im Renngalopp dagegen. Der Jockey hat keine Möglichkeit, wie sie ein guter Reiter in einem normalen Springparcours hat, das Pferd passend zum Hindernis zu reiten. Die Pferde springen also oft ins Hindernis hinein oder zu spät ab. Gestürzte Reiter liegen dann am Boden und die Pferde galoppieren über sie hinweg. Es ist in jeder Hinsicht eine Quälerei für Mensch und Tier und unverständlich, dass das überhaupt noch existiert.

Würden Modifizierungen am Rennen nichts bringen?

Ich habe Vorschläge zur Entschärfung des Jagdrennens beim Grand National Meeting gemacht. Daraufhin wurde etwa ein ganz hoher Sprung abgeschafft. Für reiterlos gewordenen Pferde gibt es jetzt Auswege aus dem Geläuf. Sie müssen wissen, diese Pferde laufen sonst kopflos herum und manchmal in den Pulk der anderen Pferde hinein. Doch trotz dieser Anpassungen bleibe ich dabei: Jagdrennen dieser Art sind Tierquälerei und gehören verboten.

Sehen Sie Unterschiede zwischen Flachrennen und Hindernisrennen? Gehören auch Galopprennen ohne Hindernisse aus Ihrer Sicht abgeschafft?

Flachrennen dienen unter anderem der Zuchtauslese: Nur die guten, schnellen und harten Pferde kommen in die Zucht. Es gibt verschiedene Einstufungen der Pferde und Zuchtrennen. Das hat seinen Sinn, auch wenn in meinen Augen sehr fraglich ist, ob es gerechtfertigt ist Leiden bei den Pferden zu riskieren, um einen Zuchtfortschritt zu erzielen. Jagdrennen wie beim Grand National Meeting haben jedoch keinerlei züchterische Legitimation. Ob ein Pferd das Grand National gewinnt, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Der Gesundheit, dem Geschick und Glück beim Springen, dem Reiter, davon, ob es nicht von anderen Pferden behindert wird – viele Faktoren davon kann ein Pferd nicht vererben. Der Zuchtwert von Jagdrennen ist also gleich null, es geht nur um das Spektakel für die Zuschauer und die Wetter. Es gibt also auch keinen vernünftigen Grund im Sinne des Deutschen Tierschutzgesetzes für die Rennen.

Tierschützer der Organisation "Animal Rising" haben vor Beginn des Rennens die Rennbahn gestürmt und sich teilweise an einem Hindernis fixiert, um den Start zu verhindern. Was sagen Sie zu diesem Protest?

Ich finde das Spitze. Am liebsten würde ich selber hinfahren und mich irgendwo an einem Hindernis festkleben. Man muss so etwas tun. Nur an die Verantwortlichen Briefe zu schreiben nützt nichts. Jagdrennen gehören generell verboten – übrigens auch in Deutschland, wo zwar nicht so viele Pferde im Pulk starten wie beim Grand National, die aber genauso fürchterlich sind.