Freiheitsdressur: Sechs professionelle Pferde-Trainer im Test
Ausbilder für Freiheitsdressur im Test

Einfach flüstern war gestern. Heute lehren Pferde-Profis die Freiheits-Dressur mit System. CAVALLO hat sechs Trainer auf die Probe gestellt. Plus Trainings-Tipps!

CAV 0108 Gurutest - Gorgi mit Pferd
Foto: Rädlein

Sie haben das gewisse Etwas: Menschen, die scheinbar durch ihr Charisma Pferde so anziehen, dass die alles für sie tun würden. PR-Strategen machten aus solchen Typen Pferdeflüsterer. Der normale Reiter bestaunt ihre Show und sehnt sich danach, einen ebenso feinen Draht zu seinem Pferd zu knüpfen.

Doch statt Flüsterei, Mystik oder ominöser Schwingungen steckt zumindest bei seriösen Ausbildern ein handfestes, durchdachtes Konzept hinter der Kommunikation mit dem Pferd. Viele bieten Kurse an, in denen Pferd und Reiter die Kunst des Miteinanders lernen.

Als Fernziel peilen alle die Freiheitsdressur oder das Reiten ohne Sattel und Zaum an – die größte Herausforderung in der Arbeit mit Pferden, weil der unsichtbare Draht zum Pferd ein Höchstmaß an klarer Kommunikation fordert. Das Pferd soll dabei freiwillig „online“ bleiben, wie etwa Trainer Hans-Jürgen Neuhauser plakativ beschreibt.

Er ist einer von sechs Profis verschiedener Schulen, die CAVALLO zu einem Experiment lud: Alle sollten an einem fremden Pferd demonstrieren, wie sie Kontakt knüpfen, dessen Signale lesen und es binnen einer Stunde ohne Strick oder Zügel lenken.

Während der eine auf perfekte Körpersprache setzt, schwört der andere auf klassische Peitschensignale. Nicht jede Methode passt perfekt zu jedem Pferd und Besitzer. Für welche Methode man sich auch entscheidet, eins gilt für alle: Freiheitsdressur und Kommunikation mit Pferden verlangt konzentrierte Arbeit und regelmäßiges Üben. Wer beginnen möchte, sollte dem Profi seiner Wahl bei der Arbeit zuschauen, ehe er ihm sein Pferd anvertraut.

Das CAVALLO-Testpferd, Araber-Appaloosa-Stute Maya (10), war nur bedingt bestechlich: Mal schaltete sie sofort auf Empfang, mal schob sie Dienst nach Vorschrift. Wie würde Ihr Pferd wohl reagieren? Was passt ihm, was nicht? Probieren Sie es anhand der sechs Konzepte aus. Mit welchem System Sie den unsichtbarsten Draht spannen können, entscheidet nämlich immer noch Ihr Pferd.

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Pferde-Typen: Diese Charakter-Typen unterscheiden die Trainer

Die Trainer im „Feiner Draht“-Experiment unterscheiden bei Pferden zwei Lern- und vier Charaktertypen. Jeder braucht seine eigene Methode, um Kontakt zum Menschen zu knüpfen und sich auf die Freiheitsdressur einzulassen. Dabei gibt es Mischtypen. Auch die Tagesform entscheidet, für welche Arbeitsweise ein Pferd gerade empfänglich ist. Welche Methode zu welchem Typ passt, lesen Sie am Ende der einzelnen Trainings-Einheiten.

Lerntyp „Schnellmerker“

Er lernt sehr schnell, hat dann aber oft keine Lust, das Gelernte auf Kommando zu zeigen.

Charakter 1: Der Draufgänger

Extrovertiert, aufdringlich bis dominant, sägt ständig am Stuhlbein des Menschen und stellt die Rangfolge in Frage. Braucht klare Fronten und die Arbeit in Vorwärtsbewegung – bisweilen auch mit stärkerem Druck. Muss Distanz und Respekt lernen.

Charakter 2: Der Hibbel

Hüpft ständig umher, hört bei Überforderung auf zu denken und bewegt nur noch die Beine. Lernt sehr schnell, durchschaut aber schnell das gesamte Konzept, weshalb er Übungen vorwegnimmt und vieles von sich aus anbietet, um zu gefallen. Braucht ein festes System mit vielen Wiederholungen und wenig Druck, das ihm einen sicheren Rahmen und Ruhe gibt.

Lerntyp „Wiederholungstäter“

Tut sich beim Lernen schwer. Sitzt das Gelernte aber, zeigt er es immer wieder gerne.

Charakter 3: Der Ruhepol

Ruht in sich, ist gelassen, aber nicht stur, akzeptiert den Menschen. Interessiert, aber nicht überdreht, folgt willig, ist offen für alle Neue, braucht manchmal länger, um etwas zu verstehen. Er orientiert sich stets an der Methode des jeweiligen Menschen, angenehmer Lern- und Charaktertyp.

Charakter 4: Die stille Maus

Introvertiert, scheint sich für nichts zu interessieren. Lässt sich nicht gern anfassen, wirkt stur, ist aber ängstlich. Kann nur über Neugier erreicht werden, braucht spannende, aber keine überfordernde Arbeit, muss manchmal zum Glück gezwungen werden. Der Mensch muss sich immer wieder zurückziehen, um Vertrauen zu gewinnen. Braucht viel Bestätigung und Lob.

Honza Blaha: Genie mit eigener Methode

Honza Blaha (30) lebt im tschechischen Cesky Krumlow. Er besitzt acht Pferde, darunter Showpferd Gaston, mit dem er sich Jagden liefert und anschließend ohne Sattel und Zügel Piaffen reitet. Bei Pat Parelli lernte er PNH (Parelli Natural Horsemanship), heute arbeitet er nach eigener Methode und startet nebenbei in Springprüfungen bis Klasse M.

Konzept

Für jedes Pferd anders. Soll es Freiheitsdressur lernen, konzentriert Blaha sich auf Hinterhandkontrolle per Peitsche, Strick, Blick. Wert legt er auf starke Bindung: Das Pferd soll sich wohlfühlen und dem Menschen vertrauen. Er vermeidet Überforderung und spielt nicht auf Risiko.

Kontakt

CAV 0108 Gurutest - Honza Blaha
Rädlein
Honza Blaha

Testpferd Maya trägt Knotenhalfter samt Strick und steht still neben Blaha. Der streicht den Körper mit Händen ab. Maya zuckt kaum merklich mit Maul und Ohr. „Prinzessin auf der Erbse“, schmunzelt Blaha und streichelt sie nach dem Abstreichen nicht mehr. „Ich respektiere, dass die kleine Prinzessin das nicht mag.“ Ein Pferd müsse sich überall anfassen lassen. „Aber wenn sie das akzeptiert, respektiere ich wiederum sie.“ Mit Maya am Ein-Meter-Seil geht Blaha rück-wärts. „Ich lade sie ein, sich mir anzuschließen.“ Sie folgt brav und weicht, wenn Blaha auf sie zugeht. „Sie weiß, was der Mensch von ihr will“, lobt er. „Nun weiß ich, auf welchem Level sie ist und kann entscheiden, was ich mit ihr anfange.“ Ziel dieser Trainingseinheit sind Freiheitsübungen. Also wendet sich Blaha Mayas Hinterhand zu.

Kommunikation

CAV 0108 Gurutest - Blaha mit Pferd
Rädlein
Blaha schickt Maya rückwärts. Ihre Ohren sind entspannt, der Hals ist rund.

„Das Geheimnis der Freiheitsdressur liegt in der Hinterhand“, sagt Blaha. „Kann ich diese von mir weg bewegen, dreht sich der Kopf zu mir, und das Pferd interessiert sich für mich – am Seil oder freilaufend.“ Er lässt Mayas Hinterteil weichen. Nimmt sie den Kopf hoch, reduziert er das Signal. „Kopf hoch bedeutet Überforderung. Ich gehe einen Schritt zurück, damit sie entspannen kann.“ Seine Devise: Jede Übung muss das Pferd mit entspannter Halsmuskulatur ausführen. „Wichtig ist, dass sich die Nase vorwärts-abwärts streckt und das Pferd rund bleibt.“ Den Kopf per Druck aufs Genick senken will er aber nicht: Er sieht den tiefen Kopf als Ergebnis korrekter Arbeit.

Maya döst neben Blaha, Ohren auf Halbmast. „Viele denken, wenn die Ohren zurück sind, interessiert sich Pferd nicht für mich.“ Doch gespitzte Ohren, so Blaha, bedeuten Anspannung: „Es muss aufpassen, was passiert.“ Kippt es die Ohren zur Seite und kaut, fühlt es sich komfortabel. „Dann kommt die Belohnungspause.“ Danach bildet Blaha eine Blase: Sein Stick berührt das Pferd nicht mehr direkt, sondern hält 1 Meter Abstand. „Als läge eine große Seifenblase dazwischen.“ Sie trennt die Individualbereiche und lässt genug Nähe, damit Maya ohne Zögern auf Blahas Zeichen reagiert. An der Blase bewegt der Trainer mal die Hinterhand, mal fordert er Schulterherein. Die rechte Hand hält die Peitsche (Stick), die linke den Strick in Kopfnähe. „Hilfestellung“, erklärt Blaha, warum er Maya nicht gleich frei lässt, wenn sie so gut reagiert. „Wer Eislaufen lernt, balanciert auch besser, wenn man ihn an die Hand nimmt.“

Nach viermal Hinterhandweichen muss Blaha nicht mal mehr die Blase berühren, sondern nur das Seilende in seiner rechten Hand drehen. Maya weicht mit gesenktem Kopf und kaut. „Jetzt sind wir auf demselben Level“, freut sich Blaha. Maya lässt sich am langen Seil dirigieren und weicht nur auf Blahas Blick mit der Hinterhand. Tut sie es nicht, klatscht das Seilende gegen die Kruppe. Maya ist irritiert, die Stimmung kippt. Blaha beharrt auf Weichen und nimmt die Stute wieder für sich ein. Auch später bei der Arbeit auf der Wiese, wo neben dem Trainer das Gras lockt, wählt sie Blaha. Der lässt das Seil immer länger, doch Maya bleibt in Verbindung, achtet auf kleinste Zeichen. „Je größer die Distanz, umso mehr Qualität benötigt die Beziehung zwischen Mensch und Pferd“, sagt Blaha. Er kann Maya jetzt freilassen, sie folgt ihm.

Fazit

CAV 0108 Gurutest - Blaha u.Maya
Rädlein
Maya folgt ihm schon frei.

Die anfangs gelangweilte Stute wurde immer eifriger und bekam von Blaha nicht genug. „Sie ist eine gute Lehrerin. Gibt man ihr keine passenden Signale, wird sie träge.“ Da helfe flotte Hinterhandkontrolle, die aber fürs Reiten keinen Nutzen habe: „Ein Pferd, das auf kleinste Berührung mit der Hinterhand ausweicht, ist von einem normalen Reiter schwer zu reiten“, räumt er ein. Dass er den Spagat mit seinen eigenen Pferden schafft, sieht er als persönliche Herausforderung.

Für wen geeignet?

Pferde-Typen 1, 2, 4.
In Blahas Finger wird das Pferd zu Wachs. Er lockt Träge aus der Reserve, behält bei Hibbeln mit leichter Führung die Oberhand und überzeugt sie von sich. So unsichtbar sein Draht zu Pferden ist, so unscheinbar ist sein Konzept. Er arbeitet intuitiv richtig und geht in Kursen zwar auf jeden ein, ist aber kein Trainer für Jedermann. Wer eine haarkleine Anleitung, Standards oder ein festes System braucht, ist bei ihm falsch: Honza Blaha ist ein Charismatiker, der zeigt, was mit Pferden möglich ist.

Honza Blaha, Borov 44, 38101 Cesky Krumlov, Tel. (00420) 602 410390, Tschechische Republik, www.honzablaha.cz

Peter Pfister: Das AVSK-Prinzip

Peter Pfister (53) aus dem hessischen Eschenburg arbeitet seit 40 Jahren mit Pferden aller Rassen und Disziplinen. Aus Amerika brachte er das Ranchreiten nach Deutschland;
auf Schauen zeigt er Freiheits-dressuren und Zirkuslektionen.
Dabei gibt es kaum etwas, was er Pferden nicht beibringt.

Konzept

CAV 0108 Gurutest - Peter Pfister
Rädlein
Peter Pfister

AVSK steht für Peter Pfisters vier Säulen zur Pferdeausbildung. A: Autorität des Menschen gegenüber dem Pferd. V: Vertrauen, das sich der Mensch durch Kompetenz verdienen muss. Nur wer kompetent ist, wird als Führer akzeptiert. S: System – wissen, wie ein Pferd lernt und das Training entsprechend aufbauen. K: Konzept. „Mit Pferden arbeiten ist Denksport. Ich muss mir ein Ziel setzen und überlegen, wie ich hinkomme. Habe ich eine gute Idee, kann ich alles selbst erarbeiten.“ Pfisters Leitsatz: „Prüfe alles, das Beste behalte.“

Kontakt

Maya läuft von Anfang an frei. Sie stellt sie sich sofort neben Pfister und gähnt. Der streichelt freundlich: „Jetzt muss ich erst Hallo sagen.“

Kommunikation

CAV 0108 Gurutest - Pfister m.Pferd
Rädlein

„Bei Pferden, die den Menschen schon kennen, brauche ich keine Dominanzspielchen im Roundpen. Die Rangfolge kläre ich lieber beim Führen am Boden.“ Dabei gilt: Wer weicht, ordnet sich dem anderen unter. Wer bewegt, führt. Wer leitet, entscheidet. Das Fluchttier Pferd braucht zum Überleben eine kompetente Führung. „Je mehr Führungskompetenz ich habe, umso mehr vertraut es mir.“ Pfister handelt nach dem Prinzip der Leitstute: „Der andere muss sich von mir bewegen lassen.“

Pfister schreitet aus, Maya tappt am 4-Meter-Seil hinterher. Um sie zu wecken, stoppt er, tritt einen Schritt zurück, hebt die Arme. „So machen Pferde auf sich aufmerksam.“ Maya schreckt auf, Pfister lässt sie stehen und streichelt ihre Stirn. „Komfortzeit“, nennt er die Pause mit positiver Verstärkung, in der Druck nachlässt, das Pferd als Lob Sozialkontakt erhält und über das Geschehene nachdenkt. „Das bildet Reflexbahnen im Gehirn, später brauche ich nur einen kleinen Reiz zu setzen, und das Pferd reagiert sofort.“

Nach 10 Minuten geht Maya neben Pfister, dessen Seil lose überm Arm hängt, überall hin. „Das Fundament ist gelegt: Sie weicht mir und ist sensibel auf meine Signale.“ Mit Druck am Körper oder Handzeichen kann er sie in jede Richtung dirigieren. Immer wieder lobt er: „Klasse Baby.“ Auch Mayas Vertrauen wächst. In den Pausen steht sie neben Pfister, die Nüstern am Boden, den Kopf unter seinem Arm. „Wie ein schlafendes Fohlen, über das die Stute schützend den Hals legt. Sie liefert sich mir aus.“ Immer feinere Signale gibt er, bis die Stute nach 30 Minuten im Travers auf ihn zukommt, wenn er den Gertengriff hebt. Sie trabt frei neben ihm.

„Dazu bedarf es keiner Magie“, so Pfister. „Ein konsequentes System genügt.“ Und das Können, Handbewegungen mit der Zeit auf kaum sichtbare Fingerzeige zu drosseln. „Je leichter und spektakulärer etwas aussieht, umso mehr Arbeit kostete es vorher.“

Fazit

CAV 0108 Gurutest- Pfister
Rädlein
Wer weicht, ordnet sich unter: Peter Pfister schickt Mayas Hinterhand herum, sie weicht zur Seite.

Pfister ist von Maya begeistert, weil sie schnell begreift und wenig Druck braucht. Maya kaut und schnaubt ohne Unterlass und weicht ihm nicht von der Seite. „Mit meiner Arbeit wecke ich Pferde auf, mache sie schön, wenn sie durch Exerzieren abgestumpft sind.“ Weil er selbst sich immer wieder neue Ziele setzt, bleibt die Arbeit immer spannend. „Alles ist möglich, wenn man nur clever genug ist.“

Für wen geeignet?

CAV 0108 Gurutest - Pfister m.Maya
Rädlein
Danach lädt der Trainer die Stute freundlich ein, zu ihm zu kommen. Maya ist nicht abgeneigt und schließt sich Pfister an.

Pferdetypen 1, 2, 3 und 4.
Pfisters System versteht jeder. Seiner Ansicht nach hängt der Erfolg der Freiheitsdressur zu 90 Prozent von Arbeit, nur zu 10 Prozent vom Talent ab. Deswegen gibt er Schülern ein Konzept, nach dem sie sicher arbeiten können. Er ist der richtige Lehrer für alle, die vor der mystischen Aura vieler Trainer resignieren. AVSK taugt für jedes Pferd. Je nachdem, ob Vertrauen, Autorität oder ein Konzept fehlen, arbeitet der Besitzer an einem der Punkte.

Peter Pfister, Hermann-Löns-Straße 11, 35713 Eschenburg,
Tel. (02774) 6118, www.peterpfister.de

Dr. Christine Konrad: Klassische Zirkusdressur

Dr. Christine Konrad (47) aus dem hessischen Rechtenbach ist Tierärztin, Osteopathin und lernte bei der bekannten Zirkustrainerin Irmgard Wieczorek klassische Freiheitsdressur. Die zeigt sie mit ihren beiden Ponys und gewann dafür 2007 den Show-Cup auf der Equitana.

Konzept

Als Klassikerin unter den Freiheitsdresseuren arbeitet Dr. Konrad mit Handarbeit nach französischer Peitschenführung – Longe, Peitsche, präzise Stimmbefehle. So bringt sie dem Pferd Signale und Kommandos bei, die sie später auch zur Freiheitsdressur benutzt. Das Pferd muss sie dabei direkt anschauen. „Den Blickkontakt brauche ich, um in der Manege mit den Tieren kommunizieren zu können.“

Kontakt

Dr. Konrad streicht Maya mit der Gerte ab. Die Stute akzeptiert das, weshalb Dr. Konrad sie nun mit einer längeren Peitsche an die Longe nimmt. Dort schaut sie, wie das Pferd auf ihre Peitschensignale reagiert. Wedelt sie hinter ihr auf dem Boden, soll die Stute schneller gehen, vor ihr Wedeln heißt langsamer. Beim ersten Wedeln macht Maya einen Satz nach vorne. „Ein sensibles Pferd“, urteilt Konrad, „ich muss in meinen Signalen feiner werden.“

Kommunikation

CAV 0108 Gurutest - Dr.Konrad
Rädlein
Bei der französischen Peitschenführung bleibt die Peitsche stets rechts.

Beim Longieren auf einem kleinen Zirkel lässt Dr. Konrad das Pferd mit Stimm- und Peitschenhilfen Gangarten und Tempo wechseln. Bald ist Maya so auf sie sensibilisiert, dass sie pariert, wenn die Tierärztin die Peitsche nur in Richtung ihrer Nase hebt. Aus dem Halten entwickelt Dr. Konrad den Appell, mit dem sie Pferde später auch freilaufend zu sich beordern kann: Sie zupft an der Longe, um Maya zu sich in die Mitte zu holen. Während dessen schlägt sie kurz die Augen nieder und geht zurück, um Maya das Herkommen zu erleichtern. Danach blickt sie die Stute direkt an und gibt ihr ein Leckerli. Maya schnaubt und leckt das Maul. „Ich gehöre zur Leckerli-Fraktion“, gibt Dr. Konrad zu. „Allerdings darf das Pferd nie von sich aus danach schnappen.“ Was wie einfaches Im-Kreis-Laufen aussieht, ist konzentrierte Arbeit. Immer wieder korrigiert Dr. Konrad die Stute, führt sie per Peitschenzeig ins Schulterherein, wenn sie nach innen fällt. „Die Arbeit muss einen körperlichen Gewinn bringen“, sagt sie. „Freiheitsdressur besteht nicht daraus, dem Pferd nur Tricks beizubringen.“ Die Trainerin hält es wie ihre Ausbilderin Irmgard Wieczorek: 20 Minuten arbeitet sie in jeder Einheit mit dem Pferd an der Longe, fünf Minuten darf es mit Pylonen oder auf dem Podest spielen.

Maya zeigt nach 30 Minuten einen ordentlichen Appell an der Longe, wenn Dr. Konrad sie ruft: „Nun höre ich auf, damit sich das Gelernte setzen kann.“

Fazit

CAV 0108 Gurutest -Dr.Konrad mit Peitsche
Rädlein
Das Schwingen nimmt dem Pferd die Angst vor der Peitsche, sie dirigiert das Pferd später in jede Richtung.

Gut ein Jahr dauert es bei drei bis fünf Mal Üben pro Woche, bis die Kommandos an der Longe so weit sitzen, dass ein Pferd auch im freien Lauf sicher darauf hört. Mittels weniger Peitschensignale – Schlag in die Luft hinter das Pferd treibt vorwärts, Schlag in die Luft vor das Pferd stoppt – lässt es sich dann frei dirigieren, während der Besitzer wie ein Verkehrspolizist in der Mitte nur noch Zeichen gibt. Diese Handarbeit hilft auch beim Reiten. Dr. Konrads Wallach, den sie, wie sie zugibt, durch Unkenntnis lahm geritten hatte, war nach einem Jahr Longe so fit, dass er seine Reiterin wieder tragen konnte. Außerdem ist klassische Handarbeit ein Training für die feine Hand: „Weil ich mit der Peitsche ganz präzise Signale geben muss, brauche ich ein sehr lockeres Handgelenk“, sagt Dr. Konrad.

Testpferd Maya arbeitet nicht zuletzt wegen der Leckerlis motiviert mit, bekommt aber auch immer wieder Grenzen gesetzt. Dr. Konrad korrigiert stets, wenn das Pferd nicht folgen will. Das nervt die bisweilen zickige Stute, die sich in ihrer Dominanz nicht untergraben lassen möchte und nach einiger Zeit pikiert mit dem Schweif schlägt. Maya tut, was sie soll; so begeistert und neugierig wie bei anderen Methoden scheint sie nicht.

Für wen geeignet?

CAV 0108 Gurutest - Dr.Konrad mit Maya
Rädlein
Bis hierher und nicht weiter: Der wedelnde Gertengriff vor den Nüstern stoppt aufdringliche Pferde. Maya gehorcht ungern.

Pferdetpyen 1 und 2.
Dr. Christine Konrads Methode ist altbewährt und logisch aufgebaut. Sie beruht nicht auf Geheimnissen, Charisma oder übertriebenem Psychologisieren. Jeder kann ihre Sprache lernen, wenn er sich an die Regeln hält und Konsequenz nicht scheut. Freiheitsdressur nach klassischer Methode bereitet das Pferd gut auf Dressurreiten vor und eignet sich für alle, die ihr Pferd sowohl im Freilaufen als auch unter dem Sattel sicher beherrschen möchten. Intelligente Pferde wie Maya könnten sich bei dieser Trainingsweise schnell langweilen, weil sie mit vielen Wiederholungen arbeitet. Unsichere oder ängstliche Pferde bekommen durch Wiederholen und festen Rahmen im Training mehr Selbstsicherheit und Vertrauen.

Dr. Christine Konrad, Tierarztpraxis Telle, Kantstraße 1, 35625 Hüttenberg-Rechtenbach, Tel. (06441) 75792, E-Mail: ponyzirkuskonrad@web.de

Franco Gorgi: Sozialpädagoge am Pferd

Franco Gorgi (51) aus Hittnau/Schweiz lernte Westernreiten bei Jean Claude Dysli und Freiheitsdressuren bei Freddy Knie. Er war Schweizer Meister im Westernreiten, tritt mit seinen beiden Vollblutarabern auf und gibt Kurse. Hauptberuflich ist er Sozialpädagoge, der schwer erziehbare Kinder in seiner Familie betreut.

Konzept

CAV 0108 Gurutest - Franco Gorgi
Rädlein
Franco Gorgi

Franco Gorgis Arbeit ist stark beeinflusst vom Schweizer Zirkustrainer Freddy Knie, wobei er auch diesen stets hinterfragt: „Ich lerne am besten, wenn ich jemandem zusehe und mir dabei etwas nicht gefällt. Dann überlege ich, wie ich es besser machen könnte.“ Pro Jahr nimmt der Trainer nur ein Pferd in Ausbildung – wenn sein Besitzer dazu bereit ist, sich mit ausbilden zu lassen. „Ich mache nur etwas, wenn ich einen Sinn darin sehe: nämlich, dass Mensch und Pferd sich durch die gemeinsame Arbeit besser verstehen.“ In seinen Kursen nimmt er kein Kundenpferd an die Hand; der Besitzer muss selbst mit seinem Pferd klarkommen und umgekehrt. Als Motivation für Mensch und Tier trägt Gorgi Leckerli in Herzform bei sich. „Das erinnert, dass ich alles mit ganzem Herzen tue. Nur wenn ich überzeugt bin, dass mein Pferd etwas schafft, gelingt es.“

Kontakt

CAV 0108 Gurutest - Gorgi mit Pferd
Rädlein

Mit einem Pferd Kontakt aufzunehmen, ist für Gorgi wie ein Kinder-Spiel: Vorher klärt er die Regeln und schaut, ob beide sich verstehen. „Wenn man einfach so beginnt, gibt das ein Fiasko.“ Deshalb prüft Gorgi, ob Maya seine Sprache spricht, Kommandos wie „Schritt“ oder „Steh“ versteht. Dabei spricht er das Pferd immer mit Namen an. „Maya dürfte ein bisschen mehr Vertrauen haben. Stets tritt sie einen Schritt mehr zurück, als sie sollte“, beobachtet Gorgi. „Doch sie hört, schaut, geht nicht gegen mich und ist bereit für die Freiheitsdressur.“ Von Streicheln hält er nichts. „Das Pferd soll Abstand zu mir wahren, wenn überhaupt, bestimme ich, wann wir schmusen.“ Maya darf ihn nicht beschnuppern, auch er berührt sie nicht: „Eine Frage des Respekts.“

Kommunikation

CAV 0108 Gurutest - Gorgi mit Pferd
Rädlein
Die Gerte dient als verlängerter Arm: An die Brust tippen heißt „Rückwärts“.

Um zu sehen, wie ein Pferd auf Stimm- und Peitschensignale reagiert, lässt Gorgi es an der Longe viele kleine Volten gehen und den Zirkel verkleinern und vergrößern. „Dabei schaue ich, wie schnell es reagiert und wie es gymnastiziert ist“, erklärt Gorgi. „Grundschule sitzt“, kommentiert der Trainer nach ein paar Runden. „Jetzt können wir mit den Übungen für die Freiheitsdressur beginnen.“

Erste Übung: bedingte und totale Aufmerksamkeit. Maya muss zunächst am Halfter auf der Weide neben Gorgi stehen, darf nicht weggehen oder fressen. Sobald sie den Kopf senkt, kommt ein scharfes „Nein“ und Touchieren der Brust mit der Gerte. Bald schielt die Stute nicht mehr nach Gras und wartet brav neben Gorgi.

Der holt sich nun totale Aufmerksamkeit: An ihrer Flanke stehend, ruft er „Maya“ und hält ein Leckerli in der Hand. Sie schaut sich um, dehnt den Hals bis zum Leckerli – und schwenkt die Hinterhand weg. „Das war zu weit, sie musste übertreten. Nun weiß ich, bis wohin sie sich dehnen kann, ohne überzutreten.“ Gorgi merkt sich die Stelle, an der er steht, fürs nächste Mal. Diese Übung dehnt das Pferd nicht nur, sondern konditioniert es auch auf seinen Namen. Im Freilauf ist es so jederzeit ansprechbar.

Danach entfernt er sich vom Pferd, ruft es wieder, sagt „Hier“ und streckt die Hand hin. So lernt das Pferd, auf ihn zuzukommen. Obwohl Maya weder Leckerli noch Streicheleinheiten, sondern nur ab und an ein „Fein“ erhält, folgt sie Gorgi nach kurzer Zeit ohne Strick und steht artig neben ihm, ohne zu fressen.

Nach dem Prinzip „Wer führt, bewegt sich nicht“, richtet Gorgi das Pferd rückwärts, indem er mit der Gerte auf die Nase klopft und selbst stehenbleibt. „Gehorcht es meinem Befehl und weicht, muss sich die Distanz ändern. Sonst denkt es ‘Ich mach doch, was er will, warum folgt er mir noch nach?’“ Einem weichenden Pferd hinterher zu gehen, sieht Gorgi als Demütigung fürs Tier.

Sitzt diese erste Übung, touchiert Gorgi die Beine – gern mit Helfer, der das Pferd vorne hält und ihm Feedback über dessen Reaktion gibt. Er selbst steht hinterm Widerrist. „Das ist die Position, aus der heraus ich später Lektionen wie das Kompliment verlange. So gewöhnt sich das Pferd daran“, erklärt er. Zunächst hebt das Pferd das Bein auf Antippen, später hält es das Bein solange oben, wie Gorgi die Gerte anliegen lässt. Diese beiden Übungen sind die Grundlagen für Zirkuslektionen wie Knien, Liegen und Sitzen, ob am Seil oder frei. Als Maya nach nur 20 Minuten beide beherrscht, beendet Gorgi die Stunde: „Das reicht für heute.“

Fazit

CAV 0108 Gurutest - Maya
Rädlein
Ans Bein tippen heißt „Fuß hoch“.

Maya muss aufwachen und schneller reagieren„, findet Gorgi, der für Abwechslung plädiert. Er empfiehlt Longieren über Stangen, durch Dualgassen, um Pylonen in schneller Folge. “Ich bleibe nie länger als drei Zirkel an derselben Stelle oder in derselben Gangart„, sagt Gorgi. Diese Longenarbeit verbessere nicht nur Balance und gymnastiziere, sie bereite auch aufs Reiten vor: “Das Pferd lernt, sofort auf Hilfen zu reagieren.„

Für wen geeignet?

CAV 0108 Gurutest - Leckerli
Rädlein
Ein Herz für Maya: Leckerli bekommt das Pferd von Gorgi nur, wenn es nicht bettelt und etwas besonders gut macht.

Pferdetypen 1 und 2
Wer nach Franco Gorgi arbeiten will, braucht Zeit und Konsequenz. “Natürlich frage ich immer wieder Dinge an, die ich erreichen will„, sagt er. Das eine Pferd tut ihm den Gefallen schon am ersten Tag, das andere nach einem Monat. “Die Zeit muss ich ihm lassen.„ Sein Araberhengst benötigte zwei Jahre, bis er die Bergziege zeigte, sein Wallach eine Woche. Konsequenz steht bei dem Sozialpädagogen an oberster Stelle. Das bedeutet, auch mal mehrere Tage das Pferd nicht anzufassen oder es in seine Schranken zu weisen.
Wer fair mit seinem Pferd umgehen möchte und sich für Zirkuskunststücke interessiert, bekommt von Franco Gorgi ein klares Konzept, mit dem er ohne Mühe alleine arbeiten kann. Dieses Konzept taugt sehr gut für unsichere oder dominante Pferde. “Beiden Typen tut Konsequenz gut. Sie fühlen sich wohl, wenn sie ihren Platz kennen.„ Träge Pferde bringt sein abwechslungsreiches Longieren schnell auf Trab.

Franco Gorgi, Haselstraße 8, 8335 Hittnau, Schweiz, www.gorgi.ch

Hans-Jürgen Neuhauser: Ganzheitlich Reiten mit Körpersprache

Hans-Jürgen Neuhauser (44) aus dem bayerischen Haimhausen arbeitete im Zirkus als Zeitlupenakrobat. Er lernte perfekte Körperbeherrschung und -sprache und bildet damit seit 15 Jahren Pferde aus. Mit seinem “Ganzheitlichen Reiten„ bändigte er zwei aggressive Araberhengste in den Vereinigten Arabischen Emiraten und zwei Mustangs
aus den USA.

Konzept

CAV 0108 Gurutest - Hans-Jürgen Neuhauser
Rädlein
Hans-Jürgen Neuhauser

“‘Körpersprache’ ist in der Reiterei das am meisten missbrauchte Wort„, sagt Hans-Jürgen Neuhauser. “Jeder macht es, kaum einer kann es.„ Er selbst fühlt sich durch seine Karriere als Zeitlupenakrobat kompetent dafür und will Pferde allein durch Körpersprache dirigieren. “Das Pferd sieht im Moment meines Auffußens, wohin ich den Fuß setze, und richtet sich danach„, sagt er. “Es folgt meinem Blick, wenn ich in eine Richtung schaue.„ Devise: Wer bewegt, führt. Wer zieht, verliert.

Kontakt

Neuhauser lässt Maya außer Acht und erobert die Halle mit Hindernisständern, Flatter-bändern und Pylonen. Er teilt ein 13 x 13 Meter großes Viereck ab, in das Mayas Besitzerin die Stute am Stallhalfter führen soll. Neuhauser nimmt die Stute am Strick und geht mit ihr auf und ab, die Schulter des Führarms zu ihr gedreht. “In dieser Haltung bleibe ich online, das Pferd folgt mir, ohne dass ich ziehen muss.„

Kommunikation

CAV 0108 Gurutest -Neuhauser
Rädlein

Weil die Stute am Strick ohne Zögern folgte, lässt Neuhauser sie nun frei. Sie sieht sich um, folgt ihm aber nicht. Seine Interpretation: “Ich habe mich umgedreht und ihr die kalte Schulter gezeigt. Nun muss ich ihr die Hand reichen, damit sie wieder mit mir kommt.„ Er klinkt das Seil erneut ein, stellt einen Stern aus Pylonen auf und führt Maya durch. Mit dem Zeigefinger bedeutet er ihr, wo sie laufen soll. Sie begreift schnell, folgt Neuhausers Fingerspitze, der nimmt das Seil wieder ab. Die Stute zögert, läuft aber dorthin, wo Neuhauser hinzeigt.

“Jetzt geht sie freiwillig hin, wo ich will, und ich kann mit Freiheitsdressur beginnen.„ Das Pferd knabbert einige Pylonen an, Neuhauser klinkt das Seil ins Halfter und dann wieder aus. Zum Schluss geht Maya nicht nur zwischen den Hütchen, sondern auf Fingerzeig auch mal außen-oder innenherum. Sie wirkt eher gleichgültig.

“Das war zum Lockern und Kennenlernen„, sagt Neuhauser und lässt Maya nun im abgeteilten Viereck traben. Er geht immer wieder auf die Stute zu, stampft mit dem Fuß und stoppt, was sie zum Halten bringt. “Ich beanspruche ihren Platz„, erklärt er, “das rangniedere Pferd darf überall hin, nur nicht da, wo ich als Ranghöherer bin.„ Sobald das Pferd reagiert, stoppt und ihm ausweicht, geht Neuhauser einen Schritt zurück. Bald pariert Maya aus dem Galopp, wenn Neuhauser nur einen deutlichen Ausfallschritt macht, oder wechselt in den Trab, wenn auch er auf der Stelle trabt – alles in Außenstellung, ohne zum Trainer zu schauen.

Pause. Maya kaut und schnaubt, Neuhauser ist zufrieden: “Obwohl sie mit mir arbeiten muss, weiß sie, dass sie mir vertrauen kann.„ Er öffnet das Viereck zur Halle hin, keiner der Zuschauer darf sich bewegen. “Beim ersten Mal ist alles noch so zerbrechlich, es wäre schade, wenn das Vertrauen jetzt bricht„, fordert Neuhauser und lässt Maya los. “Jetzt ist es wichtig, online zu bleiben. Sehen Sie: Obwohl sie weiß, dass sie weg kann, entscheidet sie sich für mich.„ Das Pferd schnuppert neugierig am Flatterband. Neuhauser lockt “Komm her„, als Maya nicht folgt, sagt er: “Schau’s dir nur an, das darfst du.„ Als Maya genug geschnuffelt hat, bleibt sie neben Neuhauser stehen. “Nun wendet sie sich mit allem, was sie hat, mir zu„, sagt er. “So beginnen Freundschaften.„

Fazit

CAV 0108 Gurutest - Neuhauser mit Pferd
Rädlein
Fang den Hut: Der Trainer baut für Pferde gerne einen Pylonen-Parcours auf. Stute Maya schnüffelt neugierig.

“Eine liebe Maus„ nennt er die Stute, die “genau sagt, wenn sie was nicht will.„ Dieser Unwille, meint Neuhauser, resultiere aus Verspannungen. “Man muss ihr Bewegung schmackhaft machen„, sagt er. Mayas Besitzer müsse die Körpersprache schulen, was ohne Trainer schwer sei. Das Pferd werde dann auf immer feinere Signale reagieren, die man auch vom Sattel aus geben könne, und bekomme Lust auf Bewegung. Von außen betrachtet, langweilt sich die Stute streckenweise und geht lieber auf Entdeckungstour, als ihre Neugierde auf den Trainer zu richten. Der wirkt manchmal inkonsequent: Mal muss Maya ihm folgen, dann darf sie tun, was sie will. Neuhauser redet fast ununterbrochen mit dem Pferd. “Das verfeinert meine Körperhilfen.„

Für wen geeignet?

Pferdetyp 3.
“Ganzheitliches Reiten„ taugt für alle, die mit ihrem Körper besser klarkommen wollen. Das erfordert sehr viel Übung. Bei unsicheren oder dominanten Pferden empfiehlt sich die Methode nicht, solange der Mensch in dieser Körpersprache nicht sicher ist. Dominante Pferde nutzen Inkonsequenz und ignorieren mit der Zeit den Menschen. Unsichere Pferde werden ängstlich, weil sie nicht wissen, was man ihnen mitteilen will. Ohne Anleitung ist das “Ganzheitliche Reiten„ nicht sinnvoll.

Jürgen Neuhauser, Münchnerstraße 24,
85778 Haimhausen, Tel. (08133) 444 5459, www.ganzheitlichesreiten.de

Berni Zambail: Natural Horsemanship leicht gemacht

Berni Zambail (52) aus Hallau/Schweiz ist Vier-Sterne-Senior-Instruktor nach Pat Parelli. Seit 1991 trainiert er das PNH-System des Amerikaners. Daneben nimmt er klassischen Dressurunterricht bei Bent Branderup, Oliveira-Schüler Michel Henrigues und anderen. So verbindet Zambail die Grundsätze der Légèreté mit Natural Horsemanship.

Konzept

Parelli Natural Horsemanship (PNH) umfasst Sieben Spiele, die Berni Zambail jedoch nicht starr verfolgt. Durch seine umfassende Ausbildung kann er Pferde gut analysieren, ihre Sprache verständlich für Menschen übersetzen und sie zu Grand-Prix-Prüfung oder Freiheitsdressur bringen.

Kontakt

Zambail lässt das Pferd sofort frei in der Halle laufen. Maya nutzt ihre Freiheit nicht, sondern stellt sich neben ihn und gähnt. “Sie war angespannt und lässt nun los„, übersetzt der Instruktor. Dann geht er rückwärts. Maya schaut hinter ihm her. “Gerade sagt sie: Zeig mal, was du auf Lager hast. Lohnt es sich überhaupt, mit dir zu reden?„ Zambail streckt Maya die Hand hin. “Sie soll den ersten Kontakt machen. Vorher habe ich keine Erlaubnis, sie anzufassen.„ Maya kommt.

Kommunikation

CAV 0108 Gurutest - Zambail
Rädlein
Berni Zambail

Zambail nimmt die Stute ans Seil und dreht nur mit seinem Blick Mayas Hinterhand. Danach folgt ihm die Stute auf Schulterhöhe überall hin. “Die Partnerschaft zum Pferd braucht vier Grundlagen„, erklärt Zambail. “1. Kann ich das Pferd zurückschicken? 2. Kann ich es fragen, seine Hinterhand wegzunehmen? 3. Kann ich seine Vorhand wegschicken? 4. Folgt mir das Pferd, wenn ich gehe?„ Bei dieser Prüfung erkennt Zambail die Ranghöhe, die das Pferd immer wieder in Frage stellt. “Pferde stehen nicht morgens auf, gehen zum anderen hin und sagen ‘Hej, du Pfeife, jetzt bin ich der Boss!’. Sie sägen langsam am Stuhlbein, und wenn wir es nicht merken, übernehmen sie irgendwann die Führung.„ Das versucht Maya nun auch. Während Zambail erklärt, schiebt sie sich ganz diskret heran. Er schickt sie sofort zurück.

Sind die Grundlagen gelegt, folgen die Sieben Spielen. Sie lehren das Pferd Vertrauen und Weichen: Freundlichkeitsspiel (Pferd überall berühren), Stachelschweinspiel (Pferd weicht auf Fingerdruck). Treibspiel (Pferd bewegt sich auf Seilschwingen und Fingerzeig), Yoyo-Spiel (schwingendes Seil schickt Pferd zurück und holt es wieder), Zirkelspiel (Pferd geht am Seil um den Menschen herum), Seitwärtsspiel (Pferd setzt Beine seitwärts), Engpass-Spiel (ohne Hektik enge Stelle passieren).

Weil Pferde ihr Drohen stufenweise aufbauen, gibt auch Zambail den Befehl zum Weichen in vier Phasen: “Erst wedelt der Zeigefinger, dann das Handgelenk, danach das Seil. Weicht das Pferd immer noch nicht, gehe ich mit erhobenen Armen auf es zu.„

Wichtig findet Zambail, die Spiele nicht endlos abzuspulen. “Sonst werden sie schnell zu den sieben Torturen.„ Wenn das Pferd nur noch die Augen aufreißt und gestresst umher rennt, wird es zu viel. “Dann kann es nicht mehr denken, braucht eine Pause.„ Der Besitzer muss überlegen, wie er die Spiele sinnvoll einsetzt. “Seitwärts das Pferd zum Aufsteighocker holen zum Beispiel„, erklärt Zambail. Maya geht nach der ersten Trainingseinheit (etwa 45 Minuten) überall hin, wo der Instruktor sie hinschickt.

Fazit

CAV 0108 Gurutest - Zambail mit Pferd
Rädlein

Berni Zambail empfiehlt, im täglichen Training den Abstand zum Pferd immer mehr zu vergrößern, bis es auch am 7 Meter langen Seil bedingungslos folgt. Das kann so lange dauern, bis das Pferd Anzeichen von Überforderung zeigt. Die Intensität der Signale soll mit der Zeit abnehmen, bis das Pferd nur noch auf kleinste Zeichen reagiert. Ein Pferd wie Maya, dem Arbeit schnell langweilig wird, braucht immer wieder neue Spiel-Varianten. Dass Zambail die Stute zwischen den einzelnen Aufgaben einfach stehenlässt, ihr zum Lob die Stirn krault, scheint ihr zu gefallen. Als er sich von ihr verabschiedet, legt sie ihm den Kopf auf die Schulter – Freundschaftszeichen unter Pferden.

Für wen geeignet?

CAV 0108 Gurutest - Berni Zambail
Rädlein
Geselliges Gähnen: „Das Pferd war sehr angespannt und lässt jetzt los“, übersetzt Trainer Zambail.

Pferdetypen 2 und 4.
Durch seine ruhige Art ist Berni Zambail für übereifrige Pferde oder hibbelige Besitzer bestens geeignet. Er hat durch seine umfangreiche Ausbildung eine geballte Ladung Wissen und kann jede Regung des Pferds erklären. Soviel Talent und Routine hat nicht jeder Parelli-Trainer, weshalb das System durch oft gezeigten “Kadavergehorsam„ oder hektisch umher rennende, schlecht gymnastizierte Pferde etwas in Verruf geriet. Wer sich für diese Methode interessiert, aber keine Lust auf bedingungslose Unterwerfung hat, ist bei Zambail gut aufgehoben. Durch die feinen Signale, die nur bei Bedarf stärker werden, eignet sich die Methode sowohl für ängstliche Pferde als auch für dominante Rüpel.

Berni Zambail, Konservenstraße 48, 8215 Hallau, Tel. (0041) 52685 1645, www.pnh-parelli-instructor.com

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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