Je weiter der Mensch weg ist, desto eher weicht das Pferd Hindernissen aus. Ein neues Training schafft jetzt Vertrauen auf Distanz. Die Aufgabe: Mit zweieinhalb Metern Abstand dirigiert der Reiter sein Tier durch einen Trailparcours.
"Vertrauen auf Distanz" heißt dieses neue Konzept. "Bei dieser Methode setzt sich das Pferd selbstständiger mit den Hindernissen auseinander, weil es sich nicht mehr auf den Führer verlässt", sagt Sebastian Bonnet. Zusammen mit seiner Frau Sabine und Breitensport-Richterin Brigitta Deutschmann entwarf er das Trainingskonzept.
Die Übungen stammen aus der Gelassenheitsprüfung, kurz GHP. Diesen besonderen Wettbewerb entwickelte CAVALLO vor mehr als zehn Jahren zusammen mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, FN. Die Aufgaben reichen von Rückwärtsrichten über rollende Bälle bis hin zum Stangen cher. Das Pferd muss dafür gehorsam sein, geschickt und gelenkig.
Training am langen Seil
"Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht für Leute, die bereits die geführte Gelassenheitsprüfung erfolgreich bestanden haben und nach einer neuen Herausforderung suchen", sagt Sabine Bonnet. Die Arbeit am langen Seil ist eine Steigerung der GHP und besonders interessant für Reiter, die ihr Pferd nicht reiten können – etwa, weil es zu klein ist oder aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten muss.
"Training am langen Seil macht Spaß, die Pferde lernen schnell und werden geistig sowie körperlich gefordert", sagt Sebastian Bonnet, der bei Ausbilder Peter Kreinberg einen Trainerschein zur Bodenschule (TGT) absolviert hat. "Wir wollen dieses Trainingskonzept in der Zukunft als Prüfung etablieren – ähnlich wie die GHP", sagt Sebastian Bonnet. Mit der FN ist das Dreier-Team schon in Kontakt.
Das Training an der langen Leine nützt jedem – Reitweise und Pferderasse sind egal. Das Pferd sollte lediglich vier Jahre oder älter sein und eine geführte GHP bereits mindestens mit der Note 3 bestanden haben. "Das Vertrauen auf Distanz ist quasi die GHP auf L-Niveau", sagt Brigitta Deutschmann.
Zum Üben reichen ein Stall- oder Knotenhalfter und ein vier bis fünf Meter langes Seil. Geübt wird gebisslos. "Wir lehnen die Arbeit an der Trense bewusst ab", sagt Brigitta Deutschmann. "Spüren Pferde zu viel Druck im Maul, können sie nicht entspannen." Die Prüferin im Breitensport beobachtet bei den geführten GHP-Prüfungen, dass Reiter oft am Zügel ziehen.
Wie das Pferd entspannt am langen Seil elf Trailaufgaben sicher meistert, erklärt Ausbilder Sebastian Bonnet beim CAVALLO-Termin. Er zeigt, wo die Herausforderungen der Aufgaben liegen. "Wichtig ist, dass Sie anfangs nur ein Hindernis für höchstens 20 Minuten üben." Die Übungen lassen sich perfekt ins Reittraining integrieren. Nutzen Sie das Training als Warmup, bevor Sie in den Sattel steigen.






Aufstellen und Vortraben





Übung 1: Aufstellen
Aufgabe: Das Pferd steht im Abstand von 2,50 Metern zum Reiter. Diese Übung klingt einfach, hat es aber in sich, weil Pferde oft trippeln statt stehen.
Tipp: Je ruhiger der Mensch steht, desto cooler bleibt auch das Pferd. Die neutrale Position des Führers liegt zwischen Kopf und Schulter. Die Hand am Seil senkt sich. Für das Pferd bedeutet dieses Signal: stehenbleiben.
Übung 2: Vortraben
Aufgabe: Das Pferd trabt eine ovale Strecke von etwa 20 Metern Länge, der Reiter bleibt etwa zweieinhalb Meter entfernt und läuft auf Schulterhöhe zügig mit. Er geht einen kleineren Radius als das Pferd.
Tipp: Wird das Pferd zu eilig, gehen Sie mehr Richtung Kopf, das wirkt bremsend. Um das Pferd zu treiben, gehen Sie mehr Richtung Hinterhand. Bei faulen Pferden dient das Seilende als zusätzlicher Antrieb. Der Reiter schwingt es Richtung Pferd, um es vorwärts zu treiben. Hat das Pferd das richtige Tempo, hängt es wieder neutral nach unten.
Rückwärts und Luftballons





Übung 3: Rückwärts
Aufgabe: Das Pferd geht flüssig rückwärts. Dazu darf der Reiter vor das Pferd gehen und leicht den Strick schütteln. Ziel ist es, so wenige Hilfen wie möglich zu geben.
Tipp: Weil es schwierig ist, das Pferd gerade zu halten, üben Sie an einer Bande. Ihr Pferd sollte bereits in kurzer Distanz auf Kommando oder Druck an der Brust rückwärts gehen. Dann vergrößern Sie den Abstand. Schütteln Sie leicht den Strick, und gehen Sie langsam aufs Pferd zu, bis es rückwärts weicht. Dann den Druck verringern und neu schütteln, sobald es stehenbleibt. Klappt das, den Abstand vergrößern.
Übung 4: Luftballons
Aufgabe: Der Heckenschreck ist bunt und rund. Bei der vierten Aufgabe steigen Luftballons hinter einer Wand hoch und symbolisieren alles, was im Gelände plötzlich aus dem Hinterhalt springen kann – Vögel, Hunde, Mountainbiker. Dazu versteckt sich ein Helfer hinter einem zugehängten Hindernis mit einer Luftballontraube. Sobald das Pferd auf Höhe der Luftballons angekommen ist, streckt der Helfer sie hoch und bewegt sie zwei bis drei Male energisch auf und ab.
Tipp: Beginnen Sie mit einem Luftballon, und steigern Sie den Reiz erst, wenn das Pferd cool bleibt. Je ruhiger das Pferd ist, desto stärker darf der Helfer den Reiz auf das Pferd ausüben. Es ist eine reine Gewöhnungsübung. Um das Pferd an die ganze Luftballontraube zu gewöhnen, kann der Helfer sie im Training zunächst früher und langsamer aufsteigen lassen.
Strangenkreuz und Knistergasse





Übung 5: Stangenkreuz
Aufgabe: Wenn Ihr Pferd perfekt durchs Kreuz geht, haben Sie die fünfte Aufgabe des Trainings geschafft: Das Pferd muss flüssig und stolperfrei diagonal über ein Stangenkreuz schreiten. Es sollte nicht mit den Hufen an die Stangen poltern.
Tipp: Beim Training am langen Seil zählt die Feinjustierung: Der Reiter muss sein Pferd bereits vor dem Hindernis genau in die Mitte dirigiert haben. Geht es links oder rechts vorbei, gibt es Abzug. Anfangs können Sie Ihrem Pferd mit einer Spurrille im Sand den richtigen Weg durch das Kreuz erleichtern.
Übung 6: Knisterpassage
Aufgabe: Das Pferd durchquert eine Passage mit zerknüllten Tüten oder Futtersäcken. Sie rascheln, sobald das Pferd durchstapft.
Tipp: Trainieren Sie zunächst mit wenigen zerknüllten Tüten, und geben Sie dem Pferd genug Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Das Pferd darf nicht reinbeißen: Manche Tiere erschrecken sich heftig, wenn sie Tüten zu sich herziehen. An Futtersäcken hängen manchmal kleine Fäden. Achten Sie darauf, dass das Pferd dort nirgends mit den Hufeisen hängenbleiben kann.
Stagenfächer und Regenschirme





Übung 7: Stangenfächer

Aufgabe: Das Pferd tritt flüssig über vier bis fünf Stangen, ohne sie zu berühren. Der Fächer ist so aufgebaut, dass kleine Pferde weiter innen gehen, größere weiter außen. Diese Übung fördert Geschick und sorgt für Gymnastik, weil manche Stangen leicht erhöht liegen.
Tipp: Bei diesem Hindernis findet das Pferd normalerweise selbst seinen Weg. Diese Aufgabe können Sie gut an der Longe auf einem Zirkel üben.
Übung 8: Regenschirme
Aufgabe: Sobald die ersten Tropfen fallen, klacken die Regenschirme. Diese Übung führt durch eine Gasse, die mit Sägespänen markiert ist. Ein oder zwei Schirme liegen hinter der Markierung aufgespannt auf dem Boden. Ein Helfer lässt einen der Schirme zweimal schnell hintereinander aufschnappen.
Tipp: Viele Pferde erschrecken durch das Geräusch oder die Bewegung. Lassen Sie den Schirm ein paar Mal aus größerer Distanz langsam aufschnappen, bevor Sie das Pferd aus nächster Nähe damit konfrontieren.
Plastikplane, Bunte Bälle und Flatterband





Übung 9: Plastikplane

Aufgabe: Das Pferd geht über eine Plastikplane, die auf dem Platz liegt. Die wechselnde Oberfläche irritiert Pferde. Planen rascheln, und Pferde sehen nicht, ob drunter fester Boden ist.
Tipp: Im Training muss das Pferd nicht sofort über die Plane gehen. Es soll sich zunächst mit ihr auseinandersetzen und daran schnuppern. Beim nächsten Versuch soll es die Vorderbeine draufsetzen. Bleibt es gelassen, darf es drüberlaufen.
Übung 10: Bunte Bälle
Aufgabe: Aus einer Lücke rollt ein Helfer aus etwa einem Meter Entfernung drei Bälle vor dem Pferd vorbei. Das Pferd darf gucken, soll aber ruhig weitergehen.
Tipp: Anfangs dürfen die Bälle dem Pferd nicht zwischen die Beine rollen, sonst kann es erschrecken. Sobald sich das Pferd an die Bälle gewöhnt hat, können Sie sie früher rollen.
Übung 11: Flatterband
Aufgabe: Diese Übung soll nächstes Jahr neu hinzukommen. Hier geht das Pferd durch einen Torbogen mit herunterhängenden Flatterbändern. Der Reiter geht außen vorbei und wechselt die Hand, die das Seil hält.
Tipp: Zum Üben führen Sie Ihr Pferd zunächst durch einen Torbogen ohne Flatterbänder. Klappt das gut, können Sie die Flatterbänder zunächst zur Seite hängen oder nur wenige Bänder anbringen. Erst wenn das Pferd dies gelassen meistert, schicken Sie es alleine hindurch.