Pferde richtig loben mit Arien Aguilar
Fein gemacht!

Das perfekte Lob ist Charaktersache. Und zwar für Pferd und Reiter. Ausbilder Arien Aguilar und Sandra Kogler zeigen, wie Reiter herausfinden, welche Belohnung ihr Pferd besonders beflügelt.

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Foto: Lisa Rädlein

Lob ist Balsam für die Seele, Zucker fürs Hirn, Schmiermittel für Schwerverständliches. Wer lobt, baut auf geniale Weise Brücken zum Partner Pferd. Es lohnt sich also, großzügig zu sein mit diesem Wundermittel, das Glücksgefühle auslöst und Beziehung stiftet.

Doch machen wir uns nichts vor. Richtig loben, so, dass Pferde die Belohnung mit ihrem Verhalten verknüpfen, ist eine Wissenschaft für sich. Zum einen kommt es aufs Timing an. Zwischen Aktion und Belohnung passen nur wenige Sekunden. Darüber hinaus spielen auch Charakter und Temperament von Mensch und Pferd sowie die jeweilige Lernaufgabe eine Rolle bei der Suche nach dem passenden Lob.

Unsere Highlights

Geben oder Nehmen – beides kann ein Lob sein

Forscher wissen, Lob funktioniert über Geben und Nehmen. Beim Geben, der sogenannten positiven Verstärkung, bekommt das Pferd etwas für ein bestimmtes Verhalten. Lob schmeichelt den Ohren, verwöhnt den Magen, erfüllt den Wunsch nach Nähe.

Das Belohnungszentrum des Gehirns setzt jetzt Wohlfühlmoleküle wie etwa Dopamin frei. Das körpereigene Opiat ist Stimmungsmacher und Motivationsbeschleuniger, der das Lernen auf die Überholspur führt und Lust auf mehr macht.

Nehmen als Belohnung heißt im Fachjargon "negative Verstärkung". Ein unangenehmer Reiz wird schwächer, sobald das Pferd korrekt reagiert. Auf diesem Prinzip basieren die klassischen Reiterhilfen und Techniken aus dem Natural Horsemanship.

Beide Methoden sind hoch wirksam, und in der Praxis ist es in der Regel ein Mix aus beiden, der den Lernerfolg beflügelt. Jedenfalls, wenn man weiß, welches Lob zu welchem Pferd in welcher Situation passt.

Doch wie findet man das heraus? Dafür baten Horsemanship-Trainer Arien Aguilar und Sandra Kogler zum Praxis-Test ins Pferdedorf im Richthofen Circle bei Würzburg. Fünf Pferde wurden auf acht verschiedene Weisen belohnt. Wie die Pferde reagierten und wie Reiter herausfinden, welches Lob das eigene Pferd beflügelt, lesen Sie auf den kommenden Seiten. Loben Sie los!

Die Lob-Experten

Arien Aguilar (22) lebt gemeinsam mit seinem Vater, dem Horseman und Tierarzt Alfonso Aguilar und seiner Familie in Brenham, Texas. Er studierte Verhaltensforschung und bildet sich bei Trainern verschiedener Disziplinen fort. Aguilar gibt Reit-, Boden- und Freiarbeitskurse und initiierte die "Next Generation"-Tour.

Sandra Kogler (20) studiert an der Uni Würzburg Biologie, Schwerpunkt Neurobiologie & Verhalten. Sie unterrichtet Natural Horsemanship und Freiheitsdressur.

Pausen als Lob einbauen

Pause...

heißt, eine Übung zu beenden. Der Druck ist weg, das Pferd steht; Kauen zeigt Entspannung und Lernprozesse.

Tücken: Manche Pferde brauchen Distanz, verlassen Sie deren Komfortzone. Streicheln Sie nicht, das lenkt ab. Lassen Sie Abstand zwischen Stimmlob und folgender Pause. Geeignet für aktive und ängstliche Pferde. Gut ausgeführte oder erstmals verstandene Übungen verdienen auch mal eine ganz große Pause, das heißt: Trainingsende.

In Pausen sammeln wir Kraft – oder verlieren den letzten Funken Energie. So wie Vigo. Der braune Koloss ist ein lettisches Warmblut. "Verlässlich, inaktiv und eigensinnig", charakterisiert Sandra Kogler den Wallach, der sich nur schwer in Bewegung setzen lässt. Pausenlob wird bei solchen Pferden rasch zum Eigentor. Dabei machen schwerfällige Typen liebend gern ein Päuschen oder auch zwei. Und viele Reiter schicken sie genau deshalb oft in Erholung. Die Gefahr dabei: Nach dem Pausengong kriegen sie die Pferde nicht mehr auf Trab. "Auch Vigo würde sich völlig abmelden", warnt Arien Aguilar. Klüger ist es, mit dem Pausenlob zu warten, bis "man nichts mehr fordert, was
ein hohes Energielevel voraussetzt". Will man einen gelungen Spanischen Schritt belohnen und strebt noch die Piaffe an, sollte man bei trägen Pferden ein Lob zwischenschalten, das die Energie auf hohem Niveau hält. Etwa ein aktivierendes Kraulen, eventuell sogar ein rhythmisches Klopfen.

Manche Pferde brauchen die Pusenbank dringend, um in Ruhe lernen zu könen. So geht es der intelligenten und exzentrischen Siva. Die 15-jährige Criollo-Mix-Stute hat einen außergewöhnlichen Charakter. Sie gibt sich unberührbar wie eine Diva und lässt bei Stress den Menschen manchmal ihre Zähne spüren. Die Turbulenzen in der Seele spiegeln sich scheinbar im fuchsfarbenen Fell zwischen den Augen. Der dreifache Haarwirbel auf ihrer Stirn fällt beiden Trainern sofort auf. "Man sagt, er deute auf einen schwierigen Charakter. Für solche Zusammenhänge gibt es natürlich keine wissenschaftlichen Belege. Hier passt es aber gut", meint Arien Aguilar und wendet sich an Sivas Besitzerin: "Wenn du dich für eine Partnerschafts-Vermittlung beschreiben würdest, was würdest du sagen?" Sybille Volz schmunzelt: "Ich bin Siva sehr ähnlich."

Sivas aktuelle Kummerzone ist die Sprühflasche. Die Stute soll lernen, gelassen zu bleiben, wenn das Wasser spritzt. Arien streckt ihr die Flasche vor die Nase, sobald sie weichen will, fordert der Trainer sie sanft, aber bestimmt auf, sich mit der Flasche zu beschäftigen. Tastet sie sich an das Problem heran und sei es nur ein halber Schritt und ein schnuppernder Giraffenhals, schenkt Arien ihr ein Päuschen und lässt das Seil lang. Nach ein paar Durchgängen lässt Aguilar die Stute im Schritt antreten und beginnt zu sprühen, so könnte sie aufkommenden Stress über die Bewegung abbauen. Doch der entsteht nicht.

Als der Wasserstrahl ihre Brust trifft, zuckt sie lediglich, stärker zeigt sie ihre Empörung nicht. Schon gibt’s ein Pausenlob. Siva lässt dabei den Hals sinken und klappt die Ohren eselig nach hinten-außen. "Nicht sehr fotogen", witzelt Arien Aguilar, "trotzdem gefällt sie mir besser als mit gespitzten Öhrchen. Sie ist nun auf mich konzentriert und hat ein Lerngesicht." Und Siva kaut. Verhaltensforscher lesen daraus, dass ihr vegetatives Nervensystem von Stress auf Entspannung umschaltet. Jetzt erst kann sie lernen, dass die Sprühflasche harmlos ist. Weil mit Siva das Ziel erreicht wurde, bekommt sie die ganz große Pause. Feierabend.

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Lisa Rädlein
PAUSEN-LOB: Siva hasst die Sprühflasche! (links) Dass Spritzen gar nicht so schlimm ist, lernte die kapriziöse Criollo-Mix-Stute vor allem durch ruhiges, geduldiges Üben mit vielen Pausen. PAUSEN-LOB: In Pausen wirkt Siva fast abwesend. (rechts) Tatsächlich verarbeitet sie das Gelernte (Lerngesicht).

Futter...

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Lisa Rädlein
FUTTER-LOB: Lettenwallach Vigo (links) fürchtet sich vor Planen. Aber er ist auch verfressen. Leckerli bringen den Braunen dazu, sich mit dem vermeintlichen Monster zu befassen. FUTTER-LOB: Vigo lässt sich mit der Plane sogar berühren. (rechts) Dafür gibt es einen feinen Happen!

motiviert extrem. Als primärer Verstärker wirkt es direkt aufs Gehirn. Lob setzt dort Dopamin frei, Futter auch. Leckerli sind so ein "doppeltes Lob".

Tücken: Manieren sind zwingend; wer bettelt, kriegt nichts! Nie! Futterlob muss prompt kommen. Und sollte rar bleiben: Leckerli nur für besondere Leistungen und bei neuen Aufgaben.

Geeignet für ängstliche, leicht ablenkbare und sehr unmotivierte Pferde, weniger für starke Persönlichkeiten.

Das grüne Ding liegt am Boden, dann bläst der Wind es zum Monster auf und Vigo, der große Lette, erwacht. Doch statt zu flüchten, macht der Braune ein Spiel daraus, mit der Plane auf Tuchfühlung zu gehen. Breitwillig tapst er über das Knistertuch und nimmt es ins Maul. Nach ein paar Minuten kann man Vigo fast darin einwickeln. "Das war so unerwartet gut, dass er ein Leckerli verdient hat", sagt Sandra Kogler, die wie Arien Aguilar mit Futterlob grundsätzlich knausert.

Das Timing bei diesem Lob ist kniffelig. Man hat nur wenige Sekunden, um das Leckerli von der Tasche über die Hand in den Mund zu bugsieren – mal ehrlich: nicht alle Menschen sind so fix. Doch wer trödelt, lobt das Pferd für Dinge, die eigentlich kein Lob wert sind. Den Apfelschnitz nach dem Absitzen kann man sich deshalb getrost selbst in den Mund stecken. Als pauschaler Dank für eine gelungene Reitstunde wird er vom Pferd gar nicht erst verstanden.

Richtig benutzt, kann Futter durchaus Lern-Berge versetzen. Viele Verhaltensforscher verankern speziell neue Lektionen zunächst mit leckeren Happen im Gehirn. Schmackhaft serviert, schlucken Pferde nämlich selbst komplizierte Inhalte mit Genuss. Davon profitieren beide Seiten.

Für die Testpferde eignet sich Futter selten als Lob. Das liegt zum einen an der Persönlichkeit der Pferde. Aber es kommt auch von einer unzureichenden Futter-Erziehung. Keine ungewöhnliche Situation. "Die meisten Teilnehmer auf unseren Kursen haben Schwierigkeiten damit, dass ihre Pferde im Training zu sehr aufs Futter fokussiert sind", sagt Sandra Kogler.

Im Maul von dominant-aufdringlichen Pferden zementiert Futter bei mangelnder Erziehung nämlich schlechtes Verhalten. Genau so geht es der rundlichen Watra. Im Training hat sie Leckerlis zum Fressen gern. Doch Häppchen um Häppchen nimmt ihre Konzentration ab: Sie fordert immer vehementer Futterlob. Auch Gitti hat ein Leckerli-Problem. Die Schwarzwälder Fuchsstute gilt als intelligent. "Fressen motivierte sie sogar schon zu Einbrüchen", gibt Besitzerin Bettina Dauber zerknirscht zu. Aus biologischer Sicht ist das verständlich, denn Futter ist ein besonders starkes Lob. Es setzt im Gehirn Dopamin frei. Der Körper will mehr und mehr davon. Die Pferde betteln oder gehen gleich selbst auf Beutezug wie Gitti.

Wenn Futterlob schief geht, muss man damit aufhören. "Nach einem halben Jahr kann man es neu versuchen", sagt Arien Aguilar. Dann mit strikten Futtermanieren und wachem Blick. "Sonst schafft Futter unter Umständen eine Fake-Beziehung", warnt Sandra Kogler. "Eher unerfahrene Besitzer können nicht einschätzen, ob das Pferd wirklich ihretwegen oder nur wegen des Leckerbissens zum Mensch kommt."

Wie Arien Aguilar lobt auch Sandra Kogler sehr wenig mit Futter. Sie geizt vor allem bei gierigen oder charakterstarken Pferden. Die Happen gibt es nur für herausragende Leistungen. Sie sind der letzte Trumpf in der Lob-Pyramide. Denn auch Belohnung sollte in verschiedenen Abstufungen für verschiedene Leistungen möglich sein.

Lob schafft Vertrauen

Wasser...

ist für Pferde lebenswichtig und ein tolles Spielzeug. In trockenen Regionen kann es den Menschen für Pferde interessant machen.

Gut für neugierige, verspielte, junge Pferde und heiße Sommertage.

In Texas ist die Sache glasklar. Wasser motiviert ebenso stark wie Futter. Über den Wassereimer lässt sich Bindung zu Jungpferden, die halbwild auf riesigen Weiden leben, quasi nebenbei aufbauen. Zu Hause nutzt Arien Aguilar den Durst auch im Training. Gibt es nach einer guten Übung Wasserlob, stürzen sich Pferde begeistert darauf. Logo. Doch welches Pferd hat an einem trüben Tag im kaltfeuchten Deutschland bitteschön Durst? "Wir werden ja sehen", sagt Arien Aguilar und muss lachen, "Los! 20 Runden Galopp und her mit dem Eimer".

Obwohl die Pferde frisch aus dem Stall kommen, steuern sie sofort das Wasser an. Drei von ihnen stecken sofort den Rüssel rein, schlabbern und spielen. Damit hatten nicht mal die Trainer gerechnet. Sie folgern: In der Frei- oder Bodenarbeit ruhig mal Wasser anbieten, wenn das Pferd etwas gut gemacht hat. Verknüpfen Sie das Spiel anfangs mit einem Streichel- oder Stimmlob. Spiel und Spaß funktionieren schließlich perfekt als Kombi-Lob.

Gut möglich, dass die Planscherei Lust auf neue Tricks weckt, gerade bei verspielten und neugierigen Pferden. "Pferde haben oft kreative Ideen, wenn man sie nur lässt", sagt Sandra Kogler. Sie könnte sich vorstellen, dass manche den Eimer anheben. Daraus könnte man Apportieren entwickeln. Spritzer auf der Nase motivieren das Pferd vielleicht zum Flehmen, das könnte zur Lektion ausgebaut werden.

Ach ja, fast hätten wir es vergessen: Auch deutsche Sommer können heiß sein. Bei 35 Grad bekommen Pferde nicht nur in Texas schnell Durst. Ein Schluck aus dem Eimer befriedigt dann ein Grundbedürfnis und ist ein angenehmes Lob.

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Lisa Rädlein
WASSER-LOB: Wie viele Testpferde hält Wallach Vigo Wasser für eine hochinteressante Belohnung nach guter Leistung.

Stimme...

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Lisa Rädlein
STIMM-LOB: Die ruhige Lipizzaner-Stute Watra lässt sich von Arien Aguilar besonders gut mit Stimme motivieren. Enthusiastische Lob-Rufe wecken ihre Lust am Laufen. Erst am Übungs-Ende gibt es sanfte Streicheleinheiten.

belohnt Pferde per Klang unmittelbar, auch wenn man noch nicht ganz genau weiß warum. Ein Stimmlob ist schnell und jederzeit verfügbar.

Tücken: Dieses Lob müssen Pferde verstehen lernen. Anfangs die Laute mit Kraulen oder Leckerli verstärken. Die Stimme beruhigt ("braaaav") und aktiviert ("feeeein"), auch auf Distanz. Sie kann lobend unterstützen, wenn eine Übung noch weitergeht. Geeignet für ängstlich-unsichere sowie inaktiv-langsame Pferde. Gut, um im Sattel zu loben, wo das Pferd die menschliche Körpersprache fühlt, aber nicht sieht.

Huch, was für eine Verwandlung! Eben wirkte Besitzerin Carmen Sauer noch dynamisch und ließ beim Erzählen Hände und Arme sprechen. Kaum führt sie ihre Lipizzanerstute Watra am Knotenhalfter, verpufft diese Energie. Watra wirkt unsicher und schaltet einen Gang runter. "Du musst selbst Energie reinstecken, wenn du Energie von Watra forderst", erklärt Sandra Kogler der Besitzerin. Dafür könnte Stimmlob ideal sein.

Die Stimme kann Energie wecken und beruhigen. Moduliert der Reiter den Klang hell, erzeugt er häufig beim Pferd mehr Dynamik. So kann man zum Beispiel in Lektionen loben, die viel Energie benötigen. Ein sonores "schöööön" senkt dagegen das Energielevel. Es bietet sich an, um etwa ein Halten etwas zu verlängern.

Wie gut diese Verbindung bei Watra funkt, wird deutlich, als Arien mit ihr das Antraben trainiert. Er läuft rückwärts und fordert die Stute am Seil auf, ihm zu folgen. Unterwegs feuert der Trainer sie mit fröhlichen Rufen an: "Weiter, weiter, weiter!" Die eben noch zögerliche Watra läuft – und läuft und läuft.

Stimmlob enthüllt auch die Stimmung des Menschen. Nicht jeder Reiter kann im richtigen Moment die passende Emotion in die Stimme zaubern. Schon die Körperhaltung beeinflusst ihren Klang. Versuchen Sie mal mit hängenden Schultern und zusammengesacktem Oberkörper enthusiastisch "fein, fein, fein!" zu jubeln – es wird nicht funktionieren. Allerdings wirkt der Einfluss auch umgekehrt: Ein breites "braaaav" lockert beim Ausatmen zum Beispiel die angespannten Schultern. Stimmlob spricht also durch den ganzen Körper des Reiters zum Pferd.

Pferde reagieren sehr sensibel auf Körperhaltung und Stimmlage. Deshalb können Reiter die Tiere auch nicht anlügen. Passt der Ton nicht zur Botschaft, entsteht Dissonanz. Wer gerade Angst hat, kann in der Regel keine echte Begeisterung in seine Stimme legen oder beruhigend loben.

Reiter können lernen, die Stimme besser zu nutzen. Vor allem ruhigen, introvertierten Menschen fällt es schwer, stimmliche Dynamik zu entwickeln. Ist das Pferd zusätzlich eher ein Gemütstyp, klingt ihr Stimmlob mehr nach Schlaflied – auch wenn es tatsächlich ein Weckruf sein sollte.

Das ist kein Grund, künftig zu schweigen. Denn die eigene Stimme flexibel zu erheben oder zu dämpfen, kann man lernen, wenn man sich bemüht. Schweigsame Reiter dürfen natürlich trotzdem den Mund halten. Denn Lob muss vor allem authentisch sein. Verhaltensforscher sind überzeugt, dass Pferde erkennen können, ob ein Lob von Herzen kommt oder nicht.

Spaß-Lektionen und Lob

Nachgeben...

heißt, die Intensität eines Signals oder eine Hilfe zu verringern, wenn das gewünschte Verhalten kommt. Dieses Prinzip ist für Pferde instinktiv verständlich, weil so die Kommunikation untereinander funktioniert.

Tücken: Nachgeben heißt, den Druck zu reduzieren, aber nicht ihn zu stoppen. Das muss im richtigen Moment passieren und wirkt nur, wenn der Druck zuvor allmählich aufgebaut wurde. Wichtig: Druck an sich ist nichts Negatives, auch ein Fingerzeig erzeugt minimalen Druck.

Geeignet für alle Pferde.

Araberwallach Ciryon ist ein kleiner Streber, unsicher, aber extrovertiert. "Ein fleißiger Bub, der gute Noten schreibt, aber oft alleine in der Ecke steht", analysiert Arien Aguilar. Fürchtet er sich – wie jetzt vor Stangen am Boden – schlägt sein Verhalten um, aus extro- wird introvertiert. "Solche Pferde sind schwer zu loben, weil man die Belohnung an diese Veränderung anpassen muss."

Für Pferde mit schnell wechselnder Stimmung schnürt Aguilar deshalb ein Paket mit verschiedenen Lob-Strategien. Die wichtigste darin: Annehmen und Nachgeben am Seil des Kappzaums. Weil Ciryon Angst hat vor der Stange, will er möglichst schnell weg. "Hält man jetzt am Kappzaum einfach dagegen, würde er klaustrophobisch und mit Panik reagieren", vermutet Sandra Kogler. Die vibrierenden Paraden mahnen ihn hingegen zur Konzentration. Arien Aguilar kombiniert den Druck am Kappzaum mit ruhigem Stimmlob und sanftem Streicheln. Das funktioniert, weil Ciryon Menschen mag und ihre Nähe sucht. Mit dieser Kombi gelingt es den Trainern, den Araber von seinen Fluchtgedanken abzubringen und für die Aufgabe zu interessieren. Nach kurzer Zeit prüft er mit dem Huf das Holz der Stange.

Systematisch Nachgeben sorgt für mehr Leichtigkeit im Training. Wie das geht, zeigt Arien Aguilar am Beispiel von Vigo, dem unmotivierten und trägen Letten-Wallach. Der reagiert beim Reiten zäh und stützt sich auf die Hand. Das kann Typsache sein oder menschengemacht. Die häufigste Ursache: Reiter geben nicht oft genug nach.

Jedes Nachgeben ist ein kleines Lob. "Wenn ich viel nachgebe, besteht das Training für mein Pferd aus einer Abfolge von Bestätigungen", erklärt Arien Aguilar. "Bleibe ich mit meinen Hilfen dagegen zu lange dran, frustriere und demotiviere ich auf die Dauer mein Pferd."

Mit Vigo demonstriert Arien Aguilar, wie Nachgeben zähe Pferde leichter macht. Anstatt sich auf ein Tauziehen am Zügel einzulassen, lockert Arien Aguilar den Zügelkontakt, sobald Vigo einen Hauch von Nachgeben im Genick andeutet. Das wirkt: Nach wenigen Minuten trägt der Wallach den Kopf selbst, anstatt sich auf der Reiterhand auszuruhen. Nach diesem Prinzip kann man alle Hilfen verfeinern. Wurden Pferde lange falsch geritten, kann die Umstellung allerdings bis zu ein Jahr dauern.

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Lisa Rädlein
NACHGEBE-LOB: Lässt der Druck nach, fühlt sich das Pferd besser – ein klares Lob. Araber-Wallach Ciryon (links) lässt sich zu den Bodenstangen dirigieren. NACHGEBE-LOB: Viele Reiter (rechts) geben nicht oft und schnell genug nach. Arien Aguilar lässt sie fühlen, wie wichtig und effektiv dieses Lob ist.

Spaß-Lektion...

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LEKTIONS-LOB: Die aktive Siva arbeitet gern. Sandra Kogler testet, ob sie auch Seitwärts als Lektions-Lob mag.

baut Energie ab und macht Freude.

Tücken: Das Pferd muss bereits viel können, damit man Lieblingsübungen findet. Der Reiter muss Vorlieben erkennen und nutzen können.

Geeignet für sehr aktive, kreativverspielte und exzentrische Pferde.

Lektionen als Lohn? Klingt komisch. "Doch eine Übung kann für Pferde ein super Lob sein", sagt Arien Aguilar. Unter zwei Voraussetzungen: Eine gute Beobachtungsgabe beim Menschen und ein breites Spektrum an Dingen, die das Pferd kennt und idealerweise kann. Dann kristallisieren sich oft Lieblingsübungen heraus, die als Sahnehäubchen den Schluss des Trainings krönen.

Arbeit kann viel Spaß machen. Als Siva am Seil mit Sandra Kogler herumtollt, beobachtet Arien Aguilar, dass die nervige Stute Freude an Übungen hat, die Energie abbauen. Ein paar Runden im flottem Galopp – und viele Energiebündel konzentrieren sich besser auf ihre Aufgaben. Eine Lieblingsübung für viele Pferde ist Spanischer Schritt. Allerdings sollten Reiter ihn gut unter Kontrolle haben, damit Pferde nicht dauernd mit den Beinen herumfuchteln.

Auch weniger dynamische Pferde mögen Lob-Lektionen. So wie die sechsjährige Gitti. Die Schwarzwälder-Stute trainiert zurzeit nur unregelmäßig. "Vieles ist angefangen, aber noch nicht beendet", sagt Arien Aguilar.

Doch Gitti ist schlau, sie will etwas können. Ihre Neugier macht sie leicht ablenkbar. Arien Aguilar vermutet, dass Lieblingslektionen ihr helfen könnten, sich besser zu konzentrieren.

Manchmal stectk sogar in Problemen ein Lob. Zum Beispiel bei Ciryon, der Stangen nicht mag. Zunächst sollte der Araber sich im Stand ruhig mit dem Holz am Boden befassen. Für ihn eine schwierige Aufgabe. "Als er sie verstanden hatte, durfte er auch einmal drüber gehen", sagt Arien Aguilar. "Für ihn ein Erfolg und damit ein Lob." Um solche komplexen Lob-Strategien zu nutzen, brauchen Reiter besonders viel Pferde-Wissen und -Erfahrung. Sonst fördert man damit leicht Fehler.

Trainingsmethoden und passendes Lob

Clicker & Co...

sind ein konditioniertes Lob. Ein beliebiges, oft akustisches Zeichen schindet Zeit, bis die eigentliche Belohnung kommt (z.B. Leckerli).

Tücken: Das Signal muss sauber und gründlich konditioniert werden, dafür muss der Mensch viel können.

Geeignet für intelligent-aktive, verspielte und neugierige Pferde.

"Klick!" Arien Aguilar lässt den Knackfrosch in der Hand einmal blechern quaken. Fuchsstute Siva bläht empört die Nüstern. "Zu laut für sie", sagt der Trainer. Geräuschempfindlichen und sensiblen Pferden fällt es oft schwer, den harten Ton des Clickers als etwas Positives zu empfinden. Allerdings gewöhnen sie sich oft auch schnell daran, wenn sie verstehen, dass auf den kleinen Knall immer ein Leckerli folgt. Sie lernen: Wenn es klickt, wird es lecker!

Der Clicker macht promptes Lob leichter – per Konditionierung. Mit einem Knopfdruck lässt sich jedes gewünschte Verhalten sofort bestätigen, auch aus der Distanz. Sitzt die Konditionierung, baut der Knackfrosch dem Pferd eine Brücke, die das Warten aufs kommende Leckerlob erleichtert. "Ganz auf das Leckerli verzichten darf man nicht. Folgt die erwartete Belohnung nicht zuverlässig, löst sich die Konditionierung wieder", sagt Sandra Kogler.

Wer mag, kann unterschiedlichste Lob-Signale verwenden. Gut konditionierbar sind Worte, Gesten und natürlich jeder andere beliebige Ton. Um die ruhige Lipizzaner-Stute Watra mit mehr Energie zu versorgen, könnte ihre Besitzerin etwa bei den Delfintrainern spicken. Die Meeressäuger werden oft auf Triller-Töne oder Triller-Pfeifen konditioniert, erklärt Arien. Diese Töne vibrieren und klingen sehr dynamisch.

Auch der träge Vigo ließe sich vermutlich gut per Clicker motivieren. "Er ist ein richtiger Clown, wie er auf neue Ideen kommt, mit Wasser und Plane spielt", sagt Sandra Kogler. Sie hält Vigo aus diesem Grund für einen guten Clickerkandidaten.

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KONDITIONIERTES LOB: Clicker-Training ist der Prototyp für die Arbeit mit konditioniertem Lob. Der Ton erlaubt, präzise und aus der Ferne zu loben.

Berührung...

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LEKTIONS-LOB: Die aktive Siva (links) arbeitet gern. Sandra Kogler testet, ob sie auch Seitwärts als Lektions-Lob mag. UNIVERSAL-LOB FREUDE: Egal wie Sie loben – je ehrlicher Sie sich freuen, umso mehr Motivation wecken Sie beim Pferd. (rechts)

imitiert Sozialkontakte und stärkt die Bindung von Mensch und Pferd.

Tücken: Reiter müssen die Lieblingsstellen finden; Stirn oder Mähnenkamm sind oft beliebt. Wildes Klatschen am Hals wird meistens nicht als Lob verstanden. Berührungslob kann beruhigen (sanfte, große Streichelbewegung) oder aktivieren (enthusiastisch mit den Fingerspitzen kraulen oder leicht klopfen).

Geeignet für Pferde, die körperliche Nähe mögen.

Für Watra springt Arien über seinen Schatten. "Ich bin ja eher der Typ ‚sanfter Streichler‘", sagt er lachend. Doch für die inaktive Lipizzaner-Stute Watra saugt er Luft in den Brustkorb, strafft den Oberkörper und lobt dann impulsiv drauflos. Rhythmisch und aktiv kraulen seine Fingerspitzen den Mähnenkamm, das soll Watra wach kitzeln. Bei anderen Pferden kann die akupressurähnliche Massage anstrengende Lektionen energisch unterstützen. Würde man Watra sanft mit der Handfläche am Hals streicheln, wäre das für die Stute vermutlich ebenso willkommen, es hätte nur leider den Effekt eines Schlafmittels auf sie.

Sanftes Streicheln löst Wonne aus. Der Hautkontakt stimuliert das Gehirn zur Ausschüttung von Oxytocyin. Das Kuschelhormon wirkt wie Kleister auf soziale Beziehungen: Es bindet. Und es beruhigt. Für den kleinen, aktiven Araber Ciryon ist diese Form des Schmuselobs ideal. Er soll sich schließlich entspannen. Das klappt mit großen sanften Bewegungen viel besser als mit aktivem Kribbelkrabbel. Versuchen Sie es mal an Ihrem eigenen Arm! Ähnlich wie beim Lob mit der Stimme muss der Mensch sein Temperament eventuell anpassen, um mit Berührung effektiv zu loben.

Kräftiges Klopfen am Hals ist fast allen Pferden unangenehm – das ergaben Studien, in denen viele Pferde Schreckreaktionen zeigten, wenn Reiter den Hals abwatschten. Kein Wunder. In der Herde gibt es diese Art von Klopfkontakt unter Artgenossen nicht.

Knabberspiele an der Mähne, mal zart, mal hart, aber durchaus. Genau daran ist das Streichellob im Sattel oder bei der Arbeit am Boden angelehnt. Speziell Pferde, die ein großes Bedürfnis nach Nähe haben und so personenbezogen sind wie Araber Ciryon, reagieren darauf mit Wohlbehagen.

Wie ein Berührungslob ankommt, ist nicht immer gleich. Criollo-Mix-Stute Siva erinnert dabei eher an eine eigenwillige Katze. "Mal genießt sie das Kraulen, kurze Zeit später zeigt sie die kalte Schulter und Fremd-Streichler lässt sie gar nicht erst ran", so beschreibt eine Miteinstellerin die Stute.

Für Fremde lässt sich deshalb manchmal nur schwer ahnen, ob das Pferd Berührungen mag oder nicht. "Ich betreute mal eine sensible, liebe Stute, die von vielen für ein echtes Kuschelpferd gehalten wurde. Dabei fand sie Streicheln total doof", sagt Sandra Kogler. Am besten fängt man vorsichtig an und hat ein Auge auf Abwehrsignale. Schon wenn die Haut zuckt oder das Pferd die Nase kräuselt, kann das Missbilligung ausdrücken. Gute Chancen, dass Ihr Streichellob ankommt, haben Sie an Mähnenkamm, Widerrist oder zwischen den Augen. Die sieben besten Streichel-Zonen finden Sie in CAVALLO 6/2016.

Die aktuelle Ausgabe
4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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