Mental-Coaching für Reiter: Tipps für mehr Konzentration

Mental-Coaching für Reiter
Tipps für mehr Konzentration im Sattel

ArtikeldatumVeröffentlicht am 06.09.2025
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Eine Reiterin mit ihrem Pferd über einem blau-weißen Oxer
Foto: Saro17/ gettyimages

Mentale Stärke in Zeiten einer Overload-Gesellschaft

"Reiter fragen mich oft nach Tipps, wie sie sich besser konzentrieren können”, erzählt Vanessa Klett, Reitsport-Mental-Coach. Tatsächlich haben dieses Problem immer mehr Menschen. Wir sind heutzutage darauf getrimmt, alles schnell zu konsumieren. Unzählige Reize fluten auf uns ein, im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz vorm Computer bis hin zum Sofa-Abend mit dem Handy in der Hand: kurze Reels etwa sorgen dann auch noch für schnelle Dopamin-Kicks, die unser Gleichgewicht im Gehirn durcheinanderbringen. "Machen wir dann mal etwas, das nicht so schnelllebig und einfach ist, ist das für unser Hirn ungewohnt und nicht mehr so attraktiv. Das führt unter anderem dazu, dass wir im Kopf immer mehr springen. Wenn viel um uns herum passiert, können wir schwer bei der Sache bleiben”, erklärt Klett. "Jeder hat eine begrenzte Kapazität. Bei dem einen ist der Arbeitsspeicher größer, bei dem anderen kleiner – aber bei den meisten Reitern völlig ausreichend.” Denn wir können trainieren, den Fokus zu behalten.

Vanessa Klett vor einer Stall-Kulisse
Vanessa Klett
Die Expertin

Erster Schritt: Blockaden lösen

Bevor wir an Konzentrationsübungen denken, sollten wir uns zuerst fragen, warum wir in solch schwierige Situationen geraten. "Oft sind es eher Blockaden, die uns daran hindern, uns zu fokussieren”, weiß Vanessa Klett. Reiter beschäftigen sich dann im Kopf mit Dingen, die im Moment auf dem Pferd gar nicht relevant sind, sagt sie. Meistens seien das Ängste: Ist dieser Sprung zu hoch? Könnte mein Pferd sich verletzen? Was könnten andere von mir denken? Dahinter stecken tiefergehende Themen, die jeder mit sich herumtrage: etwa Versagensängste, Leistungsdruck, mangelndes Selbstvertrauen.

Wer Angst vor Konsequenzen hat, kann sich nicht konzentrieren. "Mehr Fokus führt nicht zu mehr Stressresilienz. Deshalb kommt es auch zu den gefürchteten Blackouts in Prüfungssituationen, auch wenn man noch so gut vorbereitet ist.” Vanessa Klett rät Reitern deshalb, sich zunächst bewusst zu machen, welche negativen Gedanken so grundlos blockieren.

Tipp für mehr Konzentration: Der Effekt des Tunnelblicks

Suche dir einen Punkt in der Ferne und fixiere darauf deinen Blick. Halte die Augen zwischen 30 und 60 Sekunden fest auf diesen Punkt gerichtet. So kannst du im Kopf einmal auf "Fokus” stellen. In einer Situation, in der viele Reize auf dich einprasseln, etwa vor einer Turnierprüfung, kannst du dich damit voll auf dich und dein Pferd konzentrieren.

Dynamischer Sprung einer braunen Stute mit Reiterin von hinten
Saro17/ gettyimages

Bist du bereit? Bewerte dich selbst!

Viele Reiter setzen sich unter Druck, wenn sie zeigen wollen, was sie können – ob vor der Reitstunde, vor Zuschauern an der Bande oder vor einer Turnierprüfung. Diese Situationen haben gemeinsam: Es geht darum, ab einem bestimmten Zeitpunkt volle Leistung zu bringen: etwa, wenn du mit dem Aufnehmen der Zügel die Aufwärmphase beendest, der Reitlehrer die Halle betritt oder du in die Prüfung einreitest. Das hilft: Überlege dir vor dem Ritt, wie "ready” du sein musst, um dich und dein Pferd gut zu präsentieren. Ordne dich auf einer Skala zwischen 1 (schlecht) und 10 (hervorragend) ein. "Die meisten landen nach einer guten Abreit-Routine bei acht Punkten oder mehr”, weiß Vanessa Klett. Sich einmal bewusst zu machen, dass man gut vorbereitet ist, hilft, mit einem guten Gefühl zu starten. Es nimmt aber auch Druck raus, wenn man merkt: Heute ist nicht mein Tag. Dann hat man die Chance, den Plan für die Prüfung zu ändern und das Beste daraus zu machen.

Plan im Kopf

Aus Angst, nicht mehr zu wissen, was zu tun ist, nehmen viele Reiter ihre Trainer mit zum Turnier. Sind sie dann in der Prüfung auf sich alleine gestellt, werden sie oft unsicher. Routinen geben Sicherheit. Vanessa Klett empfiehlt Reitern, sich für das Abreiten ein Konzept zu überlegen. Ihr Tipp: Diesen Plan vorher aufschreiben, dann hat man ihn besser im Kopf. "Diese Abreit-Routine ist zwar nicht immer umsetzbar”, erklärt sie, "aber genau dann hilft sie uns, auf veränderte Bedingungen einzugehen.” Ein Beispiel: Eine ihrer Kundinnen baut die Ecken der Reitbahn als wichtige Elemente in ihr Abreite-Konzept ein. Auf dem Abreiteplatz standen dann aber in jeder Ecke Blumentöpfe. Weil sie einen Plan hatte, warum sie die Ecken einbaut, wusste sie, dass sie eine andere Lösung finden muss. Sie war der Situation also nicht hilflos ausgeliefert, sondern blieb handlungsfähig. Ihr neuer Plan: Sie kreierte sich ihre Ecken an anderen Stellen. Klingt nach einer banalen Situation, ist aber in der Praxis häufig der Moment, in dem viele Reiter ohne Plan nervös werden und den Kopf in den Sand stecken.

Den Fokus trainieren

Um das Kopfkino zu bremsen, empfiehlt Vanessa Klett Fokus-Übungen. Stell dir dafür eine perfekte Situation vor: Wie sollte die Dressurprüfung idealerweise ablaufen? Wie reitest du im totalen Flow durch den Parcours? Visualisiere diese Situation. Zusätzlich schmückst du deine inneren Bilder mit dem, was du durch andere Sinnesorgane wahrnehmen würdest: Was riechst du? Was fühlst du? Was hörst du? Bleibe 20 Minuten lang in dieser Vorstellung. "Das ist am Anfang anstrengend”, so die Expertin, "wird aber mit jedem Mal leichter.”

Stelle dir ebenso vor, wie du negative Situationen souverän löst. Dein Kopf erlebt so bereits viele Szenarien und ist auf Handlungsmöglichkeiten vorbereitet. Findet solch eine Situation dann in der Realität statt, kannst du dich ganz auf deinen Ritt konzentrieren und deine inneren Bilder werden automatisch abgerufen. Der Fokus wandert so auch nicht zu möglichen, für dich schlimmen Szenarien, da du diese zuvor bereits im Kopf trainiert hast. Angst, Aufregung und Unsicherheiten haben keine Chance, dich negativ zu beeinflussen. Du machst einfach – und dann klappt es auch!