Freispringen schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens ist es Sport und zweitens macht es Spaß. Ja, tatsächlich: In diesem Fall geht das eine auch mit dem anderen!
Freispringen ist Abwechslung für Kopf und Muskeln
Ihr Pferd wird sich über eine Abwechslung zur üblichen Arbeit freuen. Und was gut für seinen Kopf ist, tut auch seinem Körper gut. Denn Eintönigkeit und Routine sind Gift fürs Training: Das Pferd wird einseitig belastet. Unterschiedliche Bewegungsanforderungen dagegen setzen neue Reize und stärken so die Muskulatur.
Das Tolle am Freispringen: Pferde lernen aus eigenem Antrieb. Weil sie ohne Reiter springen, wissen sie, dass sie selbst einen Fehler gemacht haben, wenn sie sich etwa in der Distanz zum Sprung verschätzt haben. Indem sie sich selbst korrigieren und verbessern, gewinnen sie Selbstbewusstsein und werden mutiger.
Für welche Pferde ist Freispringen geeignet?
Freispringen dürfen alle Pferde, wenn es sie nicht überfordert. Prinzipiell gilt: Jedes Pferd, das über Stangen, Cavaletti oder Sprünge gehen soll, muss gesund sein. Doch manchmal ist Freispringen auch für Pferde mit körperlichen Problemen geeignet: Hat das Pferd zum Beispiel Kissing Spines, können niedrige Sprünge ihm helfen, seinen Rücken aufzuwölben und eine tragfähige Muskulatur zu entwickeln. Haben Sie Bedenken, weil Ihr Pferd gesundheitliche Einschränkungen hat, fragen Sie den Tierarzt um Rat.
Junge Pferde ab etwa drei Jahren dürfen zwei- bis achtmal pro Monat ohne Reiter über niedrige Hindernisse springen. Ein gesundes, älteres Pferd sollten Sie langsam an das Freispringen gewöhnen. Auch hier ist es wichtig, das Tier nicht zu überfordern.
Können Sie beim Freispringen etwas falsch machen?
Ja! In vielen Ställen werden Zeiten eingeräumt, in denen die Einsteller ihre Pferde frei springen lassen können. Das ist grundsätzlich eine gute Sache. Doch oft entsteht eine unruhige Atmosphäre, weil mehrere Pferde und viele Personen gleichzeitig in der Halle oder auf dem Platz sind.
Stress und Hektik sind beim Freispringen aber absolut tabu, weil der Trainingseffekt verpufft, wenn das Pferd über die Sprünge hetzt. Auch zu viel Druck und unpassende Abstände zwischen den Stangen und Sprüngen können Ihrem Pferd das Freispringen ziemlich vermiesen.
Doch wenn Sie wissen, worauf Sie achten müssen, können Sie Ihr Pferd bedenkenlos frei springen lassen. Vielseitigkeitsreiterin und Fachbuchautorin Claudia Götz erklärt, wie Sie sich und Ihr Pferd perfekt aufs Freispringen vorbereiten – damit es Ihnen und Ihrem Pferd Spaß macht.
Freispringen ...
• ...sorgt für Abwechslung
• ...fördert Aufmerksamkeit, Lernvermögen und Motivation
• ...kräftigt die Muskulatur
• ...verbessert die Schulterfreiheit
• ...fördert Geschicklichkeit, Koordination und Balance
• ...gibt Selbstbewusstsein und macht mutig
• ...wölbt den Rücken auf
• ...gymnastiziert und lockert
• ...verbessert Technik und Rhythmus beim Springen





Freispringen: Das brauchen Sie






Reithalle oder eingezäunter Reitplatz
Zum Freispringen eignet sich eine Reithalle oder ein eingezäunter Reitplatz. Draußen sollten sich auf den umliegenden Koppeln keine Pferde befinden. So vermeiden Sie Stress und gefährliche Situationen für die anderen Pferde, aber auch für die springenden Tiere. Spiegel in der Halle hängen Sie ab.
Stangen und Cavaletti
Je mehr Stangen Sie zur Verfügung haben, desto besser. Bauen Sie die Sprünge einladend auf: Platzieren Sie die Stangen so, dass Ihr Pferd gut erkennen kann, wo der Sprung am Boden anfängt und wo er in der Luft aufhört. Dann kann es den Sprung besser taxieren. Hilfreich ist es zum Beispiel, direkt unter den Sprung eine Stange auf den Boden zu legen und beim Sprung selbst nicht mit Stangen zu sparen.
Richtige Seite wählen
Die Hindernisse werden entlang der langen Seite aufgebaut. Die Laufrichtung fürs Pferd sollte vom Ausgang wegführen. In der Regel werden die Hindernisse auf der linken Hand gesprungen.
Das hat mit der Händigkeit der Pferde zu tun. Viele Pferde – wie auch wir Menschen – sind Rechtshänder und springen deshalb lieber aus dem Linksgalopp. In einer normal großen Reithalle (20 x 40 Meter) platziert man die Hindernisse so, dass das Pferd noch mindestens 15 Meter nach dem letzten Sprung Platz zum Auslaufen hat, bevor die Ecke kommt.
Hindernisständer
Die Gasse zum Springen trennen Sie mit Hindernisständern ab, die Sie mit Absperrband aus dem Baumarkt verbinden. Bitte verwenden Sie keine Elektrozaun-Litze, -Bänder oder Heuschnüre. Weil diese nicht reißen, wenn Ihr Pferd hineinläuft, können sie schlimme Verletzungen verursachen.
Ziehen Sie die Absperrung vor dem ersten und nach dem letzten Sprung noch ein Stück hinaus.
Tipp: Stellen Sie dazu im Abstand von etwa eineinhalb bis zwei Metern Pylonen auf. So wird das Einfädeln in die Gasse leichter und das Pferd bleibt auch über dem letzten Sprung gerade.
Das richtige Team

Für das klassische Freispringen brauchen Sie ein Team aus drei Personen. Der erste Helfer steht am Anfang der Gasse, der zweite an den Hindernissen und der dritte am Ausgang der Gasse. Jeder "übergibt" das Pferd an den nächsten. Der mittlere Helfer ist mit einer Peitsche mit kurzem Schlag ausgerüstet (Fahrpeitsche), die anderen mit einer Longierpeitsche.
Halfter oder Trense?

Zum Freispringen trägt Ihr Pferd ein Halfter. Wenn Sie das Pferd zur Gasse führen, brauchen Sie einen etwa 80 Zentimeter langen Strick, der am Ende keinen Knoten oder Haken hat. Dann gleitet er beim Loslassen einfach aus dem Halfterring hinaus.
Den Strick nehmen Sie so, dass Sie ein kürzeres und ein längeres Stück in den Händen halten. Das kürzere Stück lassen Sie dort los, wo die Gasse beginnt. Für unerfahrene Pferde sollten Sie jedoch aus Sicherheitsgründen zunächst ein längeres Führseil nehmen. So sind Sie nicht zu nah am Pferd, falls es einen Satz zur Seite macht.
Wie Pferde sehen
Die Stangen sollten sich farblich gut vom Boden abheben. Einfarbige Stangen scheinen schwieriger taxierbar zu sein. Vermutlich setzen sich die gemusterten Stangen besser von der Umgebung ab. Studien haben übrigens gezeigt, dass Pferde Blau und Gelb am besten sehen können.
Pferde sehen mit dem rechten Auge ein anderes Bild als mit dem linken. Bauen Sie die Freisprung-Gasse in einer anderen Laufrichtung auf, nimmt Ihr Pferd diese anders wahr, auch wenn diese dem gewohnten Aufbau entspricht. Wollen Sie die Laufrichtung bzw. die Hand, auf der Ihr Pferd frei springen soll, wechseln, beginnen Sie deshalb zunächst mit einem leichten Aufbau.
Wärmen Sie Ihr Pferd fürs Freispringen auf
Zum Freispringen ziehen Sie Ihrem Pferd Gamaschen an.
Diese schützen seine Beine nicht nur vor Verletzungen, sondern sorgen auch dafür, dass es sich beim Anschlagen gegen eine Stange nicht wehtut. Gamaschen an den Vorderbeinen sollte es daher auf jeden Fall tragen, hinten können Sie bei Bedarf Streichkappen aufziehen. Bei Pferden, die sich in die Ballen oder Eisen treten, sind Sprungglocken sinnvoll.






Aufwärmen vor dem Freispringen
Das Aufwärmen vor dem Freispringen ist extrem wichtig. Bevor Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke Ihres Pferds voll funktionstüchtig sind, muss es mindestens zehn, besser 15 Minuten am Stück Schritt gehen. Das gilt auch für Pferde, die im Offenstall wohnen.
Nach der Schrittphase sollten Sie Ihrem Pferd Gelegenheit geben, sich zu lösen. Sie können es zum Beispiel longieren und zur Vorbereitung aufs Springen über Stangen traben lassen – möglichst weit weg von den aufgebauten Sprüngen oder idealerweise auf einem separaten Longierzirkel.
Die richtige Vorbereitung fürs Freispringen
Bei einem jungen oder unerfahrenen Pferd legen Sie anfangs nur eine Stange auf den Boden.
Führen Sie das Pferd an der Hand über die Stange, erst im Schritt, dann im Trab. Nach und nach legen Sie weitere Stangen dazu oder ersetzen die Stange durch ein Cavaletti.






Anfangs bauen Sie keine Hindernisse auf
Lassen Sie Ihr Pferd durch die leere Gasse laufen und üben Sie dabei die Abstimmung mit Ihren Helfern. Jeder von Ihnen sollte darauf achten, sich langsam zu bewegen und das Pferd nicht mit seiner Körpersprache auszubremsen. Dafür zeigt Ihr Bauchnabel in die Bewegungsrichtung des Pferds.
Sie leuchten quasi mit Ihrem Körper wie ein Scheinwerfer den Bereich vor dem Pferd aus. Springt es auf der linken Hand, treiben Sie, wenn nötig, vorsichtig mit der Peitsche in der rechten Hand. Mit Ihrer linken Hand können Sie dem Pferd den Weg zeigen. Üben Sie den Umgang mit der Peitsche. Auf Höhe der Sprunggelenke wirkt sie treibend, in Richtung Schultern nach außen drückend. Vermeiden Sie es, das Pferd mit der Peitsche zu berühren. Am Ein- und Ausgang der Gasse setzen Sie die Peitsche wegweisend statt treibend ein.
Achten Sie darauf, nur so viel Druck auszuüben wie nötig. Ihr Pferd soll entspannt durch die Gasse laufen. Ist das Tempo zu hoch, leidet die Springmanier und der Trainingseffekt ist gleich null.
Pausen müssen sein
Nach jedem Durchgang halten Sie Ihr Pferd an und lassen es kurz zur Ruhe kommen. Loben Sie es oder bieten Sie ihm ein Leckerli zur Belohnung an. Das Ausbremsen kann die Person in der Mitte übernehmen, indem sie dem Pferd den Weg abschneidet. Gehen Sie dazu rechtzeitig in die Hallenmitte, damit Sie nicht auf Ihr Pferd zurennen müssen.
Klappen ein paar Durchgänge in der leeren Gasse, legen Sie zunächst eine Stange in die Gasse, dann bauen Sie ein Cavaletti auf. Hat Ihr Pferd beides gemeistert, reicht das für den ersten Tag!
So starten Sie ins Freispringen
Berücksichtigen Sie beim Aufbau die Größe des Galoppsprungs. Für Warmblüter werden pro Galoppsprung etwa drei Meter angesetzt.
Am besten messen Sie den Galoppsprung Ihres Pferds aus: Reiten Sie es auf dem Platz oder in der Halle warm. Dann lassen Sie einen Helfer eine lange Seite glattziehen. Reiten Sie danach im Arbeitsgalopp einmal die lange Seite entlang.






Höhere Hindernisse = mehr Abstand

Nun können Sie den Galoppsprung ausmessen, damit Sie wissen, in welchem Abstand Sie die Stangen und Sprünge für Ihr Pferd aufbauen sollten.
Auch wichtig: Ausgehend von einem Galoppsprung von drei Metern, rechnet man für Absprung und Landung jeweils einen halben Galoppsprung. Je höher die Sprünge sind, desto größer müssen die Abstände werden, da das Pferd die Flugkurve nicht nur erhöht, sondern auch verlängert.
Anforderungen langsam steigern

Abstände für ein mittelgroßes Pferd (etwa 160 Zentimeter Stockmaß): Trabstangen: 1,20 bis 1,50 Meter, In-out: ca. 3 Meter, Kombination mit einem Galoppsprung: ca. 7 Meter, Kombination mit zwei Galoppsprüngen: ca. 10 Meter
Für den ersten Durchgang bauen Sie einen niedrigen Steilsprung und davor mit einem Galoppsprung Abstand ein Cavaletti auf. Allmählich können Sie In-out-Folgen dazunehmen oder aus dem Steilsprung einen Oxer bauen.
Steigern Sie die Anforderung immer erst nach zwei bis drei erfolgreichen, flüssig gesprungenen Durchgängen. Eine Sprunghöhe von 80 Zentimetern reicht aus. Zur Gymnastizierung und zum Muskelaufbau kommt es nicht auf die Höhe des Sprungs an, sondern darauf, wie das Pferd über den Sprung geht.
Schulen Sie Ihren Blick
Nutzen Sie die Gelegenheit, die Bewegungen Ihres Pferds vom Boden aus beobachten zu können. Vergleichen Sie seine Springmanier mit der anderer Pferde. Wenn Sie wissen, worauf Sie achten müssen, können Sie besser beurteilen, was Ihr Pferd schon gut kann und was es noch lernen muss.
Sie können die Sprünge mit einfachen Mitteln anders gestalten, um Ihrem Pferd Abwechslung und neue Reize zu bieten. Simulieren Sie zum Beispiel einen Wassergraben, indem Sie eine Plane unter einen Oxer legen. Oder hängen Sie eine Decke über einen Steilsprung, damit er wie eine Mauer wirkt.
Lassen Sie Ihr Pferd dauerhaft nicht öfter als einmal die Woche frei springen. Achten Sie darauf, dass es für Ihr Pferd nicht zu anstrengend wird. Maximal sechs Durchgänge der endgültigen Reihe, die höchstens noch in der Höhe oder in den Abständen verändert wird, sind neben einigen Aufwärmsprüngen genug. Beenden Sie das Training, bevor das Pferd keine Lust mehr hat, wenn es schwer atmet oder seine Körperspannung nachlässt.
Der perfekte Sprung
- Das Pferd bewegt sich geschmeidig auf den Sprung zu und galoppiert danach locker weiter.
- Es zieht den Sprung an, anstatt sich davor zu verhalten.
- Es springt passend ab, also weder zu früh noch zu spät.
- Es macht sich über dem Sprung rund, anstatt den Rücken wegzudrücken.
- Es winkelt das Vorderbein im Ellenbogen und Karpalgelenk an.
- Bei der Landung macht es die Hinterbeine nach hinten auf, anstatt sie unter den Bauch zu ziehen.