Ein hübscher Fuchs mit Blesse platziert sich neben der Videokamera, schaut die Besucherin an, spitzt die Ohren. Los geht‘s durch ein Tor und auf den Rundweg über das Hofgelände. Das Pferd begleitet die CAVALLO-Redakteurin bei der Runde durch den Aktivstall Schönwaldau. Es scheint, als führe der Wallach sie über die Anlage, indem er demonstriert, wie die Schleuse zur Koppel funktioniert und was es auf dem Gelände alles zu sehen gibt. Er untersucht ein Heunetz an einem Baum und wirbelt eine Plastikflasche, die er in einem Autoreifen entdeckt, durch die Luft.
In dem 5-Sterne-Aktivstall der Laufstall Arbeitsgemeinschaft (LAG) von Claudia und Ulrich Schwerber dürfen die Tiere auf rund 12 Hektar nach Herzenslust laufen, entdecken und rund um die Uhr an frischen Ästen, Stroh oder Heusäcken nagen. In den Baumwipfeln rund um den Aktivstall klimpern Klangspiele, Bälle, Autoreifen oder Heukissen laden zum Spielen ein.
„Ich wollte schon immer einen eigenen Stall haben“, sagt Pferdefachwirtin Claudia Schwerber. Ihren Mann, der von Kindesbeinen an Pferde besitzt, konnte die 36-Jährige schnell von ihrem Traum überzeugen. Damit dieser wahr wurde, brauchten Schwerbers jedoch noch einige Jahre Geduld, bis das Ehepaar im Jahr 2010 die renovierungsbedürftige Reitanlage „Schönwaldau“ in Rödermark, 25 Kilometer von Frankfurt am Main entfernt, übernahm. „Wir hatten die Anlage schon länger im Visier. Die Infrastruktur mit der Nähe zur Großstadt und gleichzeitig die landschaftliche Idylle empfanden wir als nahezu perfekt“, erzählt die nebenberufliche Landwirtin. „Die Reitanlage selbst konnten wir schließlich nach unseren Vorstellungen umbauen.“ Ein Jahr dauerte die Sanierung, bis der Aktivstall bewohnbar war.
Stillstand, das ist hier nicht gewünscht. „Wir gewinnen immer wieder neue Erkenntnisse aus dem Verhalten der Tiere. Pferde inspirieren auf ihre Art jeden Tag aufs Neue“, sagt Claudia Schwerber. Pferdeboxen gibt es nur für Neulinge oder kranke Tiere, die sich nicht bewegen dürfen. Wer gesund auf den Beinen ist, muss laufen. „Wir bieten den Pferden möglichst weit auseinander liegende Bewegungsanreize wie Futterautomaten und verschiedene Funktionsbereiche.“ Durch das Einbahn-Torsystem gibt es keine Abkürzungen. „So bleibt unsere Herde über den Tag verteilt stetig in Bewegung.“ Unterschiedliche Untergründe mit Sand, Kieseln oder Naturboden machen die Tiere trittsicher.
Mit dem 500 Meter langen Rundweg, dem Track, ist das Aktivgelände so konzipiert, dass die Pferde schauen und erkunden können. Claudia Schwerber: „Sie stehen nicht in einer Ecke des Hofs, sondern sind über ihren Aktiv-Rundweg ins Hofgelände integriert. 365 Tage im Jahr.“ Das überzeugte auch die Jury des 11. Internationalen Stallwettbewerbs der LAG: Sie zeichnete Familie Schwerber 2013 mit einem Sonderpreis für besonders intensive Bewegung in der Pferdehaltung aus.















Clickertraining im Aktivstall Schönwaldau
Direkt an den Aktivstall Schönwaldau grenzen weitläufige Koppeln. Sobald es die Witterung zulässt, sind sie frei zugänglich. „Je nachdem, wo sich die Pferde befinden – ob auf der schattigen, mageren Waldkoppel oder auf der hochgelegenen Sonnenkoppel – können sie sich über einen weiten Blick zur umgebenden Landschaft freuen“, sagt Claudia Schwerber. Weil die Pferde zum Wasser trinken oder Kraftfutter abrufen immer wieder in das Aktivgelände kommen müssen, wird ihre Bewegung stets vorangetrieben. Kleine Extras wie die Klangspiele, eine Vogelscheuche, Plastikplanen oder ein Vorhang aus Plastikflaschen laden die Pferde zum Entdecken ein und regen das Köpfchen an.
Sie alle hören auf Click: Mittels Clickertraining, bei dem erwünschtes Verhalten mit einem Clickgeräusch und Leckerli belohnt wird, führt Claudia Schwerber neue Zöglinge an Futterstationen und Schleusen sowie ungewöhnliche Gegenstände heran. Das beeinflusst gleichzeitig die Beziehung von Mensch und Pferd, aber auch das Reiten positiv. „Auf ihrer eigenen Anlage sehen und hören unsere Pferde Dinge, die ihnen auch auf einem Ausritt begegnen könnten und nehmen sie als alltäglich war.“
Schwerbers Kaltblutwallach Bolero demonstriert, wie das funktioniert: Spielerisch beißt der Rappe in den von der Stalldecke baumelnden Vorhang aus Plastikflaschen, bevor er hindurch spaziert und einen grünen Spielball beschnuppert. Vor dem Stall klappert es: Ein Pony hat einen kleineren Ball entdeckt, der mit Leckerli gefüllt ist. Ein Fuchs und ein Brauner stecken ihre Köpfe in einen von zwei sogenannten „Pferde-Kongs“. Das sind Wannen mit einer Abdeckung, die Pferde von allen Seiten anheben und in drei unterteilten Fächern nach Lecksteinen und auch mal kleinen Leckereien forschen können. Eine Ecke weiter beschäftigt sich ein Trio mit frischen Ästen, daneben zerrt ein Pony ein Heukissen über die Anlage.
Alle Tiere wirken ausgeglichen, Zankereien gibt es kaum, da die Anlage überall pferdegerechte Anreize und jedem Pferd rund um die Uhr Beschäftigung bietet. Parallel trainieren die Vierbeiner automatisch ihre Ausdauer. „Das Gesamtpaket sorgt für merklich mehr Ausgeglichenheit“, beobachtet Claudia Schwerber und zeigt auf einen Vollblüter: „Der war extrem ängstlich. Trotz aller Liebe und Fürsorge seiner Besitzer ließ der Wallach seine Seele erst mit dem Einzug in unseren Aktivstall baumeln. Dank der vielen Anreize hier überwand er schnell seine Furcht und entwickelte sich zu einem geländesicheren Freizeitpferd.“
Doch warum gibt es hier nur Wallache? „Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, erklärt die Betriebsleiterin. „Unsere Herde ist trotz buntem Rassemix sehr harmonisch.“ Die coole Männerwelt haben Schwerbers bedacht zusammengestellt. Neulinge werden möglichst zu zweit integriert und kommen vorerst nebeneinander in einer Integrationsbox mit Paddock unter. Vorteil: Durch das gemeinsame Eingewöhnen konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Herde nicht nur auf ein Tier und das Eingliedern verläuft entspannter. Ist kein zweiter Neuling da, kommt ein älteres Herdenmitglied dazu. Bewegung wünschen Schwerbers, Hektik nicht.
Genügend Ruhezonen gibt es für die gesamte Herde im Aktivstall: Alle Funktionsbereiche sind durch möglichst lange Wege voneinander getrennt; so gibt‘s wenig stressiges Gedrängel und jedes Pferd bekommt den Individualabstand zu seinen Artgenossen, den es wünscht. Ein großzügiger Separationsbereich mit Unterstand und freier Heuaufnahme bietet eine weitere Chance, sich etwas aus der Gruppe zurückzuziehen. Die Hofbetreiber legen gemeinsam mit dem Pferdebesitzer fest, welches Pferd Zugang zu diesem Separationsbereich hat. Türsteher ist der Computer. Der PC checkt an einer Schleuse, ob das spezielle Pferd Zutritt bekommt. Computergestützte Rau- und Zusatzfutterstationen gewährleisten eine Fütterung von bis zu 24 Mal am Tag. Mittels Transponder werden die Pferde an den jeweiligen Stationen erkannt und können ihre individuelle Futterration selbstständig abrufen. Alle Stationen sind so ausgelegt, dass die Tiere ihr Futter in der natürlichen Fresshaltung aufnehmen. „Probleme mit Koliken haben wir im Aktivstall damit nicht“, sagt Claudia Schwerber.
Und wie geht‘s weiter? Aktuell ist die Anlage mit derzeit 12 Pferden bis auf einen Platz belegt. „Wir finden, dass diese Tiere eine perfekte Gruppe bilden“, sagt Claudia Schwerber. Ein Pferd vermisst das Paar noch. „Wir suchen einen Kaltblüter, damit unser eigener nicht alleine ist“, wünscht sich die 36-Jährige und wirft einen Blick auf ihren Rappen. Der schmust gerade mit zwei Vollblütern. Von wegen alleine. Dennoch: Zwischen echten Pferdefreunden muss es funken. Zu ihrem Kaltblüter Bolero passt am besten seinesgleichen, findet Claudia Schwerber. „Voll- und Kaltblüter bewegen sich anders“, sagt sie. Was sie damit meint, wird deutlich, als die Herde von der Koppel Richtung Stall wandert: Während seine hochblütigen Kollegen schon an der Doppeltränke vor dem Stall Wasser schlürfen, klappert Kaltblut Bolero mit großem Abstand hinterher.
Der Rappe gesellt sich zu der Besucherin mit der Videokamera. Neben der ist nun ein Platz frei. Der Fuchs, der sie durch den Aktivstall Schönwaldau begleitete, frisst gerade Kraftfutter.





Eckdaten
Kontakt: Schönwaldau,
Claudia Schwerber,
63322 Rödermark
www.schoenwaldau.de
Haltung: 5-Sterne-Aktivstall (LAG)
Anlage: Allwetter-Reitplatz (20 x 40 Meter), Putz- und Waschplätze, beheizbare Sattelkammer, Hängerstellplätze (5 Euro pro Monat)
Preis: 330 Euro inklusive Raufutter, Kraftfutter und Mineralfutter sowie Benutzung der gesamten Anlage.
Freie Plätze: einer (für einen Kaltblutwallach); reine Wallachherde.
Das Video zum Artikel gibt es unter: www.cavallo.de/stallrunde














