In Herbst und Winter steigt die Gefahr für Pferde, an atypischer Weidemyopathie zu erkranken. Aktuell ist die Gefahr besonders hoch, denn die Stürme der vergangenen Wochen haben die Samen des Bergahorns massenhaft fallen lassen, warnt aktuell die "Atypical Myopathy Alert Group" (AMAG), ein Zusammenschluss von Tierärzten, Forschern und Pferdebesitzern. 2014 auf Initiative der Tiermedizinischen Fakultät der belgischen Universität Lüttich gegründet, sammelt die AMAG Fälle von Atypischer Weidemyopathie. Die Zahl der Fälle nehme aktuell weiter zu. "Leider scheint in diesem Herbst die Sterblichkeitsrate besonders hoch zu sein", so die AMAG.
Pferdebesitzer sollten folgende Punkte beachten, um ihre Pferde zu schützen, rät die Warn-Gruppe:
- den Zugang zu Weiden mit Bergahorn-Samen vermeiden (oder die Weide abgrenzen, um Bereiche zu vermeiden, in denen Samen in großer Zahl vorhanden sind)
- die Weidezeit auf einige Stunden pro Tag beschränken (die meisten betroffenen Pferde weiden mehr als 6 Stunden pro Tag). Falls möglich, die Pferde füttern, bevor Sie auf die Weide kommen
- regelmäßig Zusatzfutter wie Heu, Stroh, Kraftfutter, Hafer, usw. füttern (Heu sollte von Bergahorn-freien Wiesen gewonnen werden)
- einen Salzstein zur Verfügung stellen (idealerweise angereichert mit Vitaminen und/oder Mineralien);
- Zugang zu Leitungswasser schaffen
- Kein Futter (Heu o.ä.) auf den Boden legen
Pferdebesitzer können Fälle der Atypischen Weidemyopathie unter folgendem Link melden: AMAG-Meldeportal
Was ist Atypische Weidemyopathie beim Pferd?
Sinkende Temperaturen lassen die giftigen Samen von Ahornbäumen fallen. Fressen Pferde diese Samen, könnten sie erkranken. Wenn Atypische Weidemyopathie auftritt, gibt es nur selten die Chance auf Heilung: Die Atypische Weidemyopathie verläuft für betroffene Pferde oft tödlich. Die meisten Tiere erkranken zwischen Oktober und Januar. Die Atypische Weidemyopathie (AM) ist eine Erkrankung, die Muskelzellen zerstört und nach neuesten Erkenntnissen eine wichtige neurotoxische Komponente hat. Was die Krankheit auslöst, war lange ein Rätsel. Erst 2013 kamen Wissenschaftler einer Ursache auf die Spur: Sie fanden die toxische Aminosäure Hypoglycin A (HGA) im Samen von Bergahorn.
Nun ist klar, das mit Methylenecyclopropylglycin (MCPrG) ein zweites Toxin mitverantwortlich ist. "Dieses wirkt ähnlich wie HGA, vermutlich sogar stärker und zudem neurotoxisch", sagt Dr. Mandy Bochnia. Die Tierärztin forscht zur Atypischen Weidemyopathie. HGA ist offenbar eher ein Begleittoxin; Hauptquelle der Vergiftung ist wohl MCPrG. "Gerade bei schwerwiegenden Fällen war der Anteil der Metabolite dieses Toxins im Blut und/oder Urin erkrankter Pferde höher." Beide Toxine finden sich in Samen und Setzlingen des Bergahorns. "Im ersten Keimblattstadium mit zwei Keimblättern sind diese Toxine in hohen Konzentrationen enthalten."
Feld- und Spitzahorn sind zwar ebenfalls verdächtig; aber die Konzentrationen an HGA ist wesentlich niedriger. Die Fälle, die Dr. Bochnia hatte, waren stets durch Bergahorn verursacht.
Was löst Atypische Weidemyopathie aus?
Der Bergahorn (Acer pseudoplatanus) gilt als die häufigste Ahornart Mitteleuropas. Typisch sind fünflappige Blätter, die zirka 8 bis 15 Zentimeter groß sind; die Flügelfrüchte mit Samen sehen aus wie Nasenzwicker (rechtwinkelig). Die Samen drehen sich wie kleine Propeller und können vermutlich bis zu hundert Meter weit fliegen. So ist es möglich, dass kein Baum auf einer Weide ist, aber trotzdem Samen auf dem Boden liegen. So ein Fall ist auch Dr. Mandy Bochnia bekannt: Dort grasten Pferde auf einer Weide, in deren Umgebung es nur einen Bergahornbaum gab – der stand 60 Meter entfernt im Garten eines Wohnhauses. Seine Samen reichten aus, um ein Pferd zu vergiften.
Eine weitere Tücke: Ahornsamen und -setzlinge weisen zum Teil sehr unterschiedliche HGA- und MCPrG-Konzentrationen auf. Deshalb ist es schwer zu sagen, welche Menge für Pferde kritisch ist. "Es ist möglich, dass eine Handvoll Samen genauso giftig ist wie tausend Samen", so Dr. Bochnia.
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