CAVALLO-Exterieur-Coach: Fohlenbeurteilung
CAVALLO Exterieur-Serie: Fohlen beurteilen

Fohlen sind wie Wundertüten: Man weiß nie, was drinsteckt. Mit ein paar Tricks lüften Sie das Geheimnis.

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Foto: Rädlein

Halten Sie Fohlen für knuddelige Wesen, die ganz anders aussehen als ein Pferd? Dann schauen Sie mal in die moderne Warmblutzucht: Hier sehen viele Fohlen aus wie Reitpferde im Miniaturformat. „Gebiß reinschieben und losreiten“, kommentiert Gert Gussmann, 54, Zuchtleiter in Baden-Württemberg, die besonders gelungenen Exemplare. „Hätte der Löwe selektiert, würden sie vielleicht anders aussehen. Aber so hat sich der Mensch auf günstige Merkmale für den Reitzweck konzentriert.“ Daher verrät bereits der Körper eines Fohlens, was in drei oder vier Jahren dem Reiter Freude und Sorge bereiten wird. Auf was Sie dabei achten müssen, verrät Gert Gussmann anhand von sieben Fohlen auf den folgenden Seiten.

Die grundlegende Konstruktion des
Skeletts, also die Winkel in Vor- und Hinterhand, bleiben ein Leben lang unverändert. Erhalten bleibt auch der Takt: Ein Fohlen, das taktrein neben der Mutter läuft, wird das auch als Reitpferd tun (falls es nicht falsch ausgebildet wird). Hat ein Fohlen Taktprobleme, wird es dieses Handicap ein Leben lang behalten.

Was sich ändert, sind die Proportionen in Höhe und Länge. Fohlen wachsen stärker in die Länge (vom Buggelenk bis zum Sitzbeinhöcker) als in die Höhe (Stockmaß). Das heißt: Hat ein Fohlen bereits einen langen Rücken, wird er beim erwachsenen Pferd noch länger sein. Ein Fohlen soll deshalb idealerweise die Form eines Hochrechtecks haben. Sie garantiert, daß es auch später als Reitpferd gut proportioniert ist.

Wenn Sie ein Fohlen bewerten, sollten Sie außerdem nach Möglichkeit die Mutter anschauen und auf ihren Körperbau und ihr Verhalten achten. Als Faustregel gilt: Ein Fohlen erbt zu 50 Prozent die Gene der Mutter und zu 100 Prozent ihr Verhalten.

Fix im wachsen

Ein Fohlen wächst in den ersten sechs Monate am stärksten und erreicht fast Maße und Gewicht des erwachsenen Pferds. Es nimmt pr Tag rund in Kilo zu und streckt sich in die Länge.

Gert Gussmann

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Rädlein

Gert Gussmann, 54, ist Zuchtleiter für die Reitpferdezucht in Baden-Württemberg, gehört zur Körkommission und berät Züchter über die geeignete Paarung von Hengst und Stute. Pro Jahr beurteilt er das Exterieur von etwa 600
Fohlen und 300 Jungpferden auf Turnieren und Championaten. „Manche Fohlen begeistern einfach nur. An die erinnert man sich und freut sich
endlos, wenn sie Jahre später bei Championaten oder bei der Körung vorne mitlaufen.“

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Das Dressurtalent

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Rädlein

Eindruck

Schön modelliertes Fohlen mit natürlicher Aufrichtung. Modelliert bedeutet, daß man deutlich die Muskeln und Adern unter der Haut sieht. Steht im erwünschten hohen Rechteck.

Prognose

Vom Körperbau steht nichts seiner Entwicklung als Dressurpferd im Weg.

Hals

Gut nach oben aufgesetzt (1). Natürliche Aufrichtung (2); schön geschwungener Halsbogen (3). Das erleichtert dem Reiter, das Pferd später ans Gebiß zu reiten.

Schulter

Kleines Manko, denn die ist „knapp“. Das heißt, die Schulter ist steil (4), der Oberarm ist kurz (5). Daraus kann theoretisch nur wenig Raumgriff kommen, auch wenn es immer wieder Ausnahmen gibt.

Widerrist

Reicht lang in den Rücken hinein (6). Gute Sattellage. Damit tut sich das Pferd leichter, Sattel und Reiter auszubalancieren.

Oberlinie

Besonders schön ist der Übergang (7) vom Rücken zur Kruppe. Das bietet einen Vorteil beim Reiten: Die Hinterhand kommt in der Bewegung mit.

Fesseln

Lange Fesseln (8) wie hier sind bei Fohlen erwünscht. Sie dürfen auch steiler als die beim erwachsenen Pferd optimalen 45 Grad sein, denn Fohlenfesseln senken sich noch.

Hinterhand

Relativ steil. Das kann auf wenig Bewegungsmöglichkeit deuten.

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Dressurpferd mit viel Adel

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Rädlein

Gesamteindruck

Wunderschönes und plastisches Fohlen, das ungeschickt aufgestellt ist. Ansprechender wären ein aufgerichteter Hals und ein interessierter Blick. Wenn der Vorführer mit einem Ästchen wedeln würde, könnte sich das Fohlen besser präsentieren.

Prognose

Das wird ein Reitpferd mit viel Adel, bestimmt ein Dressurpferd. Generell brauchen Dressurpferde einen korrekteren Körperbau und mehr anatomische Voraussetzungen als Springpferde. Die können mit ihrem Willen und ihrer inneren Einstellung viele körperlichen Fehler wett machen.

Gesicht

Hübsch mit wunderschönem Auge (1).

Hals

Schön, lang und geschwungen (2). Das kommt dem Reiter entgegen.

Schulter

Groß, lang und schräg (3). Vermutlich hat das Fohlen raumgreifende Bewegungen.

Widerrist

Lang und deutlich (4), damit gute Sattellage.

Hinterhand

Gut gewinkelt. Kann sich positiv auf Schubkraft und Versammlungsfähigkeit auswirken.

Röhren

Etwas zu lang (6). Das Sprunggelenk ist hoch über dem Boden. Ein eher tiefes Sprungelenk ist erwünscht, weil das eine kürzere Sehne bedeutet, die als
weniger anfällig gilt. Außerdem bedingt eine lange Röhre meist einen kürzeren Unterschenkel. Damit wird die Hebelkraft kleiner. Pferde mit langen Röhren schieben gerne beim Laufen ihre Hinterbeine nach hinten und bekommen weniger Gewicht unter den Schwerpunkt.

Sehnen

Deutlich zu sehen (7). Das Fundament, also die Beine, sollen trocken sein (Gelenke und Sehnen deutlich sichtbar). Das Fundament muß den Reiter gut abfedern und dabei gesund bleiben. Voraussetzung dafür ist ein markanter Sehnenapparat.

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Das Military-Modell

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Rädlein

Eindruck

Eine Persönlichkeit, an die man sich erinnern wird. Das Fohlen guckt jetzt schon stolz in die Welt. Man sieht sofort den Vollblutanteil. Nur das zu große Halfter entstellt den feinen Kopf. Mit seinen acht Tagen wirkt es natürlich noch wackelig.

Prognose

Vielleicht ein Buschpferd, also einer für den Vielseitigkeitssport. Der kleine Kerl hat alle Voraussetzungen für eine raumgreifende Galoppade, dazu die Aufrichtung, die gerade bei Bergabsprüngen für den Reiter wichtig ist: Dann hat er noch Schulter und Hals vor sich.

Hals

Wunderschön aufgesetzt (1) und gut lang.

Auge

Großes, ruhiges Auge (2). Das gilt als Zeichen für Intelligenz, bewiesen ist es nicht.

Schulter

Riesig und schräg (4) für gute Kraftübertragung. Langer Oberarm, der dem Vorderbein weiten Raumgriff ermöglicht.

Widerrist

Reicht lang und deutlich in den Rücken (7). Gute Sattellage.

Hinterhand

Sehr gut gewinkelt (5). Das ist die Voraussetzung für eine gute Mechanik – ein steifer Stock kann schließlich nicht federn. Man kann davon ausgehen, daß diese Winkel auch beim erwachsenen Pferd bleiben.

Sprunggelenke

Negativ sind die Hasenhacken (6). An der hinteren Fläche unter dem Sprunggelenk macht der Knochen einen Bogen nach außen. In der Belastung gilt eine Hasenhacke als anfälliger.

Konstruktion

Das Fohlen ist ungeschickt aufgestellt. Man kann aber ahnen, daß die Linien der Schulter und der Hüfte beide nach oben verlängert aussehen wie ein Hausdach. Die Spitze trifft sich über dem Schwerpunkt des Pferds. Sie liegt idealerweise in der Mitte der Sattellage. Das ist hier der Fall.

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Das Sorgenkind

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Rädlein

Gesamteindruck

Die Anatomie läßt keinen Platz für einen Sattel zu. Es gibt kaum Fohlen, die zu kurz im Rücken sind, aber dies ist eine Ausnahme: Der Widerrist ist lang und endet schon kurz vor den Nieren.

Prognose

Weil der Sattel hier keinen Platz hat, empfehle ich, das erste Aufsatteln oder Einreiten unter tierärztlicher Beobachtung zu machen. Wehrt sich dieses Pferd, kann das an Schmerzen liegen. Eventuell müssen Tierarzt und Ausbilder dem Besitzer klarmachen, daß dieses Pferd nicht zum Reiten geeignet ist.
Natürlich ist man vor keiner Überraschung sicher, auch nicht vor einer positiven. Aber dieses Fohlen macht vom Exterieur her Kummer.

Hals

Kurz und gerade (1).

Widerrist

Geht tief in den sehr kurzen Rücken.

Oberlinie

Kurze und stramme Oberlinie (3). Die Anatomie gibt dem Sattel keinen Platz. Der würde auf die Nieren drücken. Der kurze Rücken erlaubt zudem keine schwingenden Bewegungen. Wahrscheinlich trabt das Fohlen wie unter einem Brett.

Schulter

Kurz und steil (2), wahrscheinlich wenig Bewegung möglich.

Gelenke

Kaum ausgeprägt und schwammig. Schwammige Sprunggelenke haben häufig einen Piephackenansatz, der hier zu erahnen ist (4). Eine Piephacke gilt meist als Schönheitsfehler.

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Das Schritt-Spazierreitpferd

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Rädlein

Gesamteindruck

Fohlen mit anatomischen Problemen, die den Reiter mehr behindern als unterstützen.

Prognose

Ein Pferd zum gemütlichen Geländeritt oder ein Kutschpferd. Von einem Fahrpferd für den Sport möchte ich nicht sprechen, denn die brauchen genau wie Dressurpferde viel Gang.

Hals

Wölbt sich in die falsche Richtung (1). Eine solche Halsung macht erfahrungsgemäß Probleme beim Reiten. Das Fohlen neigt jetzt schon zu einer absoluten (falschen) Aufrichtung, wenn es beim Laufen den Hals wie eine Fahnenstange trägt. Streckt das Pferd später beim Reiten den Kopf nach oben, kann der Rücken darunter leiden.

Widerrist

Gut ausgeprägt, gute Sattellage.

Schulter

Steil (3); der Oberarm ist kurz. Aus einem kurzen Oberarm kann theoretisch keine große Bewegung kommen.

Hinterhand

Kruppe und Oberschenkel sind kurz, die Unterschenkel lang. Daraus kann die Hebelwirkung schlecht funktionieren. Der Muskelansatz (5) ist etwas zu hoch, was auch für eine schlechte Kraftübertragung spricht. Schwungvolle, raumgreifende und federnde Gänge kann man von solchen Pferden kaum erwarten.

Oberlinie

In der Nierenpartie gestört (6). Die Kruppe hängt nicht mit dem restlichen Rücken zusammen. Das macht es beim Reiten schwer, das Pferd zusammenzuhalten, also unter den Schwerpunkt treten zu lassen.

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Springpferd in spe

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Rädlein

Gesamteindruck

Ideal trotz knapper Schulter. Schön bemuskelt.

Prognose

Das Fohlen hat Points, also Merkmale, für ein Springpferd: Sein Widerrist ist kurz. Das stört einen Springreiter nicht so dramatisch. Der flache Hinterhandwinkel kommt dem Springen entgegen. Ein Pferd mit starker Winkelung hat es oft schwer, sein Hinterbein komplett beim Absprung zu strecken.

Hals

Schöner Bogen (1). Ein solcher Hals ist beim Reiten unkompliziert. Das Pferd wird leicht durch das Genick treten. Hals und Schulter sind gut verbunden; dadurch wird das Vorderteil nicht wackeln, sondern stabil bleiben. Dadurch fallen dem Pferd Gleichgewicht und Takt leichter.

Gesicht

Hübsch und ausdrucksvoll (Stute). Man möchte in jedem Fall das Geschlecht schon beim Fohlen am Kopf erkennen.

Schulter

Knapp und steil. Die Knochen sind kurz (2 und 3). Das kann den Raumgriff beeinträchtigen, weil das Vorderbein nicht so weit nach vorne greifen kann.

Muskelansatz

Besonders schön an den Hinterbeinen (4), der bis unter das Knie reicht. Je tiefer der Muskel reicht, desto größer ist die Hebelwirkung der Knochen, die der Muskel betätigt.

Fesseln

Steil (5), aber innerhalb der Toleranzgrenze, weil sie sich in den nächsten Jahren noch senken.

Oberlinie

Die Hinterhand ist deutlich überbaut (höher als die Schulter), was ein gutes Zeichen für Wachstum ist. Fohlen, die sehr harmonisch aussehen, hören oft auf zu wachsen.

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Nichts für schwache Reiter

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Rädlein

Gesamteindruck

Steht knapp im hohen Rechteck. Hinkt dem Höhenwachstum etwas hinterher. Der Hals ist nicht optimal. Sonst habe ich keine Kritik.

Prognose

Eher ein Dressurpferd.

Hals

Recht gerade, wenig Schwung (1), leicht angedeuteter Unterhals (2). Dieses Pferd braucht einen guten Reiter, damit sich sein Hals nicht falsch entwickelt (Muskeln am Unterhals).

Gesicht

Ausgesprochen schönes Gesicht mit einem großen Auge.

Gelenke

Deutlich ausgeprägt und konturiert (trocken, 3). Ein gutes Zeichen. Manchen Fohlen laufen die Beine an, wenn die Mutter rossig ist. Das ist nicht schlimm. Gallen und dauerhaft schwammige Gelenke sind jedoch bei Fohlen nicht zu tolerieren.

Hinterhand

Gut gewinkelt, daraus kann Kraft kommen.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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