Furchtbar, wie diese Zwei schon wieder aneinander kletten! Zugegeben, über den besten Freund unseres Pferds freuen wir uns nicht immer: Es nervt, wenn der dicke Kumpel versucht, sich mit durchs Koppeltor zu drängeln – oder die Pferde sich lautstark hinterher wiehern. Warum sollte man dafür Verständnis haben und Freundschaften unter Pferden gar noch fördern wollen?
Weil es ums Wohlergehen unserer Pferde geht! Die Tiere profitieren unglaublich stark von vierbeinigen Freunden. Enge Bindungen machen Pferde gelassener, glücklicher und gesünder. Das zeigen neue Forschungen und Erfahrungen von Verhaltensexperten.
Und auch Reiter profitieren übrigens ganz direkt von Pferdefreundschaften – etwa beim Training. Wie, verraten wir später. Erst einmal geht’s um das spannende Beziehungsgeflecht unter Pferden, das Wissenschaftler aktuell immer intensiver ergründen.
Die Gemeinschaft ist für Pferde elementar
Über 25 Millionen Jahre prägte das Leben als Herdentier sie auf Kontakt und Nähe. Gemeinschaft war für Pferde überlebenswichtig. Sie gewann für die Tiere noch an Bedeutung, als sie vom Wald in die offene Steppe zogen. Dort konnten sie sich nicht mehr vor Feinden verstecken.
„Die Herde bot den Fluchttieren Sicherheit und erhöhte die Überlebenschancen“, sagt Pferdeethologin Dr. Margit Zeitler-Feicht von der Technischen Universität München-Weihenstephan.
Dieses ursprüngliche Bedürfnis nach sozialen Kontakten ist bei unseren Hauspferden noch tief verankert: Ohne die Gesellschaft von Artgenossen können Pferde gar nicht artgerecht leben. Und die Tiere fühlen sich noch deutlich wohler, wenn sie innerhalb einer Gruppe auch einen Freund finden. Das wurde bisher unterschätzt.
Tatsächlich sind enge Beziehungen zwischen einzelnen Pferden nicht nur gut für die individuellen Tiere, sondern auch für die komplette Gruppe – was gerade in der modernen Offenstallhaltung wichtig ist.
Freundschaften hemmen Aggressionen gegenüber anderen Pferden
Ein guter Freund stimmt Pferde friedlicher, beobachten Forscher. „Enge Zweierbeziehungen können sich sogar positiv auf den Zusammenhalt der ganzen Herde auswirken“, sagt Pferdewissenschaftlerin Dr. Verena Hauschildt. Ausschlaggebend ist wohl, dass Tiere, die Freunde haben, das Zusammensein mit anderen Pferden insgesamt als etwas Harmonisches empfinden.
Bei freilebenden Pferden sind übrigens vor allem die engen Freundschaften zwischen Stuten entscheidend dafür, dass eine Gruppe sich nicht trennt – selbst wenn der Nachwuchs die Herde verlässt.
Die engen Beziehungen zwischen Stuten zeigen sogar körperliche Auswirkungen: Klappt’s mit der Freundin, klappt’s mit dem Nachwuchs. Laut neuseeländischer Studie steigt bei Stuten mit engen Freundinnen die Geburtenrate.
Jedes Pferd profitiert von einem Freund
Enge Kumpel sorgen für Sicherheit und den Zugang zu wichtigen Ressourcen – also Futter und Wasser. Ein ranghöherer Kumpel verscheucht etwa andere Pferde, damit der rangniedrigere Freund neben ihm an der Heuraufe futtern kann. Freundschaft lohnt sich aber auch für Chefs. Denn Freunde achten aufeinander – etwa beim Schlafen und Dösen. So haben die Pferde weniger Stress.
Und jetzt sind wir genau an dem Punkt, warum auch wir Reiter von Pferdefreundschaften profitieren. Denn Pferde können neue Lektionen nur gut lernen, wenn sie vor und nach dem Training entspannt sind. Und zu dieser Entspannung trägt ein guter Freund ganz wesentlich bei. Das gilt nicht nur für Pferde, die in der Gruppe leben, sondern besonders auch für Tiere in Einzelboxen.
Zeit mit Freunden stimmt Pferde optimistisch
Verhaltensforscherin Sandra Löckener aus München blickte in einer Studie tief in die Psyche von Boxenpferden. Das Ergebnis: Gemeinsames Grasen mit Freunden fördert bei Pferden positives Denken. Wie fand die Forscherin das heraus?
Die Boxenpferde sollten Entscheidungen treffen – etwa ob sie eine potenzielle Futterquelle untersuchen oder nicht. Nach der Zeit mit Freunden zeigten sich die Vierbeiner motivierter und wagten eher einen Versuch, die mögliche Futterquelle zu erkunden. Fehlte den Testkandidaten hingegen die Zeit mit Freunden, waren sie pessimistischer. Sie ließen sie die Futterquelle eher links liegen und glaubten offenbar nicht daran, etwas Leckeres ergattern zu können.
All das zeigt: Gute Freunde sind das Beste, was einem Pferd passieren kann. Aber woran erkennt man bei den Tieren eigentlich, wer sich mag?
Gute Freunde stehen zusammen
Innere Verbundenheit zeigt sich bei Pferden an äußerer Verbundenheit. „Wenn Sie wissen wollen, wer der beste Freund eines Pferds ist, schauen Sie, wer am häufigsten nah bei ihm steht“, sagt Pferdeforscherin Dr. Verena Hauschildt. Kumpels fressen, dösen und schlafen oft Seite an Seite. Häufig beträgt der Abstand zwischen ihnen weniger als einen Meter. Diese freiwillige räumliche Nähe ohne Drohgebärden ist bisher übrigens das wissenschaftlich am besten untersuchte Merkmal für Freundschaft unter Pferden.
Freunde machen außerdem vieles synchron – nehmen etwa gemeinsam einen Ortswechsel im Offenstall oder auf der Weide vor. „Es kann sein, dass der eine gar nicht den Futterplatz wechseln möchte. Doch er tut es, um bei seinem Freund zu sein“, sagt die Forscherin. Sie konnte belegen, dass synchrones Verhalten den Zusammenhalt einer Gruppe – und vermutlich sogar die Qualität einer Freundschaft spiegelt: Machen Pferde fast alles gemeinsam, steht das insgesamt für ein harmonisches Verhältnis.
Fellpflege und Toben sind nicht immer freundschaftlich
Gegenseitige Fellpflege wird übrigens nicht zwingend als Freundschaftsbeweis gewertet. Zwar dient das Beknabbern auch der Stärkung der Beziehung zwischen den Pferden, aber manchmal geschieht es einfach nur zum Stressabbau.
Ähnlich ist es mit dem Spielen. Pferde toben nicht nur mit dem besten Kumpel, sondern vor allem mit den Tieren, die einen ähnlichen Bewegungsdrang haben wie sie selbst. Ausgeprägte Kampfspiele können mitunter sogar ein Zeichen für Stress in der Herde sein. „Beobachtungen zeigen, dass auf Betrieben mit der höchsten Aggressionsrate die Pferde auch am meisten spielen“, weiß Verhaltensexpertin Dr. Margit Zeitler-Feicht. Der Grund: Die Tiere bauen übers Spiel ihren Stress ab.
So helfen Sie Ihrem Pferd, einen Freund zu finden
Wichtig ist die clevere Zusammenstellung von Weidekumpels und Stallgruppen. In Großgruppen haben Pferde eine größere Auswahl an möglichen Freunden als in Kleingruppen. „Bei weniger als zehn Tieren sollte man eine gerade Anzahl von Pferden anstreben. So stehen die Chancen einen Freund zu finden besser“, betont Dr. Margit Zeitler-Feicht.
Die Wahrscheinlichkeit auf enge Beziehungen erhöht sich auch bei Pferden gleichen Alters. „Junge Pferde wollen Action. Daher passen andere Jungspunde mit ähnlichem Bewegungsdrang zu ihnen“, sagt die Expertin. Gefährten aus der Jugend bleiben oft Freunde bis ins hohe Alter. Senioren über 30 interessieren sich oft sogar nur noch für diesen einen Freund.
Gleich und gleich gesellt sich gern
Beim Zusammenstellen von Gruppen sollte man auch die Fellfarbe im Auge haben: Pferde bevorzugen Freunde, die ihnen ähnlich sehen. „Wahrscheinlich liegt das an der Prägung auf die Mutter. Die ist meist ähnlich gefärbt wie der Nachwuchs“, erklärt Dr. Zeitler-Feicht. Da die familiäre Bindung besonders stark ist, wundert es nicht, dass Tiere mit der Farbe der Mama stets einen Sympathie-Bonus haben.
Das ist allerdings blöd für Schimmel. Sie sind als Exoten oft Einzelgänger, ebenso wie gescheckte Tiere. Deshalb sollte es mindestens einen weiteren Schimmel oder Schecken in der Gruppe geben. Die Größe hingegen ist nicht entscheidend bei der Freundeswahl. Shetty und Shire können sich bombig verstehen. Einen Faktor, der bei Freundschaften eine Rolle spielt, kann der Mensch allerdings nicht beeinflussen – und zwar, wie gut sich Pferde riechen können. Denn der Geruch entscheidet mit, ob sich zwei Tiere mögen.
Pferdefreundschften brauchen Zeit
Hat Ihr Pferd noch nicht den Traumpartner gefunden? Verzweifeln Sie nicht! Vielleicht ist nur Geduld gefragt. Eine Studie bei Shettys zeigt: Es kann ein Jahr dauern, bis echte Pferdefreundschaften wachsen. Und manchmal hilft dabei auch ein Zufall, wie bei den Pferden von Dr. Margit Zeitler-Feicht.
Zu ihrem Wallach Nick kam eine Stute mit starken sozialen Defiziten. Die Forscherin war sicher, dass das Tier nur im Zweier-Team eine Chance auf Freundschaft haben würde. „Aber es war ein Fiasko.“ Der Wallach und die Stute fanden keinen Draht zueinander. Dann verletzte sich die Stute und musste in die Klinik. Als sie zurückkam, war alles anders. Die Stute wollte unbedingt zu Nick. Das traumatische Erlebnis hatte die Tiere offenbar zusammengeschweißt. Von da an waren sie beste Freunde.
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