Was ist präbiotisch und was probiotisch?
Präbiotika wie Topinambur ernähren im Verdauungstrakt erwünschte Mikroorganismen oder sorgen dafür, dass diese Stoffe produzieren, die gut für den Darm sind. Bei diesen Substanzen handelt es sich in der Regel um Kohlenhydrate. Probiotika hingegen sind lebende Mikroorganismen, die eine positive Wirkung auf die Darmflora haben.

Die einzige probiotische Substanz, die in der EU für Pferde zugelassen ist, ist Lebendhefe (Saccharomyces cerevisiae). Effektive Mikroorganismen (EM) und Milchsäurebakterien sind nicht zugelassen, weil ihre Wirksamkeit derzeit nicht nachgewiesen ist.
Welcher Wirkstoff steckt in Topinambur?
In der Knolle ist Inulin enthalten. Dieser Stoff gehört zu den Kohlenhydraten und ist ein Fruktan. Da schrillen die Alarmglocken?
"Keineswegs", betont Prof. Annette Zeyner, Professorin für Tierernährung an der Uni Halle: "Während zu viele Fruktane Rehe auslösen können, wirken sie in begrenzter Menge positiv, weil sie beispielsweise den Dickdarmmikroben genug Energie liefern, um Giftstoffe wie Ammoniak zu binden."
Was macht das Knollenpulver im Pferdedarm?
Prof. Annette Zeyner und ihre Arbeitsgruppe untersuchten in einer Studie, was handelsübliches Topinamburmehl als Präbiotikum im Verdauungstrakt der Pferde bewirkt. Zunächst etwas Gutes: Bei den Pferden, denen Topinamburmehl gefüttert wurde, erhöhte sich die Bakterienvielfalt im gesamten Verdauungstrakt, vor allem im Dickdarm.
Je vielfältiger die Gemeinschaft "guter" Bakterien im Darm zusammengesetzt sei, desto besser könne dieser negative Einflüsse wegstecken, erklärt die Professorin. Doch: Von den präbiotischen Substanzen kamen weniger im Dickdarm an als angenommen. "Die Mikroorganismen im Magen haben viele Präbiotika fermentiert, sodass nur eine geringe Menge die Passage durch den Magen überstanden hat", so Prof. Zeyner.

Und genau hierin liegt die Schattenseite der Topinambur: Bei der Fermentation im Magen entstehen organische Säuren. Diese können die Magenschleimhaut reizen – und gerade die ist bei Pferden mit gestörtem Verdauungsapparat häufig sensibel. Und nun?
"Die Präbiotika müssten so behandelt sein, dass sie den Aufenthalt im Magen gut überstehen", schlussfolgert die Wissenschaftlerin. "Wir arbeiten derzeit daran herauszufinden, wie das funktionieren könnte."
Ist fermentierte Topinambur besser geeignet?
Manche Futtermittelhersteller werben damit, dass sie fermentierte Topinambur verwenden, die vom Pferdedarm besser aufgenommen werden könne. "Das haben wir noch nicht überprüft", antwortet Prof. Zeyner. Sie äußert sich jedoch skeptisch: "Wenn man Topinambur fermentiert, würde das ja bedeuten, dass man sie mit Mikroorganismen versetzt, die die präbiotischen Substanzen verbrauchen. Dann handelt es sich im Prinzip nicht mehr um ein Präbiotikum, sondern um eine Art Silage."
Dr. Kay Bredehorst, Experte für Immunulogie und Orthomolekularmedizin, sieht das anders. "Das Besondere an fermentierten Pflanzenstoffen wie Topinambur ist, dass sie probiotische Bakterien und weniger Reizstoffe enthalten und die Nährstoffe leichter verfügbar sind", erklärt Dr. Bredehorst.
Er untersucht aktuell die Bakterienflora im Verdauungstrakt von Pferden und die Auswirkungen von Präbiotika aus fermentierten Pflanzenstoffen. Erste Ergebnisse: Fermentierte Produkte fördern das Wachstum von Milchsäurebakterien und lindern Verdauungsbeschwerden.

Wann braucht ein Pferd Präbiotika?
"Gesunde Pferde können Situationen, die den Verdauungsapparat belasten, wie etwa eine plötzliche Futterumstellung, gut verkraften", erklärt Prof. Annette Zeyner. Ein Präbiotikum wie Topinambur zu füttern, sei daher in der Regel nicht nötig. Dennoch gebe es Pferde, bei denen Präbiotika unterstützend wirken können.
Diese sollten dann jedoch am besten in Absprache mit dem Tierarzt verabreicht werden. Denn der Fruktangehalt der Knolle und die Säurebildung im Magen könnten für Pferde, die vorbelastet sind, problematisch sein. Deshalb seien weitere Studien unbedingt nötig.