So reiten Sie Ihr Pferd locker

Hauptsache locker: Biomechnik und Muskelaufbau beim Pferd
So reiten Sie Ihr Pferd locker

Zuletzt aktualisiert am 04.02.2011
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Entspannt und locker soll sich das Pferd unterm Reiter bewegen. Das Training soll Muskeln kräftigen und formen. Das ist ein ständiger Wechsel zwischen An- und Abspannen. Denn ein lockeres Pferd ist kein Wackelpudding. Nur wenn Muskeln an den richtigen Stellen richtig arbeiten, werden Rücken und Oberlinie stark und schön. Anderswo sollten die Muckis arbeitslos sein – etwa am Unterhals.

Verspannte oder falsch ausgeprägte Muskeln sind nicht nur Schönheitsfehler: Sie machen auf Dauer krank, weil sie das Pferd in eine Schonhaltung zwingen. Es belastet seinen Körper falsch. Das Ziel, ein Pferd ­locker zu reiten, ist jedoch gar nicht so weit entfernt wie Berlin von New York. Es gibt nämlich fünf einfache Knackpunkte auf dem Weg zum lockeren Pferd. CAVALLO zeigt zusammen mit Ralf Döringshoff, Pferdewirtschaftsmeister und Pferdeosteopath aus Rinteln in Niedersachsen, an drei ganz verschiedenen Pferden, wie das geht. Dieses Konzept können Sie praktisch bei jedem Pferd umsetzen, auch wenn jedes eine andere Veranlagung hat.

Kontakt

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Ralf Döringshoff, Pferdewirtschaftsmeister, Pferdephysiotherapeut, Dozent an der Europäischen Pferde Akademie.

www.biomechanikinbalance.de
ralfdoeringshoff@yahoo.de

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Senior Gitano: Das Kreuz mit dem Kreuz

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Hannoveraner-Wallach Gitano ist mit 20 Jahren zwar nicht mehr der Jüngste, aber er steht für sein Alter sehr gut da. Der Wallach war bis vor einigen Jahren auf Dressurturnieren bis Klasse L unterwegs. Weil seine Knochen und Gelenke fit sind, ist der kompakte Braune noch voll reitbar. Allerdings hatte er gerade eine einjährige Pause. Ein heftiger Hufriss sorgte lange Zeit für einen Krankenschein. „Die Anpassung von Muskeln dauert bei älteren Pferden viel länger“, erklärt Ralf Döringshoff. „Bei jüngeren Pferden spricht man von einer Dauer von sechs bis acht Wochen, bis Muskeln auftrainiert sind.“ Sehnen und Bänder brauchen dafür sogar sechs bis acht Monate. Bei älteren Pferden dauert der Aufbau insgesamt länger, weil der Stoffwechsel langsamer läuft.

Exterieur-Check

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„Dass Gitano vorne links einen Hornspalt hatte, wundert mich nicht“, sagt der Ausbilder. Im Stand belastet der Wallach das linke Bein stärker als das rechte. „Sicher wird er sich unterm Sattel besser linksherum als rechtsherum biegen können.“ Eine weitere Schwachstelle ist der Rücken des Wallachs, wo sich der Osteopath und Pferdewirtschaftsmeister deutlich mehr Muskeln wünscht. „Man könnte hier schon fast von einem Muskelschwund sprechen“, sagt er. Gitanos Rücken zeigt tiefe Kuhlen links und rechts des Widerrists.

Muskel-Check

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Um Verspannungen zu entlarven, tastet Ralf Döringshoff im nächsten Schritt die Muskeln ab. Gitanos rechter Trapez- und Rhomboideus-Muskel sind deutlich fester. Sie heben den Hals, die Schulter und die Vorhand an. Er wird sich mit Sicherheit nach rechts schlechter biegen, weil er sich links überlastet. In der Bewegung tritt der Wallach vorne rechts einen Hauch kürzer. „Weil er sein rechtes Bein immer weniger belastet, sind Muskeln und Sehnen verkürzt“, vermutet der Trainer. Eventuell sind die Faszien unbeweglich – ein Netz aus Bindegewebe, das jeden Knochen, alle Organe und Muskeln verbindet und den Körper wie eine Hülle zusammenhält. An einem Reflexpunkt am Bauch testet der Trainer, ob Gitano den Rücken überhaupt noch aufwölben kann. „Lassen Sie das im Zweifel aber lieber einen Therapeuten machen. Haben Pferde hier große Probleme, reagieren sie sehr empfindlich auf den Reflex und gehen an die Decke, wenn sie Schmerzen haben“, gibt Ralf Döringshoff zu bedenken. Gitano nicht, er macht einen Katzenbuckel. „Hätte er bereits Verknöcherungen an den Wirbeln, könnte er den Rücken nicht so weit hoch bringen.“

Check unterm Sattel

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Gitano verkriecht sich gerne hinterm Zügel und entzieht sich so dem Reiter. „So ein Pferd darf man auf keinen Fall versuchen, mit der Hand aufzurichten“, sagt Ralf Döringshoff. Im Sattel geht der Trainer immer nach seinem Fünf-Punkte-Konzept vor (Nickbewegung, Bauchpendel, gleichmäßige Atmung, Zirkel ohne innere Hand in allen Gangarten, pendelnder Schweif). Der Schritt ist für ihn die wichtigste Gangart, um das Pferd zu lockern. „Ich reguliere den Schritt nur mit meinem Sitz, meine Hand bleibt völlig passiv. Sie hält nur leichten Kontakt zum Pferdemaul.“ Ist die Nickbewegung da und das Bauchpendel gut zu spüren, reitet der Trainer Tempowechsel, die er nur über den Sitz steuert. „Um Gitano zu bremsen, verharre ich ganz kurz in der Beckenbewegung, bis er langsamer wird. Dann reite ich wieder energisch vorwärts und gebe dabei die Zügel vor, ohne aber den Kontakt zu verlieren.“ Es wirkt: Gitano nickt stärker und sein Rücken beginnt zu arbeiten.

Genau wie Döringshoff vermutete, mag sich Gitano rechts nur ungern stellen und biegen. „Der will nicht“, würden viele Reiter sagen. Ralf Döringshoff sagt: „Der kann nicht“ – und rät, sich bei allem, was man vom Pferd verlangt, folgendes vor Augen zu führen: „Pferde haben es sich nicht ausgesucht, von uns geritten zu werden. Pferde nehmen sich nicht vor, irgendetwas schlecht oder falsch zu machen, um den Reiter zu ärgern. Als Reiter sind Sie immer so etwas wie ein Gymnastiklehrer für das Pferd.“

Gitano helfen Seitengänge, um den Rückenmuskel zu dehnen. Der Trainer unterstützt ihn, indem er die innere Hand in Richtung Bahninnere wie eine Tür öffnet. „So gebe ich ihm die Chance, mit dem inneren Hinterbein besser unterzutreten. Das Hinterbein tritt immer nur soweit vor, wie es das Gebiss zulässt.“ Wirkt der Reiter massiv mit der Hand ein, kann das Pferd Hüfte, Knie und Sprunggelenk nicht beugen. Doch fußen die Hinterbeine nicht energisch vor, wird es kaum locker werden.

Auch im Trab bremst der Trainer Gitano nur über den Sitz. „Stehe ich langsamer auf, nehme ich das Tempo raus.“ Zum Schluss der Trainingseinheit tritt Gitano fleißig mit der Hinterhand unter und verkriecht sich auch nicht mehr. Er kaut zufrieden auf dem Gebiss, lässt den Hals fallen und wölbt seinen Rücken gut auf. Das Locker-Programm zeigt Wirkung. Bei regelmäßigem Training werden Gitanos Rückenmuskeln in einigen Wochen schon viel besser aussehen.

Tipp

Stellt sich Ihr Pferd schlecht zu einer Seite, verschaffen ihm einige Schritte in Konterstellung kurze Entspannung. Übergänge vom Trab zum Galopp lockern den Rückenmuskel.

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Wallach Blue Sky: Stechen in der Brust

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Blue Sky steht im Alter von zehn Jahren mitten im Leben. Er wächst nicht mehr und ist im besten Pferde-Alter. Der Paint-Lewitzer-Mix wird selten dressurmäßig gymnastiziert, dafür viel im Gelände geritten. Der Wallach wohnt in einem Offenstall mit Weidegang und ist ziemlich moppelig.

Exterieur-Check

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Die Vorderbeine des Scheck-Wallachs stehen deutlich rückständig. Bei einer normalen Beinstellung würde ein von der Mitte des Schulterblatts bis zum Boden gefälltes Lot das Fesselgelenk halbieren und direkt hinter dem Ballen auf dem Boden auftreffen. Das ist bei Blue Sky nicht der Fall, die Fessel liegt hinter der Lotlinie. „Sein Raumgriff wird dadurch beschränkt sein“, vermutet Ralf Döringshoff. Rückständig stehende Pferde neigen außerdem schneller zu Überlastungen und ermüden leichter. Ihr Schwerpunkt liegt weit vorne, weshalb sie oft eilig werden. Sie fußen früh und flach auf, was vor allem Sehnen und Bänder stark belastet. Die Beinstellung überlastet die Hufrolle, weil Zug auf die tiefe Beugesehne kommt. Man sieht die Stellung oft bei alten oder überlasteten Pferden.

Blue Sky hat außerdem einen leichten Senkrücken, der durch seinen Weidebauch optisch extremer wirkt, als er ist. Dennoch dürfte es ihm schwer fallen, den Rücken richtig aufzuwölben. Seine Kruppe ist sehr gerade, was normalerweise auf wenig ­Tragfähigkeit hindeutet. In der Versammlung wird Blue Sky nur wenig untertreten können. „Solche Pferde haben auch Schwierigkeiten vorwärts-abwärts zu gehen, weil sie die Vorhand stark belasten“, stellt Ralf Döringshoff fest.

Muskel-Check

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Als der Trainer den Brustmuskel anfasst, zuckt Blue Sky. Das passt bei dem Wallach ins Bild. Aufgrund seines Exterieurs zieht er sich beim Laufen mit der Vorhand voran, anstatt mit den Hinterbeinen zu schieben. Verspannte Brustmuskeln gibt es auch bei Gangpferden, die mit Gewicht an den Hufen manipuliert werden. Sie müssen ebenfalls viel mit dem Brustmuskel arbeiten, um die Vorderbeine zu bewegen. Ebenfalls ins Bild passt Blue Skys Reaktion beim Nachgurten. Obwohl Ralf Döringshoff den Gurt sehr vorsichtig schließt, droht der Wallach zu zwicken. Das überrascht Döringshoff nicht. „An dieser Stelle verläuft der Rückführer der Vordergliedmaße und der Rumpfträger. Bei Pferden mit einem so vorhandlastigen Exterieur, ist diese Verspannung typisch. Das wiederum schränkt den Rücken ein, weil ganze Muskelketten zusammenspielen“, sagt Ralf Döringshoff.

Check unterm Sattel

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„Bei einem Pferd mit Senkrücken dürfen Sie auf keinen Fall schwer einsitzen. Reiten Sie eher entlastend“, empfiehlt der Pferdewirtschaftsmeister. Im Schritt folgt Döringshoff den Bewegungen des Wallachs mit dem Becken. Er treibt ihn mit der Wade vorwärts, bis die Nickbewegung deutlich wird. Der Wallach stolpert mehrmals. „Das ist auch typisch für Pferde, die rückständig stehen“, stellt der Trainer fest. Sky bietet die Dehnungshaltung an, wird aber dabei immer eiliger, weil er mit der Vorhand zu viel zieht und mit der Hinterhand zu wenig abdrückt. Im Trab kommt kaum Bewegung in den Rücken. Gangartwechsel fallen dem Wallach schwer. Er muss den Kopf hochheben, um die Balance nicht zu verlieren. Der Trainer verlangt ein paar Tritte Schenkelweichen und trabt nochmal an. Nach zwanzig Minuten bietet Sky die Dehnung an – ohne Stolpern. „Er schubst mich richtig ins Leichttraben. Jetzt schwingt der Rücken“, sagt er. Das gelingt dem Wallach allerdings nur für kurze Zeit. Nach einigen Tritten reckt er wieder den Hals in die Höhe, weil die gesunde Haltung noch ungewohnt ist und schmerzt.

Tipp

Ein Pferd wie Sky dürfen Sie auf keinen Fall Runde um Runde traben und galoppieren. Belohnen Sie Ihr Pferd lieber nach wenigen guten Phasen mit einer Pause. Zu viele Zügelhilfen bringen das Pferd aus dem Gleichgewicht. Helfen Sie ihm beim Wechsel der Gangart lieber mit der Stimme.

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Ex-Galopper Flocke: Völlig falsch gelagert

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Flocke ist mit seinen fünf Jahren bereits Sportinvalide. Eine Beinverletzung beendete die Rennkarriere des Grauschimmels vor zehn Monaten. Jetzt wird er zum Reitpferd umtrainiert. Bei Aufregung neigt der Wallach zu Koliken.

Exterieur-Check

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Flocke ist überbaut. Auf der Rennbahn ist das von Vorteil, weil solche Pferde sehr gut von hinten schieben und so große Galoppsprünge machen können. Für ein Reitpferd ist eine zu hohe Kruppe jedoch ungünstig. Überbaute Pferde geben dem Reiter ein Bergabgefühl und laufen ihrem Gleichgewicht nach. Oft haben sie Schwierigkeiten sich zu versammeln und neigen dazu, sich auf die Reiterhand zu stützen. Weil Flocke noch nicht ausgewachsen ist, kann sich das aber noch ausgleichen. Auch an Flockes Hals kann man erkennen, dass der Wallach noch im Wachstum steht. Er ist tief angesetzt und am Ansatz noch wenig bemuskelt. Zwischen Halsoberlinie und Widerrist gibt es eine leichte Vertiefung, den sogenannten Axthieb. Er soll im Laufe der Reitpferde-Ausbildung bestenfalls ganz verschwinden.

Flocke steht mit den Vorderbeinen sehr breit, hat also eine bodenweite Stellung. „Das könnte ein Balance-Problem sein. Rennpferde müssen ja schon sehr früh einen Reiter tragen und sind damit oft überfordert“, sagt Ralf Döringshoff. Durch die bodenweite Stellung belastet Flocke die Beine sehr unterschiedlich. „Die Innenseite der Beine wird überlastet, die Außenseite sehr stark entlastet“, sagt Ralf Döringshoff. „Dadurch kann Flocke leicht Überbeine bekommen“, sagt der Osteopath. „Zudem werden seine Zehengelenke stark belastet und der Gelenkknorpel, der wie ein Stoßdämpfer funktioniert und sich ständig neu auf- und abbauen muss, wird extrem gestresst. Die Gleichbeine könnten durch die ungleiche Belastung leicht blockieren. Da Flocke bisher nur in Galopprennen geritten wurde, befindet er sich als Reitpferd noch im Remontenstadium.

Muskel-Check

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„Weil der Wallach sehr bodenweit steht, belastet er Sehnen und Bänder ungleich“, sagt Ralf Döringshoff. Er könnte leichter Entzündungen bekommen. Sehnen bestehen aus dichten, parallel verlaufenden Fasern, die zwar viel Zug vertragen, aber wenig elastisch sind. Sie verbinden Skelettmuskeln mit Knochen. Im Vergleich zu Muskeln sind Sehnen relativ wenig elastisch. Sehnen sind Teil eines Muskels. Bänder dagegen verbinden Knochen mit Knochen. Sie sind nur sehr wenig durchblutet und heilen deswegen sehr langsam. Da es unterhalb der Sprung- oder Karpalgelenke keine Muskeln mehr gibt, sind Bänder und Sehnen hier besonders lang und verletzbar. Um eine Überlastung zu verhindern, müssen Pferde mit Fehlstellungen besonders viel Krankengymnastik machen.

„Bei Galoppern ist der lange Rückenmuskel gerne sehr fest und verspannt“, sagt Ralf Döringshoff. Sie überlasten den Muskel besonders leicht, weil er bei höherer Geschwindigkeit wie im Renntraining die Stabilität zwischen Vor- und Hinterhand sicherstellt. Weil Flocke nach der Verletzung lange nicht geritten wurde, ist er wenig bemuskelt und müsste zum Muskelaufbau bei geringer Anstrengung, also im aeroben Bereich, trainiert werden. Beim aeroben Training gewinnt der Muskel die Energie durch Verbrennung von Sauerstoff. Trainiert man dagegen im anaeroben Bereich mit sehr hohen Belastungen, wird die Energie nicht aus Sauerstoff, sondern durch biochemische Prozesse aus dem Muskeln selbst gewonnen. Dabei entsteht auch Milchsäure, die sich in den Muskelzellen anhäuft und nicht nur die Leistung in den Keller drückt, sondern auch die Muskeln schmerzen lässt.

Check unterm Sattel

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„Bei einem Pferd wie Flocke ist es besonders wichtig, dass man im Schritt Takt und Rhythmus fördert“, sagt Ralf Döringshoff. „Der natürliche Bewegungsablauf muss durch gezieltes Treiben verbessert und gefördert werden.“ Zu kurze Zügel würden die Balance des Wallachs stören und seinen Raumgriff einschränken. Zudem muss der Reiter in dem Moment treiben, wo das jeweilige Hinterbein abfußt. Ist das noch schwierig zu erfühlen, nutzt ein Blick über die Schulter. Bei Flocke fruchtet das Treiben bereits nach zehn Minuten. Ohne viel Aufwand seiner Reiterin Diana Schmelzer tritt der Wallach am langen Zügel zwei Hufbreit über die Spur der Vorhand. Im Trab fußt der Grauschimmel dagegen noch nicht aktiv: Er trabt kurz und eilig. Seine prallen Rennmuskeln an der Hinterhand dehnen sich nicht besonders gut, das Hinterbein schwingt nur wenig vor. „Weil er noch überbaut ist, läuft er zudem seinem vorn liegenden Schwerpunkt hinterher“, sagt Ralf Döringshoff. „Das ist, als ob Sie bergab joggen, da werden Sie automatisch immer schneller“, vergleicht der Trainer.

Der wohl wichtigste Punkt bei einem jungen Pferd, dem wie Flocke noch viel Balance fehlt: „Man darf es auf keinen Fall mit der Hand in einen Rahmen zwängen“, sagt Ralf Döringshoff. „Sonst macht es den Rückenmuskel fest. Dabei zieht es das Kreuzbein nach oben, und das Hinterbein tritt nach hinten heraus. Das Pferd wird überlastet, schwingt das Hinterbein nicht vor und verspannt die Oberlinie. Das ist ein Teufelskreis.“ Schafft man es, die Hinterhand zu aktivieren, wird der Wallach ganz von alleine in Anlehnung kommen und die richtigen Muskeln an der Oberlinie entwickeln.

Bei Flocke erschwert ein weiteres Problem die Ausbildung: Bisher bedeuteten kurze Zügel für den Wallach, dass er losrennen sollte. Hier muss er komplett umlernen. Flockes Tagesform und nervliche Verfassung schwanken noch sehr – wie bei vielen Jungpferden. Manchmal läuft er ganz harmonisch und wird schon richtig locker, dann regt er sich auf und rennt. Lernt Flocke, sich künftig konstanter vorwärts-abwärts zu strecken, wird er den Hals fallen lassen und die für sein Reitpferdeleben wichtigen Muskeln trainieren. Wichtig ist, mit ihm nur zu arbeiten, wenn er nervlich ausgeglichen ist.

Tipp

Jungen Pferden mit fehlender Balance hilft es, zunächst ohne Reitergewicht das Gleichgewicht zu finden. Longieren Sie Ihr Pferd am Kappzaum, bis es stabiler ist. Dann erarbeiten Sie das Gleiche unterm Sattel. Ist das Pferd an der Longe nicht stabil genug, verzichten Sie lieber noch aufs Reiten.

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