Das sagt die Forscherin zur Bierhefe
Bierhefe ist eiweißreich mit rund 40 bis 70 Prozent Rohprotein und hat eine gute Aminosäurenzusammensetzung mit relativ hohen Gehalten an Lysin sowie mittleren an schwefelhaltigen Aminosäuren. Dazu kommen Zellwandkohlenhydrate, die von der Mikroflora im Darm als "Nährsubstrat” genutzt werden und eine positive Wirkung aufs Immunsystem haben können. Daneben enthält Bierhefe verschiedene B-Vitamine und hat einen relativ hohen Phosphorgehalt. Bierhefe eignet sich daher als Proteinergänzung, bei Pferden mit Durchfall oder unter Antibiotikatherapie, also bei gesundheitlichen Problemen, bei denen die Synthese von B-Vitaminen durch die Mikroflora im Darm eingeschränkt ist. Zudem hatte ich bei einigen Pferden gute Erfolge bei der Behandlung von freiem Kotwasser. Generell können täglich rund 50 g pro 100 kg Körpermasse gefüttert werden; ich empfehle meist 20 g/100 kg KM. Prinzipiell kann man Bierhefe langfristig füttern. Bei Turnierpferden hat das in Bierhefe enthaltene Hordenin aber Dopingrelevanz, und gesunde Pferde brauchen bei Weidegang keine zusätzlichen B-Vitamine. Es gibt probiotische (lebende) Stämme der Hefe Saccharomyces cerevisiae, die nachteilige Substrate im Darm verstoffwechseln sollen. Demgegenüber steht Bierhefe als Nebenerzeugnis bei der Bierherstellung, die vor der Verarbeitung als Futtermittel inaktiviert wird. Von dieser Form können höhere Mengen zugefüttert werden, daher empfehle ich ausschließlich die Fütterung von Bierhefe als Nebenprodukt der Bierherstellung.

Prof. Dr. Ingrid Vervuert, Fachtierärztin für Tierernährung am Institut für Tierernährung der Universität Leipzig
Das sagt die Produktmanagerin
Was früher Standard war – die Verwendung von Bierhefe aus den Brauereien –, ist heute eine Ausnahme. Die in der Pferdefütterung eingesetzten Hefen unterscheiden sich immer häufiger hinsichtlich Produktionsverfahren, Form, Stamm und damit der Nährstoffgehalte und Wirkweisen. Das europäische Futtermittelrecht sieht leider keine Deklarationsunterschiede vor: Alle Hefen werden als Hefen, Saccharomyces cerviceae (SC) oder Bierhefen deklariert. Pferdehalter können nicht erkennen, ob sie echte Brauerei-Bierhefen oder andere Hefen füttern. Letztere, sogenannte "kultivierte Hefen” sind mit echten Bierhefen nicht zu vergleichen. Sie werden auf Nährsubstraten fermentiert und abgetrocknet. In Europa werden sie oft fälschlicherweise nur als Hefe bezeichnet; statt Bierhefe kauft der Pferdehalter aber in erster Linie fermentiertes Getreide, was sich in geringeren Nährwerten wie dem Proteingehalt niederschlägt. Lebendhefen hingegen bestehen aus aktiven Hefezellen, die im Dickdarm vermehrungsfähig sein sollen (sog. Probiotika). Für Pferde sind nur sehr wenige zugelassen; ihre Wirkung wird wissenschaftlich sehr kontrovers diskutiert. Ihr Nährwert ist kaum mit dem echter Bierhefe vergleichbar, die als Nebenprodukt bei der Bierherstellung anfällt, durch Trocknung inaktiviert wird und präbiotisch wirkt. Ich empfehle von dieser eine Menge von 100 g pro Tag für ein 600-kg-Großpferd, bei ganzjähriger Fütterung eine reduzierte Menge. Bierhefe kann vielfältig unterstützen, vor allem im Fellwechsel, bei der Verdauung und langfristig bei der Verbesserung der Hufqualität.

Maike Rakebrandt, Senior Produktmanagerin für den Bereich Pferde bei der Firma Leiber (leiber-pferd.de)
Das sagt die Tierärztin zur Fütterung von Bierhefe
Inaktivierte, getrocknete Bierhefe hat einen hohen Gehalt an hochwertigem Eiweiß. Außerdem wirken die Hefezellwände präbiotisch auf die Darmflora des Pferdes, was diese stabilisieren kann. Bierhefe kann sinnvoll sein, wenn sich der Eiweißbedarf des Pferds mit dem Grundfutter nicht decken lässt. Auch bei Pferden mit Kotwasser kann man Bierhefe ausprobieren. In der Fachliteratur werden Mengen von bis zu 50 g pro 100 kg Körpermasse angegeben; je nachdem, wie viel Eiweiß man ergänzen will, können auch geringere Mengen ausreichen. Das ermittelt man am besten mit einer Rationsberechnung. Die würde auch zeigen, ob man womöglich eine starke Eiweißüberversorgung hat, wenn man Bierhefe zufüttert; ist das nicht gegeben, sollte auch eine dauerhafte Verfütterung keine Nachteile haben. Wichtig ist, dass man inaktivierte, getrocknete Bierhefe füttert: Nutzen und Risiken von Lebendhefen sind beim Pferd bisher nur wenig erforscht. Daher würde ich davon abraten.

Celina Hofmann, Tierärztin im Bereich Entwicklung & Forschung bei der Firma Agrobs (agrobs.de)