Mein Pferd hat eine Blockade im Iliosakralgelenk. Das ist oft zu hören, wenn Pferde scheinbar ohne ersichtlichen Grund lahmen, weniger rittig sind oder nicht taktklar laufen. Das Iliosakralgelenk, kurz ISG, gibt Reitern und Tierärzten Rätsel auf. Was ist dran an der Blockade, die hier angeblich besonders häufig vorkommt?
Und was kann der Reiter tun, um Probleme zu vermeiden oder bestehenden Schwierigkeiten zu begegnen?
Das Iliosakralgelenk beim Pferd
Das Iliosakralgelenk ist eine komplexe anatomische Struktur mit schwierigem Namen. Lateinisch heißt es Articulatio sacroiliaca, deutsch Kreuzdarmbeingelenk. Beim Pferd befindet es sich direkt unter dem höchsten Punkt der Kruppe und ist relativ leicht zu ertasten. Nicht nur Pferde, auch Menschen und andere Säugetiere haben zwei Iliosakralgelenke, die die Knochen des Beckengürtels mit dem Rumpf verbinden.
In den Iliosakralgelenken treffen die beiden Darmbeinflügel des Beckenknochens mit den beiden Flügeln des Kreuzbeins, einer dreieckigen Verschmelzung von fünf Kreuzwirbeln, zusammen. Das Gelenk ist ziemlich unbeweglich: Es ist eng von einer Gelenkkapsel und straffen Bändern umschlossen, die Form der Gelenkflächen schränkt die Mobilität zusätzlich ein.
ISG-Blockade durch falsches Training?
Sie möchten wissen, welche Ursachen für Schäden des Iliosakralgelenks verantwortlich sind? Hier können Sie den ganzen Artikel mit wertvollen Einblicken zur Instabilität und Abnutzung des Kreuzdarmbeingelenks lesen:
Das ISG überträgt die Kraft der Hinterhand
Das ist von der Natur beabsichtigt. Vom ISG wird Stabilität gefordert. Es fungiert als Kräfteüberträger: Über das Iliosakralgelenk wird der Bewegungsimpuls der Hinterbeine auf die Wirbelsäule und damit auf den Rumpf nach vorne geleitet. Bei aller Festigkeit muss das Gelenk jedoch leicht nachgeben, damit die Elastizität der Bewegung erhalten bleibt. Nur wenn das Iliosakralgelenk die ideale Balance von Stabilität und gleichzeitiger Federung aufweist, kommt die Schubkraft des Motors Hinterhand effizient und störungsfrei vorne an.
Das ist extrem wichtig für das Fluchttier Pferd und von zentraler Bedeutung für korrektes Reiten. So wichtig das Iliosakralgelenk mit seiner komplizierten Konstruktion für die taktreine, schwungvolle Bewegung des Pferds ist, so anfällig ist es tatsächlich für Störungen. In der Bewegung wirken starke Kräfte in unterschiedlichen Richtungen auf das Gelenk. Es findet nicht nur eine Rotation, sondern auch eine Verschiebung der Gelenkflächen zueinander statt – bei jedem Abfußen der Hinterbeine, am stärksten im Galopp, und vor allem auf gebogenen Linien.
Diese enormen Belastungen machen das Kreuzdarmbeingelenk leicht zur Schwachstelle: Es ist sehr anfällig für Zerrungen mit Band- oder Knorpelschädigungen, zum Beispiel durch Stürze und ungünstige Bewegungen. Die Folge von Verletzungen und Verschleiß kann Arthrose sein. "Das Iliosakralgelenk ist extrem empfindlich. Da es eine zentrale Schaltstelle für die gesamte Bewegungsmechanik des Pferds ist, äußern sich Probleme mit diesem Gelenk besonders deutlich, zumal sie von den Pferden nicht so einfach wie andere Lahmheiten kompensiert werden können", sagt Dr. Katja Müller, Fachtierärztin für Pferde an der Tierklinik Gessertshausen in Bayern. Schon kleine Irritationen, wie etwa zu viel Spiel im Gelenk durch einen verletzten und instabilen Bandapparat, beeinflussen den Kräftefluss und können deutliche Auswirkungen auf das Gangbild und das Verhalten des Pferds haben. "Viele unklare Lahmheiten der Hinterhand sind tatsächlich auf das Iliosakralgelenk zurückzuführen", sagt Müller.
ISG-Blockade: Die schnelle Modediagnose?
Es ist nicht lange her, da schenkten Reiter und Tierärzte dem Iliosakralgelenk wenig Aufmerksamkeit. Dann rückte es plötzlich in den Fokus. Die ISG-Blockade avancierte zur Modediagnose, sobald ein Pferd schwunglos schlurfte oder unklar lahmte.
Wie verbreitet ist die Krankheit wirklich? "Das Iliosakralgelenk ist definitiv sehr wichtig und als eine Schwachstelle hervorzuheben, die tatsächlich oft Probleme macht – aber nicht deutlich häufiger als andere Schlüsselpunkte im Pferdekörper", sagt Osteopathin Claudia Jurca. "Wichtig ist, dass das Iliosakralgelenk nicht pauschal und unreflektiert als Grund der Beschwerden gesehen wird", sagt die Expertin. "Man muss das Pferd immer in seiner Gesamtheit betrachten."
Denn es gibt in diesem Bereich des Pferderückens viele Strukturen, die ähnliche Symptome verursachen können, so dass eine eingehende Differentialdiagnostik erforderlich ist. Zudem gibt es Probleme im Kreuzdarmbeingelenk, die ihren Ursprung an einer ganz anderen Stelle im Pferdekörper haben und dieses Gelenk erst als Folgeerscheinung in Mitleidenschaft ziehen. Diese komplexen Zusammenhänge im Pferdekörper gilt es aufzudecken, bevor man sich auf eine vorschnelle (Mode-)Diagnose versteift.
Gezieltes Training fürs ISG
Stangenarbeit hilft Pferden dabei, den Rücken aufzuwölben und stärkt die Rücken- und Bauchmuskulatur. Ideal sind Stangen im Schritt und Trab auf geraden oder großen gebogenen Linien. Seitengänge wie Schulterherein eignen sich sehr gut zum Training und zur Stabilisierung des Iliosakralgelenks.
Wird die Seitwärtsbewegung mit wenig Abstellung, korrekter Biegung und deutlicher Vorwärtstendenz geritten, dehnt und mobilisiert sie den gesamten Bewegungsapparat. Das innere Hinterbein wird zum Untertreten und damit zum Aufnehmen der Last angeregt, durch die Rotation wird das Iliosakral-gelenk sanft gedehnt.
Fließend gerittene Gangartwechsel, vor allem Schritt-Trab-Schritt, regen die Hinterbeine zum Untertreten an und trainieren die Muskulatur, ohne sie zu ermüden. "Longieren, Rückwärtsrichten und allzu viel Galopparbeit sollten bei bereits bestehenden Iliosakralgelenksproblemen vermieden werden, da hier besonders starke Kräfte wirken", rät Ramona Seifert