Die Sehne lag frei, die Wunde eiterte, das Hinterbein war stark geschwollen. Vier Wochen lang dokterte ein Tierarzt an dem Warmblüter herum, der sich das hintere Röhrbein am Weidezaun zerfetzt hatte. "Da muss Luft dran", erklärte der Veterinär dem Pferdebesitzer, weshalb er auf einen Verband verzichtete. Das war falsch: Die Wunde heilte nicht, sondern verschlimmerte sich. Mundpropaganda – "Frag‘ doch mal den Denius, der kennt sich mit Wunden aus" – führte den Besitzer schließlich zu Peter Denius. Er kurierte die schwere Verletzung des Pferds in rund acht Wochen. Der Krankenpfleger und Wundexperte der Initiative Chronische Wunden (ICW) kennt sich mit Verletzungen tatsächlich aus – und zwar bei Menschen und bei Pferden.
Nach fast 20 Jahren in der chirurgischen Ambulanz einer hessischen Human-Klinik arbeitet er seit vielen Jahren bei einer Firma, die Verbandsstoffe herstellt. "Unter anderem schule ich Pflegepersonal und Ärzte in Gipsverbandtechnik, Kompressionstherapie und moderner Wundversorgung", sagt Denius. Und da der Hesse seit drei Jahrzehnten reitet, lag es für ihn nahe, die modernen Therapie-Formen für Menschen auch bei Pferden anzuwenden. Denn hier gibt es inzwischen viele Möglichkeiten, die selbst manche Tierärzte nicht kennen. Dabei profitieren Pferde besonders davon, da Verletzungen bei ihnen schlechter heilen als bei Menschen; außerdem ist der Lymph- und Blutfluss in ihren Beinen schnell gestört, weshalb die Gliedmaßen oft anschwellen.
Die üblichen Verbände aus der Tiermedizin helfen da nicht optimal. "Sie rutschen leicht, vor allem, wenn sich das Pferd frei bewegt", sagt Peter Denius. Sein spezieller Kompressionsverband, der Schlüssel zur Heilung selbst schwieriger Wunden, sitzt dagegen sicher am Pferdebein. "Den stabilen Sitz und das unkomplizierte Anlegen lobte auch Professor Dirk Berens von Rautenfeld", erzählt Peter Denius, der auf Einladung des Lymphologen von der Tierärztlichen Hochschule Hannover seine Verbandstechnik vor Tierärzten und Physiotherapeuten demonstrierte. Für CAVALLO zeigt Peter Denius Schritt für Schritt, wie er auf moderne Art Wunden und Mauke heilt – ohne schmieren, salben und obendrein noch besonders schonend fürs Pferd. Und der Wundexperte erklärt, wie man leicht einen stabilen Hufschuh baut. Das Schöne: Du selbst kannst das auch. Alle Verbände und Wundauflagen (von Lohmann & Rauscher) gibt es in der Apotheke.

Peter Denius ist Krankenpfleger und Wundexperte der Initiative Chronische Wunden (ICW). Seine Verbandstechnik stellt er Reitern auch in Schulungen und Seminaren vor. Weitere Infos gibt es über die Akademie für innovative Tiermedizin (AFIT) in 35713 Eschenburg, Tel. 02774-9258770, Internet: www.innovativetiermedizin.de
Wie Wunden heilen
Verletzte Haut heilt bei Pferden anders als bei Menschen. Die letzte Phase der Wundheilung, die sogenannte Epithelisierung (Haut wächst über die Wunde), ist bei ihnen wenig ausgeprägt. Verletzungen schließen sich bei Pferden vor allem durch das Zusammenziehen der Wundränder (Kontraktion). Wunden kontrahieren bei Ponys schneller als bei Pferden. Das senkt das Risiko, dass Wildes Fleisch (Caro luxurians) wuchert. Dieses Granulationsgewebe entwickelt sich bei gestörter Wundheilung im Übermaß. Normalerweise füllt es den Defekt und schrumpft dann.
Kompressionsververvand – der Schlüssel zur Heilung
Kompressionsverbände sind bei der Wundheilung der Schlüssel zum Erfolg. Bei frischen Verletzungen verhindern sie, dass das Bein anschwillt. Ohne Druck (Kompression) bildet sich noch leichter Wildes Fleisch. Stauen sich Lymphe und Blut in den Gefäßen, sorgt die Kompression für besseren Abfluss, was die Heilung fördert; Stauungsödeme behindern sie. "Weil die Kompressionswirkung verlorengeht, sind rutschende Verbände schädlich", erklärt Denius.
Grundlage des Verbands ist selbstklebendes Vlies von der Rolle, das zugeschnitten wird. Es wirft keine Falten, selbst wenn die Binde darüber etwas rutscht, haftet auf dem Fell, lässt sich aber ohne Zwicken abziehen. An der Rückseite des Beins sollte das Vlies 5 Millimeter dick sein, an der Vorderseite 2 Millimeter. Darüber bandagierst du mit einer klebenden Kurzzugbinde, die nur längselastisch ist (querelastische Binden sacken zusammen). Nutze den Zug der Binde, ohne sie zu überdehnen. Dann hast du den richtigen Druck. Anfangs wird der Verband alle 2 bis 3 Tage gewechselt, später alle 4 bis 5 Tage. Neu gewickelt wird außerdem, wenn der Verband Spiel bekommt (weil das Bein abschwillt) oder Sekret durchsuppt.




Wundauflagen – passend für jede Heilungsphase
Erfolgreiche Wundbehandlung richtet sich nach den Phasen der Heilung, die ineinander übergehen: 1. Exsudationsphase (Exsudat = austretende Flüssigkeit; enthält Entzündungszellen und schwemmt Fremdkörper und Keime aus der Wunde); 2. Granulationsphase (Granulum = Körnchen; neues Bindegewebe, das grobkörnig aussieht, füllt die Wunde); 3. Epithelisierungsphase (Epithel = Deckgewebe; die Wunde schließt sich durch Epithelzellen von den Wundrändern aus). "In Phase 1 ist es wichtig, dass Verbände luftdurchlässig sind; in Phase 2 und 3 heilt die Haut schneller unter Luftabschluss", sagt Denius. In der Praxis gilt: "Solange die Wunde heilt, muss man die Verbandsstrategie nicht unbedingt verändern."
Im Zweifel behandelst du die Wunde immer, als sei sie in Phase 1. Denn eine kleine Rest-Infektion kann unter Luftabschluss außer Kontrolle geraten. Wichtig: Wenn sich ein Pferd verletzt, ist die Wunde immer infiziert, selbst wenn es nach einem sauberen Schnitt aussieht. Desinfiziere zunächst mit nicht-reizenden Mitteln wie Prontoderm oder Octenivet. Jod etwa ist in der Humanmedizin schon lange out. Die Wundränder schützt du mit Zinkcreme. Für die Behandlung eignet sich in Phase 1 eine Wundauflage mit Kalziumalginat und Silber (z.B. Suprasorb A + Ag).
Kalziumionen aus der Auflage und Natriumionen aus dem Wundsekret bilden ein Gel, das Sekret bindet und die Wunde reinigt; das Silber wirkt antibakteriell. Beim Verbandswechsel (nur so oft wie nötig) folgt eine Feuchtphase: Reinige die Wunde mit Kochsalzlösung oder Antiseptikum und decke sie für etwa 15 Minuten mit einer in Kochsalzlösung getränkten Kompresse ab. Dann lässt du die Wunde etwa 5 Minuten trocknen und legst einen neuen Kompressionsverband über der Wundauflage an. Haftet diese beim Verbandswechsel an der Wunde (Wunde ist zu trocken), löst du die Auflage vorsichtig mit Kochsalzlösung und gibst auf die nächste Auflage ein amorphes Gel (z.B. Suprasorb G). In Heilungsphase 2 und 3 kannst du als Wundauflage einen PU-Schaumverband oder Hydrokolloid-Verband verwenden, der mit Polster und Fixierbinde befestigt wird. Beide Auflagen sind bakterien- und wasserabweisend und lassen überschüssigen Wasserdampf verdunsten.



3. Über die fixierte Wundauflage kommt der Kompressionsverband. Wichtig: Wickle ihn vom Huf aus über den Kronrand nach oben. Bleibt der Kronrand frei, droht ein sogenanntes Fenster-Ödem. Peter Denius: „Wo kein Druck ist, läuft die Brühe hin.“

Hufschuh – Gips gibt festen Halt
Hufverbände legt der Tierarzt zum Beispiel bei Hufabszessen an. Sie halten aber selten so gut, dass das Pferd mit dem Verband auf der Weide oder im Paddock laufen kann. Der Hufschuh, den Peter Denius entwickelte, ist stabil. Das Pferd kann damit gleich wieder laufen. Er hält problemlos zwei bis drei Wochen. Der Schuh ist mit etwas Übung in ein paar Minuten fertig, so dass ein lahmendes Pferd nicht lange auf drei Beinen stehen muss. In das Grundmodell, das stets das gleiche ist, kannst du nach Bedarf Keile integrieren, um etwa bei Hufrehe-Pferden den Zug von der tiefen Beugesehne zu nehmen; auch Polstermaterial oder Tamponaden (z.B. Suprasorb A + Ag bei Hufabszess) lassen sich leicht einbauen.
Tipp: Lege auf den Strahlbereich eine antimikrobielle Kompresse, welche die Feuchtigkeit reguliert (z.B. Suprasorb X + PHMB). "Der Strahl bleibt sauber und fault nicht, selbst wenn der Verband ein paar Wochen lang drauf ist", sagt Denius. Als Polster ziehst du einen Schlauchverband bis zum Fesselgelenk über den Huf und klappst ihn am oberen Ende so um, dass er den Ballen gut abdeckt. Das Verbandsende schneidest du an der Hufspitze ab; das Loch klebst du mit selbstklebendem Vlies (2 mm dick) zu. Auf die Sohle kommt eine Kunststoff-Gipsbinde (z.B. Cellacast Xtra), die du vorher in sieben Schlaufen (etwa huflang) legst.
Wichtig: Trage beim Gipsen Einweg-Handschuhe. Dann wickelst du eine halbstarre Kunststoff-Gipsbinde (z.B. Cellacast Soft) um den Huf. Am Schluss wickelst du eine selbsthaftende Fixierbinde darüber. Dann sprühst du den Hufverband mit Wasser ein. In nur rund fünf Minuten ist der leichte Gips hart. Währenddessen kann das Pferd den Huf schon belasten.

1. Über den Huf ziehst du einen Schlauchverband, der Ballen und Kronrand polstert. Die Zehe verstärkst du mit einem Stück Vlies.

2. Lege die Schlaufen der Gipsbinde auf die Sohle; die Binde wird später steinhart. Trage dabei Handschuhe.

3. Nun wickelst du eine halbstarre Gipsbinde um den Huf. Diesen Gips kannst du später einfach mit der Schere aufschneiden.

4. Am Schluss sprühst du den kompletten Huf inklusive Sohle mit Wasser ein. Dadurch härtet der Kunststoff-Cast in Minutenschnelle aus.
Mauke – gesunde Haut ohne Waschen und Salben
Bei Mauke entzündet sich die Haut in der Fesselbeuge; Schmutz, abgesondertes Sekret und Hautzellen bilden leicht Krusten oder Borken. Schuld sind häufig bakterielle Infektionen, die sich oft nur mit mäßigem Erfolg behandeln lassen. "Mit meinem Mauke-Verband heilt die Haut in der Regel innerhalb von acht bis zehn Tagen – ohne Waschen und Salben", sagt Peter Denius.
Auf die veränderten Hautpartien legt er eine antimikrobielle Hydro-Balance Wundkompresse (Suprasorb X + PHMB). Sie nimmt je nach Bedarf überschüssiges Wundsekret aus der Wunde auf oder gibt bei zu trockenen Wunden Feuchtigkeit ab. Darüber legt er die Gelkompresse Suprasorb G, "weil diese kontinuierliche Feuchtigkeit an die untere Wundauflage abgibt". Krusten und Beläge werden von den Kompressen eigenständig gelöst; und diese sorgen gleichzeitig für ein ideales feuchtes Wundmilieu.
Am Platz bleiben die Kompressen durch einen leichten Gipsverband. "Sonst arbeiten sich die Wundauflagen mit der Zeit nach oben heraus", so Denius. Die Fessel wird mit Vlies gepolstert; dann wird eine Lage (jeweils überlappend) einer halbstarren Kunststoff-Gipsbinde (Cellacast Soft) vom Huf bis zum Fesselgelenk gewickelt. Darüber kommt eine selbsthaftende Fixierbinde. Der Verband wird mit den Händen angedrückt (moduliert) und mit Wasser eingesprüht. In rund fünf Minuten ist der Gips trocken. Nach drei Tagen wird der Verband einmal gewechselt. Nach vier Tagen unter dem zweiten Verband ist die kranke Haut in der Regel geheilt.

1. Lege die antimikrobielle sowie feuchtigkeitsregulierende Wundkompresse und die Gel-Auflage übereinander auf die entzündete Hautpartie in der Fesselbeuge. Krusten musst du vorher nicht abwaschen; sie werden schonender und eigenständig von den Wundauflagen gelöst.

2. Der Verband, der die Wundauflagen an ihrem Platz hält, muss als erstes gepolstert werden. Dazu verwendest du wie beim Kompressionsverband selbstklebendes Vlies. Die Streifen schneidest du dir passend von der Rolle zu und klebst sie direkt aufs Fell. Der Ballen muss gut abgedeckt sein.

3. Mit einer Soft-Gipsbinde umwickelst du den kompletten Huf von unten hoch bis hinauf zum Fesselgelenk, wobei sich die Streifen nur einmal überlappen. Wichtig: Handschuhe tragen. Der Gips ist so nachgiebig, dass ein Pferd damit problemlos laufen kann.

4. Über den Gips-Verband wickelst du zunächst eine Fixierbinde. Diese kannst du einfach wieder abwickeln, wenn der Gips hart ist.

5. Den Verband mit den Händen andrücken. Das ist wichtig, damit er sich perfekt der Anatomie des Pferdebeins anpasst.

6. Am Schluss besprühst du den Verband mit Wasser. Der Gips härtet in etwa fünf Minuten. Zum Wechseln schneidest du den Gips mit der Schere auf.