Was 2012 mit dem Anmieten eines Stalltraktes begann, ist mittlerweile ein veritables Zucht- und Sportunternehmen: Lisa und Thomas Müller, beide 34, haben auf Gut Wettlkam, gut 20 Kilometer südlich von München, unterschiedlichste Pferde beheimatet: Zuchtstuten, Hengste, Fohlen, Jährlinge und Reitpferde, die teilweise zum Verkauf stehen.
Der FC Bayern-Profi und die erfolgreiche Dressurreiterin bewirtschaften die gut 15 Hektar große Anlage zusammen mit einem achtköpfigen Team. Seit dem Jahr 2021 fungiert der Stall auch als Hengststation.
CAVALLO: Herr Müller, was fasziniert Sie, den Star-Fußballer, an Pferden?
Thomas Müller: Für mich ist das ein prima Ausgleich zum Fußball. Schuld daran ist meine Frau – sie hat mich mit dem Pferde-Virus infiziert. Das Pferd an sich ist ja ein majestätisches Tier. Manche Pferde sind vielleicht charakterlich fragwürdig und nicht die schönsten, wie bei uns Menschen auch… (lacht). Auf die Masse gesehen sind Pferde aber sehr freundliche Wesen, sie sind Partner und Wegbegleiter, sie strahlen Ruhe aus – und gleichzeitig Kraft und Eleganz.
Hinzu kommt: Es gibt da ja auch Parallelen zu meiner Welt des Wettkampfes. Ein junges Pferd auf dem Weg nach oben zu begleiten, ist vergleichbar dem Weg eines jungen Fußballers an die Spitze: Beide muss man beobachten und einschätzen lernen: Reicht das Potenzial? Wo sind die Baustellen, wo kann man scheitern? Das gefällt mir, vor allem im Dressursport. Da ist dieser Reiz, einer bestimmten Perfektion hinterherzujagen. Und ich finde es sehr spannend auf Turnieren dabei zu sein, vor allem wenn die eigenen Pferde am Start sind – das ist ein schönes Gefühl. Und dabei immer auch die Frage: Kann Lisa in der Prüfung abrufen, was sie zu Hause schon gezeigt hat?
Perfektion streben Sie inzwischen ja auch als Züchter an, ihr Geschäftspartner und Freund Walter Wadenspanner ist voll des Lobes für Sie…
Das freut mich! Es stellte sich mir irgendwann die Frage: Wie kann ich mich bei den Pferden, der Leidenschaft von Lisa, sinnvoll einbringen. Regelmäßig reiten ist zu riskant, weil ich nicht Gefahr laufen wollte, dass ich mal runterfalle und mich verletze. Das kann ich mir als Profi-Fußballer nicht leisten. Aber ich wollte tiefer in die Materie einsteigen. So kam ich dann auf die Idee zu züchten. Und Fohlen haben natürlich ihren Charme, sie sind wie kleine Hunde oder Kinder… Sie aufwachsen zu sehen, berührt einen sehr.
Sie haben sich im Lauf der Jahre einiges an Fachwissen erworben…
Das sind natürlich Lernprozesse. Aber wenn man so etwas Aufwendiges wie die Pferdezucht betreibt, soll es ja auch Hand und Fuß haben! Auf Turnieren habe ich in den letzten Jahren also immer genau zugehört, wenn sich die Fachleute unterhielten; und beim Unterricht meiner Frau habe ich genau aufgepasst: Ich wollte eben immer alles verstehen!
Man muss sich beim Züchten schon klar sein: Mit welchem Ziel gehe ich ran, worauf lege ich am meisten Wert, was will ich verbessern – und da gibt es natürlich ganz unterschiedliche Ansätze und keiner davon ist der bessere. Und man muss langfristig denken!
Das heißt?
Wir sind ja sehr Grand-Prix-Sport geprägt. Aber der geht erst zehn Jahre nach Geburt des Fohlens richtig los und bis dahin will man in den Jungpferdeprüfungen auch gerne erfolgreich dabei sein. Man jagt dabei ja der berühmten "eierlegenden Wollmilchsau" hinterher… (lacht). Ich denke, es ist dabei immer von Vorteil seinen eigens definierten Zuchtzielen treu zu bleiben.
Fühlen Sie sich in der Züchter-Szene mittlerweile ernstgenommen?
Ich kann mir schon vorstellen, dass da anfangs getuschelt wurde. Aber ich bin in der Szene jetzt nicht so integriert und mit meinen Fohlen ständig auf Fohlenschauen unterwegs, schon weil ich meine Fohlen mindestens bis drei-, vierjährig halte. Mir gegenüber hat sich zumindest noch nie jemand irgendwie abfällig geäußert. Was hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird, weiß ich ja nicht… Aber wir sind da ganz entspannt und haben eher das Gefühl, dass die Szene auch froh ist, wenn mal ein frischer Wind weht. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.
Wann fangen Sie an Ihre Pferde in Beritt zu geben?
Anfang dreijährig kommt erstmals der Sattel drauf. Dann werden sie bis Mai bei Walter Wadenspanner gearbeitet und dann kommen sie noch mal bis Oktober auf die Weide und werden dann Anfang vierjährig weiter ausgebildet. Und in dieser Zeit sieht man schon, wer verkauft wird und welches Pferd bei uns bleibt, weil wir da eventuell gute Perspektiven für den großen Sport sehen.
Meine Frau schaut bei den Jungpferden ja immer auch auf die Optik, aber Rittigkeit und ein starkes Hinterbein haben bei uns immer oberste Priorität.
Lassen Sie an Ihren Hengsten und Stuten eigentlich Gentests durchführen?
Ich habe meine Stuten auf WFFS, also die Bindegewebsschwäche Warmblood Fragile Foal Syndrom, kontrollieren lassen. Und wir haben bei D’avie aufgrund der Gerüchteküche seines Halbbruders Don Marttillo…
… der aufgrund einer wohl erblich bedingten Hypermetrie, also einer Bewegungsstörung der Hinterhand, im Frühjahr 2019 zunächst aus dem Zuchtprogramm genommen wurde…
…einen PSSM 1- und 2-Test gemacht. Da ist aber gottlob alles normal. Wir können also ausschließen, dass D’avie die Zucht negativ beeinflussen wird. Es werden in der Szene oftmals sehr schnell aus diffusen Halbwahrheiten Fakten gemacht und ganze Hengstlinien verteufelt. Darauf muss man als frischgebackener Hengsthalter vorbereitet sein.
Ihr zwölfjähriger Hengst D’avie steht seit 2021 in Wettlkam. Der Dunkelfuchs gilt ja als Musterknabe…
Ja, das ist er! Wir haben uns damals nach einem Nachwuchspferd für den Grand Prix-Sport umgeschaut, weil es mit Lisa ja international weitergehen sollte. Isabell Werth hat ihn dann mit uns ausgesucht. Er hatte ja schon einiges vorzuweisen: 2018 und 2019 Weltmeister der jungen Dressurpferde… Aber ganz ehrlich: Eigentlich wollten wir anfangs gar keinen Hengst, weil die im Umgang ja nicht immer leicht sind… doch D’avie ist unglaublich umgänglich, dem merkt man sein Hengstsein kaum an. Er ist, wenn ich ehrlich bin, unser bravstes Pferd im Stall.
Er hatte als Junghengst leider kaum gedeckt, danach ein bisschen in Dänemark. Sein Ruf als Top-Zuchthengst hat darunter ein wenig gelitten – das wollten wir ändern. Seitdem samt er bei uns ab, seine Samenqualität ist hervorragend. So einer muss der Zucht zur Verfügung stehen.
Und wie ging es danach weiter?
Nach dem Kauf von D’avie haben wir uns auf den Körungen in Oldenburg und Westfalen umgesehen, um den Züchtern auch ein paar Alternativen anbieten zu können. Und so haben wir dann Bowmore als 2. Reservesieger in der Online-Auktion ersteigern können. Bowmore ist ja ein Bordeaux-Nachkomme. Bordeaux selbst war KWPN Siegerhengst 2009 und danach bis Grand Prix im Sport erfolgreich. In der Zucht hat er aber vor allem durch seine Nachkommen auf sich aufmerksam gemacht. Beim Louisdor-Preis 2020 hat ja auch ein Bordeaux-Nachkomme, Bonheur de la vie, unter der Österreicherin Sandra Nuxoll, gewonnen. Er ist also ein Pferd, das Grand-Prix-Pferde macht – schon deshalb hat mir Bowmore sehr gut gefallen. Außerdem kommt Bowmore selbst aus einem super Mutterstamm. Seine Schwester Sephora S ist mittlerweile auch schon bis Grand Prix vorgestellt worden. Kurz: Er ist ein Hengst nach unserem Geschmack!
Die Hengste im Überblick
D’Avie: 2014 Prämienhengst und Preisrekordler der Hannoveraner Körung in Verden.
Fuchs, geboren 2012, Stockmaß: 173 cm, zugelassen für: Hannover, Oldenburg, Westfalen, DWB und alle süddt. Verbände
Bowmore: Prämienhengst und eine der Preisspitzen bei den Oldenburger Hengsttagen 2020 in Vechta.
Fuchs, geboren 2018, Stockmaß: 172 cm, zugelassen für: Oldenburg, Westfalen und alle süddt. Verbände
Feliciano: Besticht mit Höchstnoten zwischen 9,0 und 9,5 für den Trab, 9,0 bis 9,5 für den Galopp, 8,0 bis 8,5 für den Schritt und 9,0 bis 9,75 für seine Rittigkeit.
Dunkelfuchs, geboren 2019, Stockmaß: 172 cm, zugelassen für: Deutsches Sportpferd, Westfalen, Oldenburg und Hannover
Va Bene: Auktionsspitzen und zahlreiche Siegerfohlen auf Fohlenchampionaten bundesweit machen Va Bene zu einem der begehrtesten Dressurhengste.
Dunkelfuchs, geboren 2016, Stockmaß: 174 cm, zugelassen für: Deutsches Sportpferd, Westfalen, Oldenburg und Hannover
Floricello: 2012 Leistungsprüfung in Schweden. In Falsterbo siegte er im Scandinavian Open. 2013 war er in Verden Vizeweltmeister der fünfjährigen Dressurpferde.
Dunkelfuchs, geboren 2008, Stockmaß: 173 cm, zugelassen für: Deutsches Sportpferd, Westfalen, Oldenburg und Hannover
Der Zuchthof Wadenspanner im niederbayerischen Rottenburg-Pattendorf und Thomas Müller arbeiten seit über 10 Jahren zusammen. Die Wadenspanners helfen bei der Ausbildung der Jungpferde und übernehmen in Sachen Zucht viele administrative Aufgaben für Gut Wettlkam: "Eine fruchtbare Ergänzung", nennt Walter Wadenspanner die Kooperation. Und: "Der Thomas ist ja auch ein sympathischer Werbeträger, der inzwischen sehr viel Ahnung in Sachen Zucht hat. Mit ihm kann man prima über Blutlinien und Anpaarungen diskutieren."