Unten im Dorf kräht ein Hahn. Die Vögel zelebrieren ihr Morgenkonzert, als sich die Sonne langsam über den Rochlitzer Berg im sächsischen Muldenund Chemnitztal schiebt. Während die Natur erst wach wird, ist Gunda längst fleißig: Die Schwere Warmblutstute legt sich ins Kummet und zieht an wie eine Maschine. Wer glaubt, unter ihren großen Hufen wächst kein Gras mehr, irrt: Gunda hebt ihre Füße im akzentuierten Viertakt und setzt sie akkurat in die schmale Spur der Kartoffelreihen.

Kein Film, kein Wettbewerb, kein Bilderbuch. So sieht seit 28 Jahren die Realität auf dem Gemüsehof Bohne in Stollsdorf aus, der südöstlich von Leipzig liegt. Synke und Kay Bohne leben auf ihrem Hof am Ortsrand, mit Staketenzaun um den Garten, Offenstall für die Pferde und einem Innenhof, in dem die Lieferwagen wenden und sich die Gemüsekisten stapeln.
Beide studierten in den 1990er-Jahren Landwirtschaft und hatten die Vision eines kleinbäuerlichen Wirtschaftskreislaufs. Mit 1,9 Hektar fingen sie an: "Gemüse wächst schnell und die Bio-Ware konnten wir direkt vermarkten", erklärt Synke Bohne. Sie belieferten von Anfang an Bio-Läden in Leipzig und Chemnitz. Am meisten "bio" aber ist, wenn Synke und Kay Bohne den Trecker in der Scheune lassen und die Pferde vor museale Ackergeräte spannen. Die Stuten Umsi, die eigentlich "Umsicht" heißt, und Gunda sind das Stammpersonal. Beide gehören zu den Sächsisch-Thüringischen Schweren Warmblutpferden.
Umsi ist 25 Jahre alt, Frau Professor der Ackerarbeit. Gunda ist ihre 15-jährige Tochter. Nicht ganz so feinfühlig wie die Mama, aber auch durch und durch Profi. Marie ist erst dreijährig und Lehrling.

Wer richtig ackert, spart sich das Fitness-Studio
"Ehrlich gesagt, zeigen uns heute noch manche Kollegen den Vogel", erzählt Synke Bohne. "Aber: Wir haben Arbeit, die uns Freude macht und von der wir leben können." Die Rechnung geht auf: Heute hat der Biohof über 20 Hektar Anbauflächen, Gewächshäuser, einen Wald, Grünland, eine Mutterkuh-Herde und Hühner. Vorbild war der traditionelle Bauernhof von Kays Opa. Der hat noch mit Herzblut und Pferden gearbeitet, bis der damalige DDR-Staat die Bauernhöfe in großen staatlichen Landwirtschaftsproduktionsgenossenschaften (LPGs) zusammenschloss.
Kay und Synke Bohne haben das noch als junge Erwachsene erlebt. "Die friedliche Revolution", so sagt Kay Bohne zur politischen Wende, "war unser Glück." Denn so konnten sie in den 90er-Jahren nach und nach Felder aus der Treuhand erwerben und ihren Betrieb aufbauen und vergrößern. Inzwischen haben sie einen Hofladen und liefern Abokisten aus. Von den vier Kindern sind drei erwachsen und haben ebenfalls einen landwirtschaftlichen Beruf gewählt. Die Hofnachfolge ist gesichert.

Dabei ist das keine leichte Arbeit: Wenn Gunda den "Igel" durch die Kartoffelreihen zieht, muss Synke Bohne stramm hinterher marschieren. Das altehrwürdige Ackergerät hackt das Unkraut aus der Erde und lüftet den Boden. "Das Geld für ein Fitnessstudio können wir uns sparen", lacht Synke Bohne. Die Leinen von Gunda liegen nur zwischen zwei Fingern: "Deshalb müssen die Pferde auf dem Feld genau wie Holzrückepferde verlässlich auf die Stimme hören", sagt Synke Bohne.
Bei ihr heißt "Hotte" rechts und "Hüst" links. Gelernt haben die Biobauern den Umgang und die Arbeit mit den Pferden von Wolfgang Ziegert aus dem Dorf. Der Hufschmied und Sattler ist bald 80 Jahre alt. "Er hat die alten Kummets von Großvaters Dachboden an unsere Pferde angepasst", erzählt Kay Bohne.

Für Familie Bohne haben Pferde gegenüber dem Traktor die Nase vorn
Für das Ehepaar ist die Arbeit mit den Pferden ein Bewahren von altem Wissen. Auch schont sie den Boden, weil die Pferdehufe nur punktuellen Druck ausüben, während Traktorreifen ganze Flächen verdichten. "Ich bin hinter dem Pferd näher an der Frucht als vom Traktor aus. Da fällt mir schneller auf, was nicht in Ordnung ist", sagt Kay Bohne und rupft im nächsten Moment ein paar Kartoffelkrautblätter ab, an denen der Kartoffelkäfer seine Eier abgelegt hat.

Synke und Kay Bohne sind überzeugt, dass ihre Pferde einige der Arbeiten auf Gemüseäckern und in Gewächshäusern gleich gut wie Traktoren erledigen können – zeitlich wie wirtschaftlich gesehen. Etwa die neueste unter den historischen Schätzchen: die Kartoffellegemaschine. Der Traktor könnte nicht schneller arbeiten, denn auf der Legemaschine sitzen die Bauern und Mitarbeiter und stecken während der Fahrt die keimenden Kartoffeln in die Erde. Mitte März war das, für den Traktor wären die Böden noch zu weich gewesen. Deshalb hatte Familie Bohne Anfang Juni erstmals eine extrem frühe Kartoffelernte: besonders zarte wohlschmeckende Kartoffeln mit dünner Schale waren das.
Der Biohof Bohne ist ein Exot, aber nicht der einzige landwirtschaftliche Betrieb mit Arbeitspferden. "Gerade bei qualitativ hochwertigen landwirtschaftlichen Produkten werden Pferde eingesetzt", sagt Nimue Dröge vom Arbeitskreis Landwirtschaft der Interessensgemeinschaft Zugpferde e.V. (IGZ). Beim Holzrücken, bei Pflegearbeiten auf Gemüsefeldern, zum Unkraut-Hacken, Beete bestellen, Pflügen, Heuwenden oder im Weinbau sind Pferde unterwegs und punkten gegenüber dem Maschinenpark mit Nachhaltigkeit. Aktuell führt die IGZ eine Umfrage durch und aktualisiert die Adressdatenbank mit pferdeunterstützten landwirtschaftlichen Betrieben.

Bei den Veranstaltungen der IGZ holt sich Familie Bohne Inspiration und Knowhow. "Wir haben mal ein Laufband wie von Sportpferden gesehen – nur dass die Pferde das Band in Bewegung bringen und über einen Hydraulikmotor einen Holzspalter antreiben", erzählt Kay Bohne. Seine Augen leuchten. Das ist der aktuelle Traum von Kay und Synke Bohne. Damit wären die Pferde im Winter besser ausgelastet. Das Brennholz wäre für den Eigenbedarf und könnte ihrem Hof Energie für die Zukunft geben – traditionell gedacht und gemacht.

Kontakt
Biobauernhof Bohne
Kay Bohne
Hauptstraße 29
09306 Stollsdorf
www.biohof-bohne.org