Mehr Aufmerksamkeit für die Para-Dressur
Paris 2024. Die Reiterin strahlt über beide Ohren und fällt ihrem vierbeinigen Sportpartner um den Hals. Der schnaubt zufrieden ab und schreitet mit langen Schritten aus dem Viereck. Ein zufriedenes Team nach einem gelungenen Ritt. Ein Ausnahme-Paar?
Nein! Wer im großen Reitsport einen "Happy Athlete” statt einer strampelnden Marionette sehen möchte, hat gute Chancen, in der Para-Dressur fündig zu werden. Ein Schauplatz, der öffentlich zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Hier zeigen die meisten Vierbeiner zwar keine spektakulären Bewegungen, aber entspannte, aufmerksame Gesichter. Dabei sind doch gerade die Pferde von Reitern, die körperlich eingeschränkt sind, besonders gefordert. Erstaunlich, wie munter sie auch ohne treibende Schenkelhilfen marschieren oder unbeirrt auf Kurs bleiben, wenn der Pilot im Sattel mal in Schieflage gerät.
Das wirft Fragen auf: Wie gelingt es, die Pferde der gehandicapten Reiter bei Laune zu halten? Ist die Para-Dressur möglicherweise sogar ein Vorbild in Sachen Tierschutz? Wird hier pferdegerechtes, klassisches Reiten noch wertgeschätzt? Wir schauen uns diesen Sport genauer an.
Die Dressur ist seit 1996 Teil der Paralympics
Keine andere Reitdisziplin ist bislang Teil der paralympischen Wettkämpfe. Para-Equestrian, also Pferdesport für Menschen mit Behinderung, wurde 2006 mit den Disziplinen Dressur und Fahren sowie eigenen Regelwerken in den Weltreiterverband FEI aufgenommen. Für die deutschen Para-Reiter gilt außerdem die Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) der FN, auf deren Grundlage sie bewertet werden.
Wie in anderen Para-Sportarten werden die Reiter hinsichtlich ihrer Behinderung in "Grades” eingeteilt, damit sie sich im Wettkampf möglichst vergleichbar miteinander messen können. Für jedes Grade existieren eigene Aufgaben. Manche Lektionen dürfen in bestimmten Startklassen nicht gezeigt werden, um die Reiter nicht zu gefährden. So dürfen etwa Reiter mit Grade 1, die am stärksten gehandicapt sind, die Aufgaben nur im Schritt absolvieren. Die Para-Dressur hat sich durch die Inklusion gut entwickelt – in vielerlei Hinsicht ein Segen für die Reiter. Kaum vorstellbar, dass sie bis zu den Paralympics im Jahr 2000 in Sydney auf zugelosten, fremden Pferden starten mussten. Erst seit Athen 2004 dürfen sie mit ihren eigenen Pferden antreten.

Gutes Team: Reiter mit Handicap brauchen Pferde, die von sich aus gerne mit ihnen arbeiten. Für Para-Reiter ist die Bindung zum Pferd somit nicht nur ein Sicherheitsfaktor.
Vorbild: Richter achten mehr auf Harmonie und Losgelassenheit
Die Genauigkeit der Lektionen stehe weniger im Fokus, erklärt Ina El Kobbia, hauptamtliche Geschäftsführerin des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR), dem Bundesfachverband für pferdgestützte Therapie, Förderung und den Pferdesport für Menschen mit Behinderung. Bei Para-Reitern werde die Einwirkung im Kontext ihrer Behinderung bewertet. Besonderes Augenmerk liege darauf, wie gut und losgelassen sich das Pferd bewege und wie harmonisch die Partnerschaft zwischen Reiter und Pferd sei.

Korrekte Ausbildung und Abwechslung erhalten den Spaß am Training. Dabei haben die Trainer ihre gehandicapten Sportler und ihre Tiere immer genau im Blick.
"Und das ist doch eigentlich, worauf es ankommt: die Grundlagen und die Durchlässigkeit, und das in Feinabstimmung”, findet Ausbilderin Bianca Rieskamp. Seit sie Reiter mit körperlichen und geistigen Behinderungen unterrichtet hat, ist ihr die Para-Dressur ans Herz gewachsen. "Bei den Vorstellungen in Paris konnten wir noch natürliche Bewegungen der Pferde sehen. Auch die zahlreichen hervorragenden Momentaufnahmen zeigten, dass klassisch ausgebildet und geritten wurde, was heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Mich hat beeindruckt, dass die meisten Pferde zufriedene Gesichter hatten und ich habe mich gefreut, ein Zusammenspiel von Mensch und Pferd zu sehen.” Für Bianca Rieskamp war die Bewertung dennoch nicht immer nachvollziehbar. "Leider geht der Trend dahin, dass die (Bewegungs-) Qualität vermehrt in die Wertnoten einfließt und höher benotet wird als die korrekte Ausbildung des Pferds gemäß seinen jeweiligen Bewegungsmöglichkeiten”, kritisiert die Ausbilderin.
Reiterin Gianna Regenbrecht, die seit einem Unfall erfolgreich auf die Para-Dressur umgesattelt hat, weiß, worauf Richter gucken: "Sie achten sehr auf das genaue Reiten der Linien, auf die Klarheit der Grundgangarten und die Ausführung der Lektionen. Auch wie harmonisch und losgelassen sich die Pferde präsentieren, fällt stark ins Gewicht. Mit einer Volte, deren Form einem Ei gleicht, kommt man im Para-Sport nicht weit.”
Du willst mehr zum Thema Para-Dressur erfahren, welche Wettkampfklassen es gibt oder welche kompensatorischen Hilfsmittel erlaubt sind? Hier findest du den kompletten Artikel: