Pferdezucht der Zukunft: Zurück zu alten Linien

Wende in der Warmblutzucht
Pferdezucht für die Zukunft

ArtikeldatumVeröffentlicht am 20.09.2025
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Pferdezucht für die Zukunft
Foto: Rädlein

Eine stabile Sportpferde-Zucht

Schon lange vor der Hofeinfahrt wissen wir, dass wir unserem Ziel näherkommen. Wir fahren vorbei an sanften Hügeln mit Baumbestand und grünen Weiden, sauber getrennt mit stabilen Holzzäunen. Soweit das Auge reicht! Pferde allerdings sehen wir nicht – wie in einem Wildpark, wo man suchend vor einer riesigen Fläche steht und sich fragt, in welcher Ecke sich die Tiere wohl versteckt haben. Heute sind wir allerdings ganz sicher, dass wir noch genug Pferde zu Gesicht bekommen. Wir besuchen Tanja Bayhas kleine, aber feine Warmblut-Zucht auf dem Hofgut Kaltenherberge bei Freiburg, nahe der Schweizer Grenze.

Tanja Bayha hat es sich zum Ziel gesetzt, gesunde, stabile und leistungsfähige Sportpferde zu züchten. Das hat uns neugierig gemacht. Angesichts der Entwicklungen, die die Warmblut-Zucht in den letzten beiden Jahrzehnten genommen hat, klingt das nach einem ganz besonderen und vielversprechenden Ansatz. Darüber würden wir gerne mehr erfahren!

Tanja Bayha mit einem Schimmel am Knotenhalfter.
Tanja Bayha
Die Expertin

Wir sitzen am großen Holztisch im blühenden Innenhof des Gestüts. Es ist still auf dem Hof. Die Stuten mit ihren Fohlen wurden bereits von den Weiden geholt und in die kühlen Stallungen gebracht. Doch Hektik und Trubel haben hier auch sonst keinen Platz. Geduld und Ruhe mit den Pferden, darauf legt Tanja Bayha viel Wert.

Das Hofgut ist weitläufig. Darauf verteilen sich viele Stallgebäude mit großen hellen Boxen, ein Klinikraum, zwei Reithallen, eine Longierhalle und ein Rasen-Springpark mit angrenzendem Pferde-Schwimmbad. Rundherum 30 Hektar eingezäuntes Grünland – bis zum Horizont und noch weiter. Alles ist hochmodern, topgepflegt und blitzsauber. Ungläubig fahren wir über die silberglänzenden Einfassungen der Boxenwände – kein Staubkorn macht es sich da gemütlich.

Dass es an diesem Ort alles gibt, was das Herz eines Pferdefreundes begehrt, liegt auch daran, dass der Schweizer Unternehmer und Pferdesport-Mäzen Dr. Thomas Straumann auf dem Hofgut ein Zuhause für seine Pferde gefunden hat. Einen Teil der Anlage hat er langfristig gepachtet. Seine rund 50 Pferde, unter anderem der Deckhengst All Star und ehemalige Weltklasse-Springpferde, genießen hier ihren Ruhestand. Der Sportpferdestall wird von ihm und seinen beiden Töchtern geleitet.

Brauner Deckhengst im Porträt am Halfter.
Rädlein

Heute werden oft nur Auktions-Stars gezüchtet

Das Hofgut befindet sich seit 1964 in Besitz der Familie Bayha. Richard Bayha senior legte den Fokus einst auf die Landwirtschaft im klassischen Sinne und auf die Pferdezucht. Ab Ende der 60er-Jahre war auf dem Betrieb auch eine Deckstation des Haupt- und Landgestüts Marbach angegliedert. 1986 erfolgte dann die Übergabe des Betriebes an seinen Sohn Richard Bayha junior.

Wir sprechen mit Tanja und ihrem Mann Richard Bayha über die Pferdezucht. Der Landwirtschaftsmeister und ehemalige Springreiter erinnert sich zurück, wie es war, als bei den Pferden auch noch andere Qualitäten als nur "Gummi" zählten: an altersgerechte Materialprüfungen in Verden mit Schritt, Trab und Galopp. "Das Freispringen kam erst später dazu. Irgendwann wurden bewährte Linien und vielseitige Anlagen altmodisch. Man züchtete nur noch Spezialisten, für die Dressur oder fürs Springen. Dann gab es die ersten Dressurkönige und die falsche Entwicklung nahm ihren Lauf."

Seine Frau pflichtet ihm bei. "Heute werden oft Popstars gezüchtet." Das moderne Warmblut mit spektakulären Bewegungen werde zwar auf Auktionen gehyped, verschwinde aber danach oft von der Bildfläche. Man weiß es doch eigentlich längst: Sportliche Erfolge bis ins hohe Alter sind mit vielen Pferden kaum noch möglich, weil ihr auf viel Elastizität gezüchteter Körper den Belastungen unterm Sattel nicht gewachsen ist – wenn sie nicht schonend darauf vorbereitet werden. Aber: Zeit ist Geld.

Das muss auch anders gehen, findet Tanja Bayha. "Wir müssen uns auf Qualitätsmerkmale wie Härte, Ausdauer, Vielseitigkeit, Charakter, Stabilität und Haltbarkeit zurückbesinnen. Spektakuläre, unnatürliche Bewegungen sind nur für eines gut: einen schnellen, teuren Verkauf ohne jeden züchterischen Wert." Starke Meinung, starke Frau: Nach einigen Jahren Unterbrechung hat Tanja Bayha unter der von Richard Bayha senior gelebten Passion und Weitsicht die Pferdezucht auf dem Hofgut neu aufgenommen und mit viel persönlichem Herzblut weiterentwickelt. Ihr Motto: "Wenn wir nicht Teil der Lösung sind, sind wir Teil des Problems".

Süßes Fuchs-Fohlen mit schmaler Blesse im Porträt.
Rädlein

Die Suche nach alten Genen ist schwierig

Anstatt auf junge Star-Hengste zurückzugreifen, wie es heute Mode ist, setzt sie auf die guten Gene bewährter Althengste. Die findet sie vor allem bei den Spring-Vererbern. Denn in der Dressurpferde-Zucht sei der Genpool enorm geschrumpft; viele Tiere haben die gleiche Abstammung. Man habe sich dort in erster Linie auf das Bewegungspotenzial konzentriert und die Gesundheitsmerkmale vernachlässigt. Das Ergebnis: Fundamentsfehler, Fehlstellungen und andere Gebäudemängel. Die Gesundheit der Pferde sei daher immer mehr in den Hintergrund gerückt. "Über Schwächen, die man früher in den Büchern dokumentierte, wird man gar nicht mehr informiert", so Tanja Bayha.

Heute wälzt Tanja Bayha Datenbanken. Denn: "Um etwas zu verbessern, sollten niemals schlechte Eigenschaften in Kauf genommen werden", betont sie. Sie schaut sich die Eigenschaften von Stuten und Hengsten über Generationen hinweg an, führt virtuelle Anpaarungen durch, um etwa die Schwächen einer Stute mit den Stärken eines Hengstes auszugleichen. Ihr Ziel: "Ich versuche, auf die traditionellen Grundqualitäten der Hannoveranerstämme zurückzuzüchten."

Tanja Bayha weiß genau, was sie auf dem Hof stehen hat. Ihre Stuten sind auf sämtliche genetischen Erkrankungen getestet, geröntgt und untersucht. Zwei ihrer Mädels hat sie über private Kleinanzeigen gefunden, weil sie gezielt nach alten Zucht-Linien gestöbert hat. Bei den Hengsten hat sie es noch schwerer, denn von den alten Vererbern ist Tiefgefrier-Sperma schwer zu bekommen. Inzwischen hat sie ein eigenes TG-Depot angelegt. Auf zum Teil komplizierten Wegen sammelte sie, auch aus dem Ausland, seltene Gene von beispielsweise Grannus, Fly High, Drosselklang und der selten gewordenen P-Blutlinie.

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Mit ihrem diesjährigen Nachwuchs ist Tanja Bayha sehr zufrieden: Die Fohlen, die bereits geboren sind, stehen auf stabilem Fundament und haben die besten Voraussetzungen, um groß und stark zu werden. Die älteren Youngster sind zurzeit rund um die Uhr auf den Weiden. Tanja Bayha fährt uns hin. Wir finden die Tiere zwischen schattenspendenden Bäumen oder in ihren Unterständen. Den altersgemischten Gruppen hat die Züchterin jeweils einen Oldie zugeteilt, der dafür sorgt, dass das junge Gemüse nicht zu frech wird.

Die Jährlinge galoppieren auf der Wiese.
Rädlein

Auch bei der späteren Ausbildung geht Tanja Bayha keine Kompromisse ein. Sie und ihre Mitarbeiterinnen Kathrin und Lara investieren viel Zeit und Liebe, damit aus den Fohlen verlässliche Partner für ihre künftigen Besitzer werden. Die Ausbilder, die regelmäßig auf den Hof kommen, haben die gleiche Einstellung. Zum Beispiel Martina Ebner, die die Kaltenherberger Jungpferde behutsam und nach guter klassischer Schule an der Hand aufs Reitpferdeleben vorbereitet. Oder Springreiter Josef Kmoch, den sie für das weitere Training unter dem Sattel engagiert hat. Er reitet die Tiere einfühlsam und ohne Zwang an. "Das läuft total entspannt ab – das ist mir wichtig. Hier wird kein Pferd für die Auktion dressiert", berichtet Tanja Bayha. Sie hofft, dass es künftig noch mehr Kunden gibt, die diese Werte stärker beim Kauf eines Freizeit- und Sportpartners einfließen lassen.

Zucht, Ausbildung und Reitsport – das geht auch pro Pferd, wenn es gut und richtig umgesetzt wird. Ein Modell für die Zukunft.