Geht es dem Fohlen gut?
Den Gesundheitszustand nach der Geburt checken

Geht es dem Fohlen gut? Aufschluss darüber gibt das sogenannte Gießener Vorsorgeschema, an dem sich Tierärzte orientieren und das auch Züchtern gute Anhaltspunkte zum Gesundheitszustand ihrer Pferde-Zwerge liefert.

Neugeborenes Fohlen mit Mutterstute
Foto: purple_queue / GettyImages

Das Schema gliedert sich in zwei Teile. Im ersten wird der Zustand in der ersten Lebensstunde beurteilt. Liegt das Fohlen ein bis zwei Minuten nach der Geburt bereits in Kopf-Brust-Lage? Startet es in der ersten halben Stunde bereits erste Aufsteh-Versuche? Und kann es innerhalb der ersten Stunde sicher stehen und sucht Kontakt zum Euter? Das spricht für ein vitales Fohlen. Der zweite Teil gibt Anhaltspunkte zum ersten Tag im Fohlenleben. Beurteilt werden hier das Stehvermögen, die Körpertemperatur, der Abgang des Darmpechs, Harn, Atmung und der Kontakt zur Mutter. Das Vorsorgeschema als PDF können Sie hier kostenlos herunterladen:

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Fohlen-Verhalten nach Geburt: Abweichungen sind verdächtig

Fohlen sind Nestflüchter. Schon kurz nach der Geburt rappeln sie sich auf ihre scheinbar überlangen Beine, staksen zum Euter der Mutterstute, trinken die überlebenswichtige Biestmilch und galoppieren bereits am ersten Tag über die Wiese. Liegt ein Neugeborenes dagegen selbst Stunden nach der Geburt noch teilnahmslos im Stroh, atmet schwer, will weder aufstehen noch trinken, herrscht Alarmstufe Rot in der Fohlenbox. Das Tier leidet womöglich unter Fohlenlähme (Fachbegriff: neonatale Septikämie, die Fohlen leiden unter akuter Blutvergiftung). Verdächtig ist jede Abweichung vom normalen Verhalten. Veterinäre raten zudem, bei neugeborenen Fohlen die Innenseite der Ohrmuscheln sowie die Mundschleimhäute zu kontrollieren: Bei Fohlen mit Blutvergiftung zeigen sich hier häufig Punktblutungen, also kleine rote Punkte.

Blutvergiftung bei Fohlen: Wann zeigen sich Symptome?

Das Immunsystem ist bei Fohlen nicht auf Trab. Fohlensepsis ist eine schwere Allgemeininfektion des Körpers durch krankmachende (pathogene) Mikrorganismen in der Blutbahn. Der Organismus des Pferds reagiert auf Angreifer von innen oder außen mit einer Entzündung, um den Schaden zu begrenzen und die Ursache zu bekämpfen. Ist das Immunsystem des Tiers wie bei einem neugeborenen Fohlen noch nicht optimal auf Trab, entgleist der natürliche Schutzmechanismus. Es kommt zu einer überschießenden Entzündungsreaktion, die eine "Ganzkörperentzündung" zur Folge hat. Fohlen können sich vor, während und nach der Geburt infizieren. Fohlen, die sich im Uterus infizierten, sind die dramatischsten Fälle, die im Brutkasten von Tierkliniken landen. Bei ihnen bricht Fohlenlähme meist zwischen der 12. und 36. Lebensstunde aus. Fohlen, die sich während der Geburt durch Keime etwa im Scheidenkanal infizierten (Warnhinweis: Stute hatte vor der Geburt vaginalen Ausfluss und Fieber), zeigen erste Symptome zwischen der 24. und 48. Lebensstunde; manchmal wirkt das Fohlen auch erst nach 72 Stunden krank. Die meisten Fohlen infizieren sich nach der Geburt, wobei Bakterien über Maul, Nüstern, Nabel oder Augenschleimhäute in den Körper gelangen. Die Krankheit bricht dann frühestens am 3. oder 4. Tag aus. Die Erreger befallen unter anderem die Atemwege, den Darm, schließlich Knochen und Gelenke. Im Spätstadium lahmt das Fohlen, Gelenke entzünden sich und schwellen. Häufig sind die Knie betroffen. Solange das Fohlen noch steht und selbstständig saugt, sind seine Chancen gut: Etwa Zweidrittel der Tiere überleben.

Wie viel Kolostralmilch braucht ein Fohlen?

Schnelles Handeln ist entscheidend. Rufen Sie daher beim geringsten Verdacht umgehend den Tierarzt – und warten Sie nicht ab, ob sich das Fohlen vielleicht doch noch von selbst berappelt. Ein neugeborenes Fohlen sollte in den ersten vier bis acht Stunden nach der Geburt mindestens einen Liter Kolostralmilch trinken. Die erste Muttermilch schützt vor Infektionen, weil sie das Fohlen mit Antikörpern (Immunglobuline) der Mutter versorgt und seine Immunabwehr in Gang setzt. Für den Notfall sollten Züchter Reservekolostrum haben. Wichtig für hohen Antikörper-gehalt: Die Mutterstute sollte in den ersten sechs Stunden nach der Geburt gemolken werden. Tiefgefrorene Biestmilch muss langsam aufgetaut werden.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023