Nur eine halbe Autostunde vom Flughafen Berlin entfernt sieht die Welt überhaupt nicht großstädtisch aus: Die Landstraße, teils in altehrwürdige Alleen eingepfercht, führt durch weite Felder. Mitten in einem Wohngebiet sind wir am Ziel: Hinter dem großen Tor stehen ein paar Backsteingebäude zwischen gepflegten Rasenflächen. Still ist es hier heute. Dabei wird an dem Ort nicht nur die TV-Serie "Die Pferdeprofis" des Senders VOX gedreht, hier ist auch die Wirkungsstätte der Hauptdarstellerin. Pferdetrainerin Katja Schnabel gibt auf diesem Hof Kurse und trainiert Berittpferde. Ist hier jemand?

Vor einem der Gebäude stoßen wir auf Leben: Plaudernde Damen sitzen an einem Tisch vor gefüllten Kaffeetassen. Eine traute Runde, wie es scheint, doch erst frisch zusammengewürfelt: neue Schülerinnen von Katja Schnabel, die gerade angereist sind, aber als ihre besten Freundinnen durchgehen würden. Katja Schnabel ist ein Kumpeltyp, geht offen und frei heraus auf Menschen zu. Wie wir später erfahren, für eine Pferdetrainerin gar nicht so unwichtig...

Aber zunächst zu den Pferden! Einen Teil der weitläufigen Reitanlage, durch die wir uns wie einsame bunte Punkte bewegen, hat Katja Schnabel gepachtet. Ein ehemaliger Rennstall, in dem noch immer wenige Galopper trainiert werden. Halle, Ausläufe, Koppeln und sogar die Galoppbahn kann die Pferdetrainerin nutzen. Die Stallungen theoretisch auch, aber die sind noch verwaister als der Rest des Hofs. Katja Schnabels eigene Pferde und die Gastpferde stehen rund um die Uhr auf Koppeln oder Sandpaddocks mit Heuraufen.

Bäume dienen als Wetterschutz. "Wenn es regnet, ziehen wir ihnen Decken an", sagt die 39-Jährige. Die Boxen sind für den Notfall da. Platz ist für bis zu 12 Gastpferde, deren Besitzer häufig auch vor Ort sind. Sie können Intensivtrainings buchen, von einem Wochenende bis zu zwei Wochen.

Eines der neuen Gastpferde ist Stütchen Riani, die Katja Schnabel aus dem Paddock holt. Als sie das Tor schließt, steckt das Pony seine Nase ins Gras. Statt den nimmersatten Dickschädel am Strick wegzuziehen, klopft die Trainerin mit der Gerte mehrmals kurz vor dem Pferd auf den Boden, um es zu erschrecken. Riani hält nur kurz inne, sodass Schnabel sie erneut ermahnt. "Ich möchte ihre Aufmerksamkeit, ohne dass ich Kraft anwenden muss", erklärt Katja Schnabel.

In der noch fremden Halle lauscht Riani lieber den Rufen ihrer tierischen Freunde als der Pferdetrainerin, die sie am Strick führt. Schnabel motiviert die nervöse Stute mit Bewegungsspielen, ihr mehr zuzuhören. Mit Gestik und der Gerte gibt sie Richtungen vor, fragt mehr oder weniger Tempo an, lässt das Pferd mit der Vor- oder Hinterhand weichen. Genau das macht sie mit jedem Pferd, um herauszufinden, wie fein es reagiert, auf welche Hilfen es anspricht und welche es vielleicht noch gar nicht kennt.
Als Riani beginnt, auf die Trainerin zu achten und für einige Momente zur Ruhe kommt, entlässt Katja Schnabel sie wieder auf den Paddock. "Es geht mir gar nicht darum, die Chefin zu spielen", betont Schnabel. "Sobald sich das Pferd entspannt und mir zuhört, habe ich beim ersten Training mein Ziel erreicht."

Viele Pferdebesitzer setzen zu viel Druck im Umgang mit ihren Pferden ein, findet die Trainerin. "Ein aufmerksames Pferd folgt meinen Bewegungen, ohne dass ich es dazu auffordern muss", erklärt sie. "Gehe ich los, tritt auch das Pferd an." Das setze allerdings voraus, betont die Ausbilderin, dass der Mensch selbst gedanklich immer beim Pferd ist. "Es fällt oft schwer, nicht aufs Handy zu gucken, nicht an Zuschauer an der Bande zu denken oder an das, was man noch alles erledigen muss. Meine Reitschüler lernen klare, faire und fokussierte Kommunikation mit dem Pferd – und erleben schnell Erfolge."
Großes Pferd, große Reiterin
Wie wichtig eine gute Kommunikation mit dem Pferd ist, hat die Trainerin früh gelernt. Schon als Kind waren Pferde für sie das Größte. Die "brave Chayenne" ihres Stiefvaters trug die kleine Katja sicher durch Wald und Wiese. Chayennes Fohlen Carino war Schnabels erstes Pferd. Beide wurden gemeinsam groß, und zwar richtig: Katja Schnabel misst heute 1,93 Meter. "Fand ich früher doof, aber beim Pferdetraining hilft mir meine Größe, weil ich viel präsenter bin", gesteht sie. Carino wuchs auf knapp 1,80 Meter Stockmaß an. Familie Schnabel gab ihn zur Grundausbildung in Beritt. Anschließend sollte die damals zwölfjährige Katja mit ihm weiterlernen und Reitunterricht nehmen. Sowohl fürs Pferd als auch für die junge Reiterin keine schöne Zeit: Carino hatte kein Go und wurde von der Reitlehrerin als "Scheißgaul" abgestempelt, erzählt Schnabel. "Ich litt unter dem Drill und dem Druck und wusste nicht mehr weiter."
Es waren zwei Stallkolleginnen, die ihr die Augen für einen anderen Weg öffneten: Damals als "Bodenpersonal" belächelt, zeigten sie der heutigen Pferdetrainerin, wie man sich mit den Tieren anders als üblich beschäftigen und kommunizieren kann. Katja Schnabel stieg ins Horsemanship ein und hängte Sattel und Trense erstmal an den Nagel. Ihr Opa witzelte, er würde ein Brett auf Rädern bauen, auf dem sie ihr Pferd durch den Wald ziehen könne, damit es gar nicht mehr laufen müsse. Aber die Beziehungsarbeit lohnte sich: Carino wurde doch noch ein motiviertes Reitpferd und war bis vor drei Jahren, als er mit 28 Jahren starb, immer an der Seite seiner Besitzerin.
Pferde-Studium in Wien
Beide kamen viel herum: Nach Sportinternat und Fremdsprachenstudium (Englisch, Spanisch, Französisch) wollte die ehrgeizige Blondine "was mit Pferden machen". Sie entschied sich für den damals neuen Studiengang Pferdewissenschaften und zog mit Carino nach Wien. Das Studium finanzierte sie als Handballspielerin in der österreichischen Bundesliga. Danach arbeitete sie auf Gestüten in Spanien, bildete Hengste aus, belegte Horsemanship-Kurse, lernte bei Barockreitmeister Richard Hinrichs, machte Ausbildungen zur Pferdeosteopathin und Besamungswartin. Sie leitete in Anstellung einen Reitbetrieb, managte Zucht, Ausbildung, Reitunterricht, Wanderritte, Reiterferien, Messeauftritte, Büro, Gaststätte, Ferienwohnungen – und zog schließlich die Reißleine. Einen Monat Pause gönnte sie sich, dann machte sie sich selbstständig mit mobilem Reitunterricht in Berlin und Brandenburg, pachtete erneut einen kleinen Pensionsstall, von dem sie sich aber trennte: "Ich gehe nicht darin auf, Pferde zu versorgen. Viel lieber möchte ich Menschen helfen, ihre Pferde besser zu verstehen und mit ihnen artgerecht umzugehen."

2017 kam aus dem Nichts der Anruf von Mina TV, der Firma, die für VOX "Die Pferdeprofis" produziert. "Ich war völlig aus dem Häuschen!" Katja Schnabel hatte sich nicht beworben. Ihre Homepage war wohl genug Werbung. Nach einem Probedreh wurde sie unter 20 anderen Trainern ausgewählt.

Nun lebt Katja Schnabel ihren Traum: ein Leben, das sie ganz den Pferden verschrieben hat. Der Preis dafür ist die wenige Zeit, die ihr für Freunde, Familie und ihre eigenen Pferde bleibt. Sie meistert ihr Leben alleine – ganz so, wie sie es sich vorstellt. Dass die 39-Jährige so genau weiß, was sie will und was nicht, macht sie schließlich zu einer guten Pferdetrainerin. Dabei ist sie jedoch keineswegs kompromisslos, wenn es um die Pferde geht.

"Alles kann, nichts muss", ist ihr Motto. Dazu gehört, Erwartungen ans Pferd herunterzuschrauben, wenn das Tier sie nicht erfüllen kann. Als Trainerin findet Katja Schnabel heraus, was Mensch und Pferd zusammen erreichen können – und was eben nicht. Dazu gehört, dass manche der "Problempferde", die zu ihr kommen, vielleicht kein Dressurpferd werden, gar nicht mehr geritten werden oder einfach viel mehr trainiert und bewegt werden müssen. Ein Blatt vor den Mund nimmt sie dann nicht, aber ehrliche Worte versucht sie nett zu verpacken. "Ich selbst kann viele Probleme im Training lösen. Aber es geht ja darum, dass das Pferd und sein Mensch wieder ein gutes Team werden", erklärt die Trainerin. "Dann sind Pferde auch motiviert und leistungsbereit."

Wieviel es bewirken kann, seine Einstellung zum Pferd zu verändern, lebt die Pferdetrainerin vor: Ihre eigenen Vierbeiner Pille und Peppi waren Problempferde. Dass sie es nicht mehr sind, liegt daran, dass sie einen Menschen haben, dem sie vertrauen. Und daran, dass sie tun, was sie gut können und ihnen Freude macht. Peppi ist ohne Gebiss im Maul das perfekte Lehrpferd. Pille, der keinen Druck am Boden erträgt, ist die sichere Bank im Gelände.

"Mein Job ist, die Sichtweise der Menschen zu verändern – und sie damit zu besseren Menschen für ihre Pferde zu machen", sagt die Pferdetrainerin. "Diesen Weg zu begleiten und die kleinen und großen Erfolge zu beobachten, das macht mich glücklich."