Dressur ohne Druck: So funktionieren unsichtbare Hilfen wirklich!

Dressur ohne Druck
So funktionieren unsichtbare Hilfen wirklich!

Zuletzt aktualisiert am 26.06.2025
Eine Reiterin mit einem braunen Pferd auf dem Reitplatz im Galopp
Foto: Rädlein

Ein Gefühl für unsichtbare Hilfen

Was gibt es Schöneres, als sich eins zu fühlen mit dem Pferd, mit unsichtbaren Hilfen zu kommunizieren? Dann fühlt sich Reiten so herrlich an, dass wir nicht genug davon bekommen können. Doch oft hakt und klemmt es – ganz normal, wenn zwei Lebewesen mit ihren persönlichen Eigenheiten zusammenkommen.

Pferdegerecht reiten, wie geht das?

Für das süchtig machende "Wir-Gefühl” im Sattel brauchen wir keine Standard-Floskeln vom Reitlehrer, sagt Brigitte Lenz, Physiotherapeutin, FN-Trainerin C Leistungssport und Psychomental-Coach (Reiten), die viele Jahre auf der Suche nach dem war, was sich für sie richtig anfühlte. "Zu Beginn meiner Reitausbildung merkte ich oft eine Diskrepanz zwischen dem, was mein Trainer sagte und was ich spürte”, erinnert sie sich. "Viele der üblichen Anweisungen haben keinen wirklichen Bezug zur den Bewegungsabläufen des Pferds und können es manchmal sogar daran hindern, das Gewünschte in Leichtigkeit auszuführen”, sagt sie.

Auf der Grundlage der klassischen Reitlehre entwickelte sie eine neue, funktionelle Reit- und Bewegungslehre, das IntegraLenz®-Balance-Konzept. Das Reiten mit unsichtbaren Hilfen, vorrangig über den Sitz, ist dabei Weg und Ziel zugleich. "Reiter müssen dafür gewohnte Bahnen verlassen”, so Lenz, "doch das richtige Gefühl stellt sich nach und nach ein.” Das System ist nicht kompliziert und beruht auf inneren Bildern, die Mensch und Pferd verbinden. "Diese sind simpel und logisch. Viele Reiter sind erstaunt, dass es so leicht sein kann”, weiß die Trainerin und erklärt warum: "Das Pferd kann durch diese zielgerichteten inneren Bilder die Körpersprache des Reiters besser verstehen und umsetzen, weil sie keine Widersprüchlichkeiten für den eigenen Bewegungsablauf enthalten.”

Ein Reiter-Pferd-Paar im Galopp im Seitenprofil.
Rädlein

So funktionieren unsichtbare Hilfen wirklich

Reitlehrer-Kommandos wie man bestimmte Hilfen verstärkt, z.B. "Mach dich schwer” oder "Biege dein Pferd ums innere Bein” verleiten Reiter oft dazu, zu viel Druck zu machen. Wie wichtig Pausen statt Dauerdruck sind, wird häufig vernachlässigt, findet Lenz. Sie sind deshalb ein wichtiger Bestandteil ihres Konzepts. Integrale Hilfen sind rhythmisch wiederkehrende Impulse, auf die innerhalb einer Bewegungssequenz (alle vier Beine) ein passives Zurückgleiten zum Bewegungsanfang erfolgt (Pause). Diese Abläufe sind physiologisch in allen Gangarten und Lektionen. Wenden wir sie an, vermeiden wir automatisch Dauerdruck. Nebeneffekt: Wir können nicht verspannen. So kommt es erst gar nicht dazu, dass die Hand hart wird, die Schulter sich feststellt oder der Schenkel zu viel drückt. Becken und Hand ergänzen sich und unterstützen abhängig voneinander, dass die Oberlinie des Pferds sich dehnt oder verkürzt. Brigitte Lenz sieht Zügel-, Gewichts- und Schenkelhilfen als Einheit: "Mit dieser Denkweise können wir plötzlich etwas verändern, was vorher einfach nicht klappen wollte.”

Richtige Haltung der Reiterhände aus der Vogelperspektive.
Rädlein

So geht's: Prinzip 1 feiner Hilfen – Weiterlaufende Rotation (Biegung, Wendung)

Der Rotationssitz bereitet dein Pferd als unsichtbare Hilfe auf eine neue Bewegungsrichtung vor. Hast du das Prinzip einmal verinnerlicht, kannst du es auf die meisten Lektionen übertragen, bei denen die Vorhand des Pferds vor die Hinterhand gerichtet ist (alle Wendungen, Zirkel, Schlangenlinien, Ecken, Achten, Volten, Schultervor, Schulterherein, Traversalen, Kurzkehrt, Galopp-Pirouetten). So geht’s, wenn du etwa nach links auf den Zirkel reitest:

Rumpfrotation: Sie wird über die Blickrichtung eingeleitet. Verbinde gleichzeitig gedanklich dein linkes Schulterblatt mit deinem Rumpf. So rotierst du weiterlaufend mit Schultergürtel und Thorax und nimmst automatisch Arme, Ellenbogen und Hände im richtigen Verhältnis mit. Deine linke, innere Schulter kommt zurück, deine äußere vor. Die Zügelführung ändert sich dabei von selbst: Der äußere Zügel lässt die Wendung zu und begrenzt, der innere führt nach links in die Biegung. Du musst also nicht aktiv mit dem inneren oder äußeren Zügel einwirken.

Beckenrotation: Die Rumpfrotation läuft durch den Körper nach unten. Deine äußere, rechte Beckenseite bewegt sich leicht nach vorne, deine innere nach hinten. Die Beckenbewegung bewirkt, dass dein äußerer, rechter Schenkel im Verhältnis zum Becken leicht hinten bleibt und verwahrend wirkt. Die gesamte Körper-Rotation bewirkt auch eine angepasste Gewichtsverlagerung.

Im Unterschied zum Rotationssitz nimmst du beim Gegenrotationssitz (Travers, Renvers) deine innere Beckenseite auf der Seite, in die du dein Pferd biegen möchtest, nach vorne. Dein Becken wird zur Biegungsseite gedreht, wodurch sich die Hinterhand zur Seite verschiebt. Dein äußerer Schenkel gleitet hinter den Gurt und wirkt aktiv verwahrend. Dein Blick, Kopf und Rumpf bleiben auf den Hufschlag ausgerichtet.

So geht's: Prinzip 2 unsichtbarer Hilfen – Innen/Außen (integraler Hilfenkanal)

Stelle dir vor, du kontrollierst die Stellung der Pferdeschultern über beide Zügel. Das hilft dir, dein Pferd gleichmäßiger einzurahmen. Versuche, auf der rechten und linken Hand eine gleichmäßige Zügelspannung zu halten. Verabschiede dich davon, inneren und äußeren Zügel separat zu betrachten. So vermeidest du nicht nur, zu stark einseitig einzuwirken, sondern richtest dich und deinen Körper automatisch gleichmäßig auf die Pferdeschultern aus – eine wichtige Grundlage fürs Geraderichten.

Brigitte Lenz im Porträt
Brigitte Lenz
Die Expertin

Hier geht's weiter mit den grundlegenden Prinzipien der feinen Hilfengebung und wertvollen Experten-Tipps für unsichtbare Hilfen: