Freiheitsdressur: So gelingt die freie Kommunikation mit Pferden

Tipps und Übungen
Feine Freiarbeit

Zuletzt aktualisiert am 28.08.2024
CAVALLO Freie Kommunikation, Spanischer Schritt auf der Weide
Foto: Antje Wolff

Freiheitsdressur will gelernt sein

Pferde sind kraftvoll, schön und schnell. Schließen sie sich freiwillig dem Menschen an, entsteht ein gemeinsamer Tanz – Faszination pur. Kein Wunder, dass die Freiheitsdressur immer mehr Menschen anzieht. "Dahinter steckt auch ein guter Grundgedanke: Der Mensch ist bestrebt, mit dem Pferd frei zu kommunizieren – ohne Zwang", sagt Nicole Künzel, die Pferde und Reiter in klassischer Dressur und Bodenarbeit ausbildet. Aber fühlen Pferde sich frei wirklich wohler? Wie viel Druck steckt dahinter? Und wie entwickeln Mensch und Tier eine gemeinsame Sprache? Machen Sie sich mit uns auf den Weg zur Freiheit. Legen Sie eine gute Basis bereits im Alltag. Daraus ergibt sich die freie Kommunikation mit dem Pferd wie von selbst. Hier finden Sie Inspirationen.

Was direkt gesagt sein sollte: Freiarbeit bedeutet nicht automatisch, dass Pferde freiwillig mitmachen. Manche Menschen arbeiten mit Druck und Strafe, wenn das Pferd sich von ihnen fortbewegt. Irgendwann trauen Pferde sich dann nicht mehr, eigene Wege zu beschreiten. "Pferde, die auf diese Weise gearbeitet werden, sind zwar abrufbar, aber ihnen fehlt das Leuchten in den Augen", sagt Nicole Künzel. Ihr Ziel ist es, dass Pferde ihre Persönlichkeit ausdrücken und durch das freie Training stolz und schön strahlen.

CAVALLO Freie Kommunikation, Freiarbeit
Antje Wolff

So verlockend die Freiheit ruft – auf dem Weg zur Freiheitsdressur ist Präzision gefragt. Und die startet für Nicole Künzel bereits beim Begriff: "Ich spreche lieber von freier Kommunikation anstatt von Freiarbeit. Denn wir entwickeln eine gemeinsame Sprache mit dem Pferd und verzahnen Ausbildungselemente", meint die Ausbilderin. Alles baut aufeinander auf. Erklären wir dem Pferd unsere Wünsche gut, macht es gerne etwas mit uns. Das ergibt sich aus klaren und stets gleichen Hilfen und Regeln, die sich durch alle Elemente der Ausbildung ziehen: von der Bodenarbeit, der Arbeit an der Hand, übers Longieren bis in den Sattel.

Sie wollen mehr über die freie Kommunikation mit dem Pferd erfahren? Hier können Sie den kompletten Artikel mit allen Tipps und Übungen zur Freiheitsdressur herunterladen:

Freie Kommunikation mit dem Pferd erleichtert den Alltag

Die Übung beginnt genau dort: Wenn Sie Ihr Pferd über Körpersprache, Mimik und Gestik frei bewegen können, macht das viele Dinge leichter. Sie können das Pferd freistehend putzen. Es parkt beim Ausritt am Baumstamm ein, wenn Sie die Gerte verloren haben. Beim Säubern des Paddocks macht das Pferd willig Platz, wenn Sie mit der Mistkarre passieren. "Gute Verständigung ist auch sicherheitsrelevant. Meine Ponys müssen etwa beim Anspannen ruhig vor der Kutsche warten, ohne dass ich sie am Kopf halte", erzählt Nicole Künzel.

Wenn Sie den Paddock betreten, das Pferd von der Weide holen, es putzen: Machen Sie sich bewusst, dass hier bereits die freie Kommunikation beginnt – und nicht erst auf dem Reitplatz. Pferde als soziale Wesen registrieren Stimmungen sofort. Sie wissen, was auf sie zukommt. Wortwörtlich: Haben wir Sorgen oder Ärger, spiegelt das der Körper. "Wir begegnen dem Pferd mit schnellem Herzschlag und angespannten Muskeln. Das wirkt anders, als wenn wir ausgeglichen und freudig sind." Die Tiere lesen feine Körpersignale. Hebt beispielsweise ein Pferd auf der Weide den Kopf, bringt das die ganze Herde in Interaktion; Nicole Künzel beobachtet das oft bei sich im Offenstall. Aufeinander achten sichert Pferden das Überleben.

Tipp: Atmen Sie kurz durch, wenn Sie beim Pferd ankommen, und nehmen sich einen Moment bewusst selbst wahr. Wie fühlt sich Ihr Körper an? Wo sind Sie mit Ihren Gedanken? Welche Emotionen fühlen Sie? Begleitet Sie Stress von der Arbeit? Sind Sie traurig oder freudig? So trainieren Sie Ihre Wahrnehmungsfähigkeit und Sie wissen, aus welchem Zustand heraus Sie dem Pferd begegnen.

Konsequentes Handeln ist gefragt

Sie wollen für Ihr Pferd ein fairer Partner sein, dem es sich gerne anschließt? Sagen Sie dem Tier höflich in gleichbleibendem Ton und mit den eingeübten Hilfen, was sie sich wünschen. Stellen Sie klare Regeln auf – und setzen diese konsequent um.

Stellen Sie sich vor, das Pferd überholt auf dem Weg zum Putzplatz oder lässt sich hinterherschleifen. Dann aber soll es im Training frei folgen und genau auf den Menschen achten. Das funktioniert nicht! "Pferde unterscheiden nicht zwischen Training und Alltag. Sie brauchen gut erklärte, gleichbleibende Regeln und Hilfen", sagt Nicole Künzel. Das Pferd gewinnt so Sicherheit, denn es weiß genau, was es vom Menschen erwarten kann. Das ist Fairness – und die führt dahin, dass Pferde sich uns gerne anschließen. Weil wir verlässlich sind.

Fühlen Pferde sich frei eigentlich wohler?

"Es sieht oft spielerisch aus. Aber in der freien Kommunikation müssen Mensch und Pferd einander ständig im Blick haben und Mimik und Gestik lesen – das ist eine Höchstleistung!”, betont Ausbilderin Nicole Künzel. Die Gefahr, dass wir Reiter während der Freiarbeit uneindeutige Signale geben und Verwirrung bei unseren Pferden schaffen, ist oft größer als mit Equipment.

CAVALLO Freie Kommunikation, Frau streichelt liegendes Pferd
Antje Wolff

Daher empfiehlt sich: Üben Sie anfangs die Hilfen mit einem langen Strick ohne Schlag und einem normalen Stallhalfter. Mit einem Strick etwa können Sie genau den Weg weisen. Das schafft Klarheit. Bauen Sie die freie Kommunikation in kleinen Schritten auf und steigern Sie die Anforderungen. Ganz egal, was Sie frei üben: "Es geht dabei nicht um die Selbstdarstellung. Im Vordergrund steht die Beziehung zum Pferd und die Freude am Zusammensein”, meint die Expertin Nicole Künzel.

Auf dem Weg zur Freiheit

Mit diesen Übungen baut Ausbilderin Nicole Künzel die Freiarbeit gezielt auf. Willst du mit mir gehen? So klappt es bald auch ohne Strick.

Miteinander Laufen

Das stärkt die Verbundenheit: Stellen Sie sich vor, Sie spazieren mit Ihrem Pferd wie mit einem Partner durch die Welt. Wie wünschen Sie sich das? Sie achten darauf, ob es dem Anderen gut geht, und haben die Mimik und Gestik im Blick. "Es geht um die Gemeinsamkeit und nicht darum, dem Pferd nur Befehle zu geben”, sagt Nicole Künzel. Das verbundene Gehen können Sie beim Warmführen, beim Gang von der Weide und bei der Bodenarbeit einbauen. Achten Sie auf fließende Bewegungen in Ihrem Körper – wie bei einer Tänzerin oder einer Katze. Nutzen Sie höfliche Handgesten, die dem Pferd den Weg weisen. Zum Anhalten und Parieren in eine niedrige Gangart atmen Sie tief aus bis in die Füße. Pferde reagieren gut auf den Atem.

CAVALLO Freie Kommunikation, Freiarbeit
Antje Wolff

Bauen Sie die Idee der Freiheit in kleinen Schritten auf. Anfangs lassen Sie einfach den Strick länger und halten Ihre Hand tief vorm Körper. Als Steigerung legen Sie den Strick über den Pferdehals und schauen, ob das Pferd bei Ihnen bleibt. Zur Not können Sie den Strick greifen. Bauen Sie Volten und Bahnfiguren ein. Klappt das, üben Sie frei ohne Strick. So ist der erste Schritt zur Freiheitsdressur getan.

Die Expertin

CAVALLO Freie Kommunikation, Nicole Künzel
Antje Wolff