Woran erkennt man gutes Reiten? Macht das Pferd einen zufriedenen Eindruck?
Wenn Luis in die Bahn kommt, geht die Sonne auf! Der 13-jährige Hengst ist ein Strahlemann. Unter dem Sattel zeigt er seinen Eifer mit gespitzten Ohren, wachem Blick – und einer Wahnsinns-Ausstrahlung. Wer ihm zuschaut, sieht gleich: Der hat Spaß! "Er hat einen enormen Arbeitswillen”, erzählt seine Reiterin Vera Munderloh. Wallach Talisman ist ein anderer Typ: freundlich und gemütlich. Solange ihm keiner die Laune verdirbt. Dann wird er zum Miesepeter und runzelt die Nüstern. Vera Munderloh darf ihn nicht langweilen. "Er muss spüren, dass ich toll finde, was er leistet.”

Zufrieden: Hengst Luis bewegt sich locker und entspannt. Er wirkt fröhlich und motiviert.
Luis ist der extrovertierte Typ, Talisman introvertiert. Ob die beiden Herren zufrieden sind, zeigen nicht nur ihre Ohren und Augen. "Locker nach hinten zeigende Ohren muss man nicht negativ auslegen. Ist das Pferd konzentriert, sind seine Ohren beim Reiter”, so Munderloh. Achten Sie deshalb auf den Gesamteindruck: Ein zufriedenes Pferd ist aufmerksam und entspannt, nicht nervös und verkrampft. Es bewegt sich geschmeidig, sein Schweif pendelt locker und seine Lippen sind nicht zusammengepresst. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. "Laien erkennen oft erstaunlich gut, ob sich ein Pferd unter dem Reiter wohlfühlt oder nicht”, weiß die Ausbilderin.

Konzentriert: Hier strengt sich Luis an, ist aber voll bei der Sache. Verstärktes Kauen gehört dazu.
Wird die Harmonie zwischen Pferd und Reiter sichtbar?
Gutes Reiten ist zum Weinen schön. Es wirkt, als würde das Pferd nur durch die Gedanken seines Reiters gelenkt. "Nichts wirkt erzwungen oder unnatürlich”, betont Vera Munderloh. "Pferd und Reiter werden zu einer Einheit.” Wie das aussieht, zeigt die Ausbilderin spektakulär unspektakulär: Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, ganz in Ruhe und mit unsichtbaren Hilfen zeigen ihre Pferde schwerste Lektionen. Und gewinnen dabei so viel Größe, dass selbst der kleine cremefarbene Andalusier Talisman die hochgewachsene Reiterin gut aussehen lässt.

Pferde, denen es unter ihrem Reiter gut geht, haben eine positive Ausstrahlung. Sie wirken natürlich und unbelastet.
Mühelos und leicht sieht Reiten dann aus, wenn das Pferd sich losgelassen und ohne Zwang bewegen kann. "Ein guter Reiter arbeitet nicht gegen das Pferd, sondern mit ihm”, meint Vera Munderloh. "Klappt etwas nicht so gut, fragt er sich zuerst, ob er selbst einen Fehler gemacht hat.” Es geht also nicht darum, perfekt zu sein und bloß keine Fehler zu machen. Ihr Rat: "Verlieren Sie nicht die Freude am Pferd vor lauter Angst, etwas falsch zu machen. Bleiben Sie offen für neue Pläne. Wenn Sie oder Ihr Pferd einen schlechten Tag haben, verzichten Sie auf den Ritt und unternehmen Sie etwas anderes mit Ihrem Pferd. Beim nächsten Mal sieht die Welt dann schon wieder ganz anders aus.”
Wie wird man selbst zu einem guten Reiter? "Praktische Tipps für den Trainingsalltag"

Das Buch "Reiten meistern" von Vera Munderloh bietet Lösungsansätze für Probleme, die jeder Reiter kennt.
Vera Munderloh wirft mit "Reiten meistern” keine weitere Reitlehre auf den Markt. Das ist auch gut so. Wir sollten uns ohnehin wieder mehr auf die Pferdeausbildung nach klassischen Grundsätzen konzentrieren. Stattdessen schöpft die Autorin aus ihrem Erfahrungsschatz als Ausbilderin und bietet Lösungsansätze für Probleme, die jeder Reiter kennt. Das Buch hilft vor allem jenen, die zwischen vielen Ratschlägen und Informationen die Orientierung verloren haben. 29,90 Euro, Müller Rüschlikon Verlag, ISBN 978-3-275-02316-5.

Vera Munderloh blickt als Ausbilderin auf rund 20 Jahre Erfahrung mit Pferden unterschiedlichster Rassen und Charaktere zurück. Die klassische Dressur ist ihre Leidenschaft. Seit 2006 ist sie auf Anja Berans Rosenhof in Bayern tätig. Dort und auf weltweiten Lehrgängen vermittelt sie den Blick und das Gefühl für pferdegerechtes, harmonisches Reiten. vera-munderloh.de
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