Training für die Hinterhand: So entwickeln Pferde Tragkraft
Lektion: Zirkel vergrößern

So entwickeln Pferde Tragkraft: Hat der Reiter die Hinterhand seines Pferds im Griff, geht vieles leichter. CAVALLO stellt 6 Übungen für Kraft und Schwung in der Hinterhand vor. Plus Profi-Tipps für jeden Pferde-Typ und Ausbildungsstand.

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Foto: Lisa Rädlein

Verlagern Sie das Gewicht des Pferds, um seine natürliche Schiefe auszugleichen. Der erste Test des inneren Hinterbeins ist eine Art Schenkelweichen. „Man vergrößert den Zirkel, indem man die Schultern und Hüften des Pferds gleichzeitig um die gleiche Distanz nach außen verschiebt“, erklärt Thomas Ritter. „In der Basisversion soll das Pferd den Zirkel dabei in zwei Tritten um eine Pferdebreite vergrößern. Am besten klappt das im ausgesessenen Trab.“

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Zeitpunkt der Hilfen:

Da das innere Hinterbein übertreten soll, geben Sie den Impuls in dem Moment, wenn es abfußt. Thomas Ritter erklärt, wie Sie das bemerken: „Der Brustkorb des Pferds entfernt sich von der Seite, auf der das Hinterbein vorwärts schwingt. Als ob er diesem Platz machen wollte. Wenn der Reiterschenkel entspannt am rechten Ort liegt, wird er die Pendelschwingung fühlen.“

Berührt die Pferderippe Ihre Wade, sind die seitlichen Bauchmuskeln des Pferds gestreckt und das Hinterbein ist im Begriff abzufußen. Wenn die Reiterwade nun in eben diesem Moment die Rippen des Pferds berührt, wird sie die ohnehin stattfindende Kontraktion der Bauchmuskeln verstärken. Resultat: Das innere Hinterbein fußt energischer ab und wird stärker nach oben gezogen.

„Man kann die Übung aber auch so gering halten, dass das Pferd nur sein Gewicht auf das äußere Beinpaar verlagert, ohne sichtbar überzutreten“, so Ritter. Die Gewichtsverlagerung ist der wichtigste Aspekt dieser Übung, da man damit die natürliche Schiefe des Pferds ausgleichen kann. Hilfreich ist das zum Beispiel auf der steifen Seite, wenn Ihr Pferd das innere Vorderbein überbelastet und sich auf den inneren Zügel legt.

Lektion: Schulterherein auf gebogener Linie

Mit Schulterherein und einer pfiffigen Variante richten Sie Ihr Pferd geschmeidig gerade. Der zweite Test des inneren Hinterbeins ist eine schulterhereinartige Stellung. Dabei wird das innere Hinterbein unter die Körpermitte geschoben. „Die Schenkelhilfe wird gegeben, wenn der innere Hinterfuß in der Luft ist“, erklärt Thomas Ritter. Das ist der Moment, wenn sich der Brustkorb des Pferds von Ihrer Wade entfernt.

Auf zwei Hufschlägen:

In der einfachen Variante biegt man das Pferd wie im Schulterherein in der Längsachse. „Die Vorhand bleibt auf dem Hufschlag, die Hinterhand treibt man nach außen“, beschreibt Thomas Ritter. Alternativ kann der Reiter die Schultern des Pferds in den Zirkel hereinführen, während er die Hinterhand auf einem größeren Hufschlag lässt. „Der Sitz des Reiters bildet hierbei die Achse, um die man den Pferdekörper dreht.“

Das kann man noch steigern, indem man ein echtes Schulterherein reitet, bei dem die Hinterhand auf der Hufschlaglinie bleibt und die Schultern auf dem kleineren Zirkel. „Dieser Test hilft besonders auf der hohlen Seite des Pferds, wo der innere Hinterfuß nach innen entweichen will und die äußere Schulter leicht ausfällt.“ Wichtig: Bleiben Sie am äußeren Zügel, sonst fällt die Schulter trotzdem aus, und das Pferd bleibt schief.

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Lisa Rädlein
Fortgeschrittene reiten Schulterherein auf dem Zirkel.

Lektion: Tritte verlängern

Wenn Sie die Tritte verlängern, sorgen Sie für starken Schub aus der Hinterhand. Der dritte Test des inneren Hinterbeins ist ein Zulegen, das durch dessen Schieben ausgelöst wird. Den Impuls dafür geben Sie dementsprechend, wenn das innere Hinterbein auffußt.

Zur Erinnerung: Das ist der Moment, wenn sich der Pferdebauch von Ihrer Wade entfernt. Tipp von Thomas Ritter: „Geben Sie die Hilfe zum Tritte-Verlängern über Kreuz- und Schenkelhilfen bei jedem zweiten Tritt. Dann kommt keine Hektik auf.“ In der Basisvariante braucht Ihr Pferd nur vermehrt mit dem Hinterbein schieben. Die Tritte muss es noch nicht sichtbar verlängern. „Dehnen Sie die Übung auf sechs Tritte aus“, so Ritter. Sechs Tritte entsprechen etwa einem Viertel auf der Linie eines großen Zirkels. „Der innere Hinterfuß wird so dreimal zum Schieben aufgefordert.“

Schub auf dem Zirkel:

Besonders gut gelingt das Tritte-Verlängern auf der Zirkellinie nach dem Zirkel-Vergrößern oder nach dem Schulterherein auf dem Zirkel (Fortgeschrittenen-Variante). „Genauso schön klappt dieser Test auch nach zwei halben Paraden in den äußeren Hinterfuß“, empfiehlt Thomas Ritter. Bei diesen Paraden handelt es sich um die vierte und fünfte Übung.

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Lisa Rädlein
Die Reiterin verlängert die Tritte auf gerader Linie, wenn das innere Hinterbein des Pferds abgefußt hat.

Lektion: Zwei Paraden am äußeren Zügel

Mit zwei Paraden am äußeren Zügel verbessern Sie das Gleichgewicht und den Galopp. „Der erste Test des äußeren Hinterbeins besteht aus zwei halben Paraden am äußeren Zügel. Fortgeschrittenen empfehle ich das auf einer Galoppvolte“, sagt Thomas Ritter. Die Paraden sind auf das äußere Hinterbein gerichtet. Sie zügeln das Tempo und sollen bewirken, dass das Pferd seine äußere Hanke mehr beugt.

Die Parade geben Sie genau dann, wenn ein Hinterbein auffußt und die Last übernimmt. Dabei wird Ihr Becken ein wenig wenig im Sattel gegen den Hinterzwiesel zurückgezogen. „Das merkt man am besten im Schritt“, so Ritter. Gleichzeitig werden Sie einen leichten Stoß unter dem Gesäßknochen derselben Seite spüren, da sich die Pferdehüfte hebt, wenn der Hinterfuß auftritt. „Hinzu kommen eine Art Pulsschlag im gleichseitigen Zügel sowie eine leichte Erschütterung im Steigbügel derselben Seite.“

Bessere Balance:

Die Übung rahmt die äußere Schulter ein und verbessert das Gleichgewicht auf der hohlen Seite, da sie das Pferd geraderichtet. Thomas Ritter wendet sie gerne nach dem Zirkel-Vergrößern an. „Eine ideale Vorbereitung für den Einsprung in den Galopp, da das äußere Hinterbein durch die Lastaufnahme von Reiter- und Pferdegewicht vermehrt gebeugt wird“, erklärt er.

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Lisa Rädlein
Zwei Paraden am äußeren Zügel sorgen dafür, dass das Pferd sein Tempo verlangsamt und sich vermehrt in der Hanke beugt.

Lektion: Zwei Paraden am inneren Zügel

Zwei Paraden am inneren Zügel helfen Ihnen, die Vorhand des Pferds zu entlasten. Auch beim zweiten Test des äußeren Hinterbeins gibt der Reiter Impulse mittels Paraden. In diesem Fall zwar am inneren Zügel, jedoch ebenfalls dann, wenn das äußere Hinterbein auffußt. „Der Zeitpunkt der Hilfengebung ist identisch mit den Paraden am äußeren Zügel“, sagt Thomas Ritter. „Also in dem Moment, wenn sich das äußere Hinterbein am Boden und vor der Senkrechten befindet.“

Die Augen schließen:

Die Zeitspanne zwischen dem Auffußen des Hinterfußes und dem Moment, wo er wieder abhebt, ist freilich kurz. Es sind Bruchteile von Sekunden, in denen sich Hüft- und Sprunggelenk biegen müssen, um die Last zu stützen, während das Knie sich streckt. „Mit der Zeit hat man den Dreh raus, wann welches Hinterbein auffußt“, ist Thomas Ritter überzeugt. Sein Tipp: „Ruhig mal die Augen schließen und sich in die Bewegung des Pferds einfühlen. Zählen Sie die Tritte laut mit oder bitten Sie Ihren Trainer, dass er Ihnen den Zeitpunkt der Paraden zunächst ansagt. Nach einer Weile funktioniert das ganz automatisch.“

Durch die Paraden am inneren Zügel im Moment, wenn das äußere Hinterbein auffußt, rahmen Sie die innere Pferdeschulter ein. „Diagonale Zügelhilfen haben immer eine gewisse geraderichtende Wirkung“, erklärt Ritter. „Der zweite Test des äußeren Hinterbeins wird jedoch eher auf der steifen Seite des Pferds wirken, auf der es sich in der Regel auf den inneren Zügel abstützen möchte.“ Wenn Sie das erfolgreich verhindern, entlasten Sie übrigens auch die Vorhand.

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Paraden am äußeren Zügel im Trab.

Lektion: Äußerer Schenkel weichen

Perfekt kombiniert: Mit diesen Varianten bewegen sich Pferde katzengleich. Die letzte Übung ist der dritte Test des äußeren Hinterbeins. Fortgeschrittene reiten das Pferd konterschulterhereinartig auf einer gebogenen Linie.

In der Basisvariante lässt man dem äußeren Schenkel weichen. „Am besten aus einer Ecke heraus“, empfiehlt Thomas Ritter. Dabei schaut Ihr Pferd mit dem Kopf zur Bande und wird so nach vorne hin begrenzt. Wichtig: Die Abstellung darf nicht zu stark sein, weil das Hinterbein sonst nicht mehr unter den Schwerpunkt, sondern daran vorbei tritt. Ideal ist ein Winkel von etwa 45 Grad zur Bande.

„Die Basisübung eignet sich gut für Pferde, die Mühe mit der Dehnungshaltung haben“, so Ritter. „Oder für Pferde, die nicht mit dem Hinterbein untertreten wollen und sich der Biegung widersetzen.“ Für das Konterschulterherein biegen Sie Ihr Pferd nach außen und bringen die Kruppe auf einen kleineren Zirkel, um das äußere Hinterbein vermehrt unter den Körper zu schieben. „Das ist eine klasse Übung für geschmeidige Pferdehüften“, so Ritter. „Außerdem fördert man auch hier wieder das Geraderichten schiefer Pferde.“

Start beim Abfußen:

Basis- und Fortgeschrittenen-Variante starten jeweils, wenn das äußere Hinterbein abfußt. Dieser Test lässt sich hervorragend mit anderen Übungen kombinieren. Ritter empfiehlt: „Wechseln Sie das Schulterherein aus Übung 2 mit dem Konterschulterherein beziehungsweise Schenkelweichen dieses Tests ab. Das macht Pferde in der Hinterhand so geschmeidig wie eine Katze.“

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Lisa Rädlein
Lassen Sie dem äußeren Schenkel weichen, wenn das äußere Hinterbein abfußt.

Lektion: Rollback auf der Hinterhand

Der Rollback aus dem Westernsport macht jedes Pferd spritziger und geschmeidiger. Auch Westernreiter wissen, wie man den Pferde-Po schult. Zum Beispiel mit dem Rollback, einer gesprungenen Hinterhandwendung, die Pferde zu mehr Fleiß anspornt und ihre Hinterhand ähnlich wie Lektionen der Hohen Schule stärkt.

Diese Übung klappt mit jedem Pferd, solange die Basis stimmt. Denn beim korrekten, geschmeidigen Sprung der Vorhand um die Hinterhand muss das Pferd Last auf dem inneren Hinterbein aufnehmen und über den Rücken gehen. Dafür muss es geradegerichtet, balanciert und durchlässig sein sowie sicher an den Hilfen stehen. So gelingt der Rollback:

Reiten Sie im Schritt zirka auf dem dritten Hufschlag an der langen Seite entlang und halten parallel zum Hufschlag. Der Abstand zur Bande muss dem Pferd genug Platz zum Abwenden bieten, so dass es nicht rückwärts zur Bahnmitte ausweichen muss. Steht das Pferd, stellen Sie es in Bewegungsrichtung, also zur Bande. Der neue innere Schenkel des Reiters liegt verwahrend am Gurt. Der Schenkeldruck kommt vom neuen äußeren Schenkel eine Handbreit hinterm Gurt und gibt zusammen mit der Zügelhilfe den Impuls zum Abwenden. Der neue innere Zügel wird dabei leicht seitwärts geführt, der äußere liegt am Hals. Der Reiter schaut in die Richtung, in die er abwenden will. Das Pferd schreitet 180 Grad durch die Wendung und läuft parallel zur Bande flüssig geradeaus.

Klappt die Kehre im Schritt, können Sie das Tempo anziehen: Traben, anhalten, abwenden, antraben. Galoppieren, anhalten, abwenden, angaloppieren. Wichtig: Im klassischen Training kommt es mehr auf das Abwenden, weniger auf die Geschwindigkeit an. Gas geben die Pferde mit der Zeit von ganz alleine.

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Lisa Rädlein
Das innere Hinterbein trägt die Last.
Die aktuelle Ausgabe
6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023