- No-Gos beim Anbinden
- Unbemerkter Stress?
- Das Pferd ist unruhig, zappelt oder scharrt
- Das Pferd wird unruhig, sobald ich es putze
- Das Pferd wird unruhig am Anbinder, sobald ich mit dem Sattel komme
- Das Pferd wiehert am Anbindeplatz
- Das Pferd hängt sich in den Strick und zieht
- So bereiten Sie Ihr Pferd aufs Anbinden vor
- Equipment-Tipps der Redaktion
- 4 Tipps fürs sichere Anbinden
- Die Expertin
Ort der Entspannung oder Stress am Haken? Pferde auch mal über längere Zeit anzubinden, ist nicht nur beim Putzen und Satteln praktisch, sondern muss manchmal auch einfach sein – zum Beispiel, wenn der Hufschmied kommt. Es gehört bereits zum Fohlen- ABC. Für uns Menschen ist es oft ganz selbstverständlich, Pferde anzubinden. Aber haben Sie sich schon mal überlegt, was es eigentlich aus Sicht des Pferds bedeutet, angebunden zu sein?
"Wir nehmen dem Fluchttier die Möglichkeit zu fliehen und sich zum Stressabbau zu bewegen", sagt Marie Heger. Anbindeplätze liegen zudem oft so, dass Pferde ihre Umgebung nicht mehr richtig wahrnehmen können – zum Beispiel, wenn sie vor einer Wand stehen oder in der engen Stallgasse ohne Rundumblick von links und rechts angebunden sind.
Was für uns Menschen also praktisch ist, bringt das Pferd in eine Situation, in der es uns beim Putzen oder Satteln ausgeliefert ist. Daher sollten wir dafür sorgen, dass es sich am Anbindeplatz so wohl wie möglich fühlt. "Als Pferdebesitzerin muss ich mich vor allem am Anbindeplatz um die sogenannte Psycho-Hygiene des Pferds kümmern", betont Marie Heger. "Als Mensch bin ich dafür verantwortlich, dass das Pferd psychisch mit dem umgehen kann, dem ich es aussetze." Wir müssen dafür sorgen, dass das Pferd gelassen, entspannt und gut vorbereitet dafür ist. Wie das geht, lesen Sie auf den folgenden Seiten.
No-Gos beim Anbinden
Anbinden ohne Vorbereitung: Wenn man nicht weiß, ob das Pferd Anbinden kennt oder schlechte Erfahrungen damit gemacht hat, sollte man es auch nicht anbinden!
Anbinden am Knotenhalfter: In einer Gefahrensituation kann das dünne Seil gefährlich ins Genick schneiden oder das Nasenbein brechen.
Anbinden an Boxentüren oder losen Pfosten/Balken: Reißt sich das Pferd los, steigt die Verletzungsgefahr, wenn es zum Beispiel panisch mit einem abgerissenen Balken flüchtet.
Das Pferd am Gebiss anbinden: Kommt es zu einer Paniksituation, kann sich das Pferd schwer an Zunge oder Kiefer verletzen.
Ohne Aufsicht: Das Pferd länger alleine stehen lassen.
Das Pferd zu kurz anbinden: Kann das Pferd den Hals nicht mehr bewegen, um die Umgebung im Blick zu haben, setzt man es Stress aus.
Zu lang anbinden: Tritt das Pferd in den Strick oder legt ihn sich übers Genick, kann starker Druck und damit Panik- und Verletzungsgefahr entstehen.
Unbemerkter Stress?
Manche Pferde haben Probleme mit dem Anbinden, ohne dass wir es überhaupt bemerken. Genau hinzuschauen lohnt sich. Meistens sind es sogenannte Übersprungshandlungen, die dem Pferd in diesem Moment die einzige Möglichkeit bieten, Stress abzubauen.
Übersprungshandlungen treten bei inneren Konflikten auf, wenn das Pferd seinem Trieb nicht nachgehen und fliehen kann. Also wählt es als Ersatzhandlung eine scheinbar sinnlose Aktivität – dazu gehören Strickbeißen, Zähnewetzen oder Scharren. Zeigt das Pferd solches Verhalten am Anbindeplatz, wird sein Unbehagen sichtbar.
Es gibt auch Pferdetypen, die Stress nicht offensichtlich äußern. Solche Pferde werden eher apathisch, wirken ruhig. Wie kann ich innere Ruhe und Apathie unterscheiden? "Man kann es um zum Beispiel am Ohrenspiel erkennen und daran, wie häufig das Pferd blinzelt", sagt Marie Heger. Zeigt das Pferd kein Ohrenspiel, blinzelt selten oder zeigt sogar ein Schmerzgesicht, ist es im Stress (siehe www.cavallo.de/pferdesprache).

Das Pferd ist unruhig, zappelt oder scharrt
Ursachen:
- Das Pferd hat zu viel Energie, kann seinem Bewegungsdrang in seiner Haltungsform nicht genug nachkommen oder ist im Training unausgelastet.
- Das Pferd hat nicht gelernt, dass es am Anbindeplatz ruhig stehen kann.
- Das Pferd hat schlechte Erfahrungen am Anbindeplatz gemacht.
- Die Stehzeiten sind zu lang.
Lösungen:
- Anbindezeiten langsam steigern, Pferd in einem (noch) ruhigen Moment wegholen, nicht erst, wenn es nervös wird.
- Anbindetraining nach eine Trainingseinheit legen, dann konnte das Pferd bereits Energie abbauen und es gibt schon eine Kommunikationsbasis zwischen Mensch und Pferd.
Das Pferd wird unruhig, sobald ich es putze
Ursachen:
- Das Pferd lässt sich nicht gerne anfassen oder mag nicht geputzt werden – das ist individuell. Marie Hegers Stute Berry zum Beispiel akzeptiert es, geputzt zu werden, wenn die Anbindephase nicht zu lang gezogen wird
- Verspannungen oder Schmerzen
- Das Pferd erträgt die Nähe des Menschen nicht

Lösungen:
- Pferd körperlich checken lassen
- Anbindezeiten kurz halten
- Putzen aufs Nötigste reduzieren
Das Pferd wird unruhig am Anbinder, sobald ich mit dem Sattel komme
Ursache:
- Das Pferd hat schlechte Erfahrungen beim Satteln gemacht.
Lösungen:
- Sicherstellen, dass keine körperlichen Ursachen hinter dem Verhalten liegen (Magengeschwüre, Verspannungen und Sattelpassform abklären).
- Satteltraining nicht an den Anbindeplatz legen, sondern während einer Trainingseinheit auf dem Platz bei der Bodenarbeit integrieren.
Das Pferd wiehert am Anbindeplatz
Ursache:
- Das Pferd hat Probleme, alleine zu sein.
Lösung:
- Der Mensch sollte seine Beziehung zum Pferd soweit verbessern, dass das Vertrauen wächst und das Pferd mit dem Menschen als Partner für einige Zeit alleine sein kann.
- Einen ruhigen Pferdkumpel beim Anbindetraining in genügend Abstand dazuholen.

Das Pferd hängt sich in den Strick und zieht
Ursache:
- Mangelndes Anbindetraining, schlechte Erfahrungen und Panik
Lösung:
- Dem Pferd durch Training eine neue Lösung zeigen (siehe Übungen).
- Das Pferd hoch genug anbinden, so dass weniger Zug auf den Nacken kommt (siehe High Ties). Das hilft gegen Panik.
So bereiten Sie Ihr Pferd aufs Anbinden vor
Eine gute Kommunikation am Boden ist das A und O. Das Training beginnt an Halfter und Seil auf dem Reitplatz. Das Pferd lernt Schritt für Schritt, Druck zu weichen, statt dagegen zu ziehen. Hängt es sich dann doch mal in den Strick, hat es eine Lösung parat.
Übung 1: Druck von vorne entgegengehen
Dazu stehen Sie frontal vor Ihrem Pferd und bringen langsam Zug aufs Seil.

Das Pferd spürt diesen Druck im Genick. Dann warten Sie kurz ab. Geht es los, geben Sie sofort nach. Geht das Pferd keinen Schritt vor, halten Sie die Spannung auf dem Seil und verändern Ihren Winkel zum Pferd, um es leicht aus der Balance und dadurch in Bewegung zu bringen.
Hat das Pferd die Übung verstanden, kann der Druck auch mal von weiter unten oder weiter oben kommen.

Übung 2: Seitliches Nachgeben
Dazu stellen Sie sich seitlich neben das Pferd und holen Kopf und Hals auf leichten seitlichen Zug vom Seil zu sich.

Übung 3: Ruhiges Stehen und Entspannen.
Bauen Sie beim Training am Boden immer wieder Pausen ein, in denen das Pferd einfach nur ruhig steht und entspannen kann. Achten Sie dabei auf Ihre eigene, ganz entspannte Körpersprache, atmen Sie aus.
Steht das Pferd ruhig, können Sie sich auch mal weiter entfernen und testen, ob das Pferd trotzdem stehen bleibt.

Wenden Sie Ihren Blick vom Pferd ab und etablieren Sie einen Unterschied zwischen "Ich möchte etwas von dir, komm mit" und "Es hat keine Bedeutung für dich, wenn ich mich bewege". Das Pferd lernt stehenzubleiben, obwohl Sie sich entfernen.
Übung 4: Klappen diese drei Vorübungen gut, können Sie direkt am Anbindering weiter üben.

Dazu brauchen Sie einen längeren Strick, den Sie durch den Ring fädeln, ohne ihn festzuknoten. Jetzt geht es zurück zu Übung 1, indem Sie über den Ring als Umlenkung das Pferd einen Schritt nach vorne holen. Sobald das Pferd losgeht, geben Sie nach.
Übung 5: Den Anbindeplatz zu einem angenehmen Ort der Entspannung machen, etwa das Pferd an seinen Lieblingsstellen kraulen der einfach zusammen entspannen.
Equipment-Tipps der Redaktion
Im Reitsporthandel finden Sie zahlreiche Anbindesysteme, die mehr Sicherheit geben. Oft sind es Zwischenstücke, die dafür sorgen, dass der Druck auf den Pferdekopf sich bei Zug langsam steigert und sich dann bei einer bestimmten Last selbst öffnen.

Hier finden Sie sichere Anbindesysteme, sowie Tipps zum Thema Sicherheit beim Anbinden: www.cavallo.de/anbinden
Ein innovatives System, das sich mit einer Hand verbinden und lösen lässt, heißt GoLeyGo 2.0 (von Kerbl und Covalliero, siehe auch www.cavallo.de/stricktest). Der Verschluss und ein Metall-Pin sind magnetisch, sie finden quasi wie von alleine zueinander. Durch Herunterziehen des Verschlusses lassen sich die beiden Bestandteile auch unter Zug leicht voneinander lösen.
4 Tipps fürs sichere Anbinden
1. Für den Sicherheitsknoten sollten Sie die erste Schlaufe durch den Ring ziehen und dann den Knoten machen.

Stecken Sie keine Finger durch die Schlaufe.
2. Marie Heger nutzt normale, sehr stabile Karabinerhaken.

Bricht Panik aus, lösen Sie Ihr Pferd über den Strick, nicht über den Haken. Panikhaken lassen sich oft nicht mehr öffnen, wenn Zug auf dem Verschluss lastet. Bricht ein Haken, kann er zu einem gefährlichen Geschoss werden – gute Qualität ist wichtig.
3. CAVALLO hat bei einem Labortest untersucht, bei wieviel Zug Halfter und Stricke reißen. Unser Fazit: Da keine Halfter-Strick-Kombi bombensicher hält, ist es besser, wenn sie schon recht früh nachgibt. Löst sich die Verbindung erst bei sehr hohem Zug, kann das Pferd mit Wucht nach hinten fallen und sich verletzen. Sollbruchstelle ist der Strick, denn ohne Halfter lässt sich ein Pferd schwieriger wieder einfangen. Beim Halfter sollte man also auf Qualität setzen. Ganz günstige Modelle rissen bereits ab 72 Kilo, sehr stabile erst bei 880 Kilo Zug. Eine gute Wahl sind Baumwollstricke mit ihrer recht geringen Zuglast – sie rissen bereits bei 170 bis 190 Kilogramm. Stricke aus Kunststoffen wie Nylon oder Polypropylen hielten deutlich mehr aus, rissen dann aber plötzlich doch oder die Karabiner brachen.
4. Ideal ist, wenn der Anbindering oberhalb des Widerrists sitzt.

Je höher das Pferd angebunden ist, desto sicherer ist es, da es nicht in den Strick treten kann und weniger Druck aufs Genick kommt, falls es doch mal zieht. "Aus meiner Erfahrung entsteht vor allem dann Panik beim Pferd, wenn der Zug von unten aufs Genick kommt", sagt Marie Heger. Mit "hohem Anbinden" ist nicht gemeint, dem Pferd den Kopf hochzubinden, sondern das Seil möglichst weit oben zu befestigen, so dass das Pferd seinen Kopf in einer natürlichen Haltung tragen kann. In Amerika sind "High-Ties" üblich – dabei werden Seile mit Haken von Balken an der Decke nach unten geführt und ins Halfter gehakt. Das hat den Vorteil, dass das Pferd recht frei im Raum stehen kann, sich nicht beengt fühlt und ein weites Sichtfeld hat, aber nicht ins Seil treten kann.
Die Expertin

Marie Heger ist Pferdeverhaltensexpertin und Diplom-Schauspielerin. Sie beschäftigt sich unter anderem mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der verschiedenen Körpersprachen von Mensch und Pferd. In der klassischen Reitkunst vereint sie ihr Wissen über gesunderhaltendes Training für Psyche und Körper des Pferds. www.marie-heger.com