Kaum etwas wird in der Reiterszene gerade so heiß diskutiert wie die Dehnungshaltung. Die aktuell vehementesten Gegner sind Reitausbilder Manuel Jorge de Oliveira und seine Schüler. Die Dehnungshaltung gehört zu den schlimmsten Dingen, die der Reiter seinem Pferd antun kann, ist aus den „Oliveira Stables“ im bayerischen Waal, der Wirkungsstätte des „einzigartigen Meisters“, wie ihn seine Anhänger nennen, zu hören.
Film behauptet: Geschichte und Biomechanik erlauben kein Vorwärts-Abwärts
Dort entstand auch das Filmmaterial für die unlängst erschienene DVD „Der Jahrhundertirrtum Vorwärts- Abwärts“ (erschienen bei Kosmos, Edition WuWei 2019). 143 Minuten lang ist der Zusammenschnitt eines Vortrags über Biomechanik und einer Konferenz zum Thema Vorwärts-Abwärts. Während die Tierärztin Dr. Birgit Schock biomechanische Zusammenhänge erklärt, tritt der ehemalige Reining-Reiter Richard Vizethum als Experte für historische Reitlehren auf. Sie behaupten: Weder die Historie noch die Biomechanik erlauben den Schluss, dass das Vorwärts-Abwärts zu irgendeiner Zeit gewollt war und gutgeheißen wurde.
Wir haben die wichtigsten Thesen der beiden für Sie zusammengefasst. Pferdeausbilder, Biomechanik-Experten und unser Besuch bei den Oliveira Stables widerlegen alle Argumente. Fragt sich also, wer hier einem Irrtum aufliegt. In der Januar-Ausgabe der CAVALLO, die es ab dem 18.12.2019 am Kiosk oder online zu kaufen gibt, haben wir das Thema rundum beleuchtet.
Da wir im Heft nicht genug Platz hatten, gibt es hier zwei interessante Studien zu dem Thema:
Messbarer Behandlungserfolg durch Dehnungshaltung
Zur Dokumentation des Therapieerfolgs misst Tierärztin und Pferdephysiotherapeutin Dr. Daniela Danckert bei stationären Rehapferden die Distanz von der Oberkante des linken Schulterblatts zum Dornfortsatz (meistens T3 oder T4), den Winkel der Lendenwirbelsäule und den Winkel des Kreuzbeins im Stand (neutrale Position) auf ebenem Boden.
Mit der ersten Messung werden die Ausgangswerte dokumentiert. Die zweite Messung erfolgt direkt nach der funktionellen Bewegungsanalyse und -therapie. Weitere Messungen folgen in mehrwöchigen Abständen.
Beispielfall: Oldenburger Wallach, sieben Jahre alt, kommt aus Beritt nach Chip-OP und Sehnenschaden. Pferd verweigert sich nur noch.
Distanz Schulterblatt-Dornfortsatz bei Ankunft: 8,2 cm
Distanz Schulterblatt-Dornfortsatz nach Behandlung 9,5 cm
Winkel LWS bei Ankunft 9°
Winkel LWS nach Behandlung 5°
Winkel Kreuzbein bei Ankunft 13°
Winkel Kreuzbein nach Behandlung 16°
Nach sieben Wochen Training:
Distanz Schulterblatt-Dornfortsatz 9,5 cm
Winkel LWS 4°
Winkel Kreuzbein 18°
Ergebnis: Bei diesem Pferd hob sich der Brustkorb nach der Behandlung um einen guten Zentimeter an. Die Lendenwirbelsäule hob sich ebenfalls um 4 Grad an, das Becken (Winkel Kreuzbein) wurde um 3 Grad steiler gehalten. Nach mehreren Wochen Training war der Brustkorb weiter in der neuen Position stabil, die Lendenwirbelsäule ebenso und das Becken stand um weitere 2 Grad steiler. Auch optisch veränderte sich das Pferd: Der Muskelzuwachs an der Halsbasis und um die gesamte Hinterhand war deutlich zu sehen. Die Rückenlinie veränderte sich positiv und die Hüft- und Kreuzbeinhöcker waren besser in die Muskulatur eingebettet.
Studie über die Last auf der Vorhand
In freier Haltung ohne Reiter liegt nur etwas weniger Gewicht auf der Vorhand als in der Dehnungshaltung unter dem Sattel, beweist eine Studie, die Sie hier finden.