Wirbel kommt aus dem Gähnen gar nicht mehr heraus. Der Haflingerwallach schnaubt ab, schließt die Augen, schüttelt sich; und gähnt eben herzhaft-ansteckend. Grund für seine Entspannung sind Alexandra Feix und Silvia Hamm. Genauer: leichteste Berührungen von deren Händen. Klingt nach esoterischem "Handauflegen"; aber die Masterson-Methode, die Feix und Hamm anwenden, ist eine interaktive Körperarbeit mit dem Pferd. "Ich trete mit dem Pferd in einen Dialog", sagt Alexandra Feix.
Heißt: Man beobachtet das Pferd, deutet feinste Reaktionen als Zeichen für Verspannung – und sorgt mit ebenso leichten Berührungen dafür, dass sich diese lösen. Das Tolle: Jeder Pferdebesitzer kann das anwenden.
Die Zeichen für Spannung und Entspannung (er)kennen
Blockaden zeigt das Pferd subtil und deutlich zugleich. Lassen Sie einen Finger langsam und weich übers Fell gleiten und achten Sie auf die Reaktionen: Ein Blinzeln, Zucken der Lippe, ein weicherer Gesichtsausdruck oder eine schnellere Atmung sind Zeichen für Spannungen an der Stelle, wo Sie gerade sind. Lassen Sie den Finger hier liegen, kann das Pferd die Spannungen lösen – und zeigt dies wie Wirbel durch Reaktionen wie Gähnen, Kauen, Lecken, Schütteln oder Abschnauben.
Die Methode verbessert Ihre Beziehung zum Pferd, weil Sie feiner auf es eingehen; und zudem können Sie so Bewegungsablauf und Mobilität des Tiers sanft verbessern, indem Sie Verspannungen in fünf Bereichen gezielt lösen.
Diese Arten der Berührung gibt es
"Feinste Stufe ist die Berührung mit Zwischenraum", erklärt Silvia Hamm. Dabei berühren Sie das Fell, aber nicht die Haut. Zweite Stufe: "Eigelb". Stellen Sie sich vor, Sie drücken ein rohes Eigelb, ohne den Dotter zu beschädigen. Es folgen "Weintraube" (Druck, der eine reife Traube nicht beschädigt), weiche "Zitrone" (mehr Druck) und harte "Limette" (so viel Druck, wie Sie aufwenden können).
Generell gilt: "Setzen Sie so wenig Druck wie möglich ein", sagt Alexandra Feix, und werden Sie leichter, wenn Sie Widerstand spüren. Dann ist Entspannung garantiert.

1. Start am Blasenmeridian
Warum Sie hier beginnen sollten: Der Blasenmeridian ist einer der wichtigsten Meridiane (Leitbahnen) der Traditionellen Chinesischen Medizin. Er beginnt hinter dem Auge, verläuft unterhalb der Oberlinie bis zur Kruppe und von dort zum Kronrand (A). Damit berührt er wichtige Körperstellen des Pferds wie Genick oder Rücken. "Er ist grundlegend für die Arbeit am und die Verbindung mit dem Pferd", sagt Alexandra Feix. Wer die Masterson-Methode zum ersten Mal ausprobiert, kann so zudem das "Lesen" seines Pferds üben, also: zu erkennen, wie es auf Berührungen reagiert und wo Verspannungen stecken.
So gehen Sie vor: Beginnen Sie auf der linken Seite des Pferds. "Die meisten Pferde sind rechts verspannter, deshalb beginnt man auf der leichteren Seite", sagt Silvia Hamm. Stellen Sie sich auf Höhe des Kopfs, legen Sie die Fingerspitze von Zeige- oder Mittelfinger direkt hinter dem Ohr aufs Genick. Fahren Sie nun am Blasenmeridian entlang; mit wenig Druck (Stärke "mit Zwischenraum") und langsam. Blinzelt Ihr Pferd oder zuckt die Lippe? Lassen Sie Ihre Hand ruhen, bis Ihr Tier entspannt; das zeigt es durch Kauen/Lecken oder Schnauben. Tut es das nach 30 bis 40 Sekunden nicht, fahren Sie fort. Planen Sie pro Seite bis zu zehn Minuten ein.

2. Schultern, Hals und Widerrist
Welchen Einfluss der Bereich hat: Die Region rund um die Schultern ist eine Schlüsselstelle. Hier setzen etwa der Arm-Kopf-Muskel an, der zum Genick führt, ebenso wie die langen Rückenmuskeln. Ist das Pferd hier verspannt, sind seine Bewegungen nicht mehr fließend. Zudem kann es Stöße nicht mehr so gut abfedern; das führt zu größeren Belastungen von Sehnen, Bändern und Gelenken. Die Handgriffe der Masterson-Methode sollen dabei helfen, Spannungen im Bereich des Schulterblatts zu lösen.
Empfiehlt sich bei folgenden Problemen: Etwa wenn das Pferd häufig stolpert, wenig Raumgriff hat, auf der Vorhand oder abgehackt läuft oder wenn der Rücken steif und schmerzempfindlich ist.
So gehen Sie vor: Sie stehen mit Blick zum Pferdekopf. Heben Sie das Vorderbein am Fesselkopf an; warten Sie, bis das Pferd entspannt. Führen Sie das Bein langsam nach hinten-unten, setzen es ab, aber halten es sanft fest. So soll das Pferd sein Bein einen Moment in der Position lassen. Wiederholen Sie das, aber setzen Sie das Bein diesmal vorne-unten ab (1. Foto), ohne dass das Pferd sein Vorderbein überstreckt. Beide Male ist entscheidend, dass sich das Schulterblatt entspannt etwas nach unten absenkt; das löst Muskelspannungen. Nun lösen Sie die Muskeln unter dem Schulterblatt.

Stellen Sie sich auf Halshöhe ans Pferd, führen die Pferdenase etwas zu sich und erfühlen Sie mit der anderen Hand die Falte vor dem Schulterblatt (2. Foto). Lassen Sie Ihre flach an den Hals angelegte Hand langsam darunter und nach unten gleiten. Versteift sich Ihr Pferd, halten Sie inne, bis es wieder entspannt. Bleiben Sie auch in der "Nasenhand" weich und lassen Sie es zu, wenn Ihr Pferd den Kopf senken möchte – dann entspannt es (3. Foto).

Lösen Sie jetzt den Widerrist. Dazu greifen Sie einen Dornfortsatz und wackeln leicht (D); machen Sie eine Pause und warten, bis Ihr Pferd entspannt. So gehen Sie von Dornfortsatz zu Dornfortsatz. Diese Arbeit soll tief sitzende Verspannungen in Muskeln unter der Brustwirbelsäule lösen.

3. Vorhand: Rund um Atlas und Axis
Welchen Einfluss der Bereich "Vorhand" hat: Spannungen um Atlas und Axis (den ersten beiden Halswirbeln des Pferds) können weitreichende Folgen haben. Sie können etwa zu Blockaden im Kopf-Arm-Muskel führen – oder über das Nackenband sogar bis zum Kreuzbein. Die Arbeit in diesem Bereich soll dabei helfen, dass das Pferd in Genick und Hals leichter loslässt.
Empfiehlt sich bei folgenden Problemen: Etwa wenn das Pferd gegen das Gebiss geht, den Kopf schief hält oder kopfscheu ist – aber auch bei weniger agilen Tieren (die nicht unwillig, sondern einfach nur in der Vorhand blockiert sind).

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Empfiehlt sich bei folgenden Problemen:
Bei steifem oder schmerzempfindlichen Rücken; aber auch, wenn das Pferd mit wenig Schwung oder Raumgriff geht oder sich nicht gern gurten lässt.
So gehen Sie vor: Stellen Sie sich auf die linke Seite der Hinterhand, Blick Richtung Pferdekopf. Ihre linke Hand legen Sie auf die letzte Rippe, die rechte an die Wurzel der Schweif rübe. Nun lassen Sie die Wirbelkette schaukeln: Dafür ziehen Sie mit der rechten Hand die Schweifrübe ein wenig zu sich, lassen sie zurück schwingen und ziehen Sie wieder zu sich. Der Rücken beginnt nach einer Weile in diesem Rhythmus zu schwingen. Machen Sie das, bis Sie eine Entspannungsreaktion bekommen. Dann die Seite wechseln.
Die Expertinnen:
Alexandra Feix ist ebenso wie Silvia Hamm MMCP (Masterson Method certified Practitioner). Beide haben eine anderthalbjährige Ausbildung in der Methode gemacht, die nach US-Amerikaner Jim Masterson benannt ist: Der Therapeut entwickelte die sanfte Technik im Zuge seiner Arbeit als Pferdepfleger. Die Fotos entstanden auf Silvia Hamms Mühlberghof in Aßlar. www.mastersonmethod.com