Mineralfutter-Studie
Ist drin, was drauf steht?

Nicht immer ist im Mineralfutter drin, was draufsteht – zeigt eine aktuelle Studie. Wir klären, ob Pferde damit unter- oder überversorgt sind.

Mineralfutter
Foto: Lisa Rädlein

Na, welche Nahrungsergänzungsmittel haben Sie im Schrank? Vielleicht Tabletten mit Vitamin C und Zink für die Erkältungszeit, Magnesium-Kapseln für beanspruchte Muskeln oder gleich das Komplettpaket mit allen wichtigen Mineralstoffen und Vitaminen? Sie verlassen sich bei solchen Mitteln darauf, dass an Nährstoffen drin ist, was draufsteht – so wie beim Mineralfutter für Ihr Pferd. Doch was, wenn Inhalt und Etikett voneinander abweichen – und zwar teils deutlich?

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Auffallend abweichend
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Genau zu diesen Erkenntnissen kam eine Forschergruppe der Freien Universität Berlin: Sie prüften bei 19 zufällig ausgewählte Mineralfuttermitteln im Labor nach, ob sie neun Nährstoffe (darunter Kalzium, Phosphor, Zink, Eisen oder Kupfer) in der Menge enthielten, die auf dem Etikett angegeben war. Enthielten sie nicht. Stattdessen fanden die Forschenden klare Abweichungen nach unten wie oben – und zwar bei jeder untersuchten Futterprobe.

Wir wollten wissen, was dieses Ergebnis konkret für die Nährstoffversorgung unserer Pferde bedeutet, und haben bei Dr. Eva-Maria Saliu nachgefragt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tierernährung der FU Berlin leitete die Studie und erklärt, welche Abweichungen unter welchen Bedingungen kritisch sein können – und welche nicht. Und was sagen die Futtermittelhersteller?

Von Futter-Auswahl bis Erwartungen: Wie die Studie ablief

Wer in einen Eimer voller Mineralfutter schaut, schaut quasi in ein schwarzes Loch; denn was im Pferdefutter drin ist, wird kaum untersucht. "Es gibt einerseits kaum Studien, andererseits auch so gut wie keine Futtermittelkontrollen", erklärt Eva-Maria Saliu: Von 7346 Futtermittelkontrollen im Jahr 2020 betrafen lediglich 346 Mischfuttermittel für Pferde. Schwerpunktmäßg sind bei den Kontrollen das Futter für lebensmittelliefernde Tiere im Blick, wie Rinder und Schweine.

Die Forscherin wollte mit ihren Mit-Autoren daher eher aus pragmatischer Sicht Mineralfutter untersuchen, "weil es eben so wenig Forschung hierzu gibt; wirklich gerechnet haben wir nicht damit, dass wir große oder viele Abweichungen finden". Da sollten sie sich täuschen.

Das Team orderte im Internet 19 Mineralfuttermittel unterschiedlicher Hersteller. Welche Produkte konkret untersucht wurden, darüber hält sich Saliu bedeckt. Sie verrät nur: "Wir haben die Begriffe Mineralfutter und Pferd gegoogelt und geschaut, was einem Pferdebesitzer unter diesen Begriffen für sein Freizeitpferd angeboten wird." Die Forscher wählten günstigere und teurere Produkte großer wie kleiner Produzenten aus, bestellten das jeweils kleinste Gebinde und zogen daraus eine Probe. Die wurde anschließend im Labor gemahlen und dann auf den Gehalt von fünf Mengenelementen (Kalzium, Phosphor, Magnesium, Kalium und Natrium) sowie vier Spurenelementen (Eisen, Kupfer, Mangan und Zink) untersucht. Die Ergebnisse? Mehr als verblüffend.

Mineralfutter
Lisa Rädlein
Eisen lieferte in der Studie die größten Abweichungen nach oben mit 1355 Prozent über dem deklarierten Wert.

Abweichungen nach oben und unten: Die Ergebnisse der Studie

"Alle Proben zeigten Abweichungen von den deklarierten Werten der Hersteller", erzählt Eva-Maria Saliu. Und: "Die Toleranzen wurden pro Probe in mindestens zwei analysierten Parametern über- bzw. unterschritten." Heißt: Dass die Werte im Futter vom Etikett abweichen können, liegt in der Natürlichkeit des Produkts. Die Werte der einzelnen Futtermittelbestandteile können immer mal wieder schwanken; so weit, so normal.

Wie sehr die Werte abweichen dürfen, ist in zwei Verordnungen (EG 767/2009 und EU 2017/2279) und den darin festgehaltenen Bemessensspielräumen geregelt. Diese Grenzen wurden jedoch von jeder Futterprobe in mindestens zwei der neun untersuchten Parameter nicht eingehalten.

Durchschnittlich wich die Konzentration der Mineralstoffe zwischen 14 und 300 Prozent von den deklarierten Werten ab. Die geringsten Schwankungen gab es bei Kalzium (14%), Magnesium und Natrium (beide 17%), Phosphor (19%) und Mangan (23%), während Zink (66%), Kupfer (166%) und Eisen (300%) die obersten drei Plätze belegten. Eisen war auch Spitzenreiter, was die höchste Abweichung nach oben anging: "Die Konzentration an Eisen lag in der Spitze bei 1355 Prozent", so Dr. Saliu. Es war also deutlich mehr Eisen im Produkt enthalten als angegeben. Das Pendant in die andere Richtung war Zink; hier enthielt ein Produkt lediglich 63 Prozent des deklarierten Wertes.

Einige Abweichungen kann sich Eva-Maria Saliu erklären: "Maschinenoberflächen enthalten auch das Spurenelement Eisen. Verlieren sie bei der Futtermittelherstellung Abrieb, kann der ins Futter gelangen und so zu höheren Eisen-Werten führen. Außerdem wird bei den Spurenelementen nur angegeben, was hinzugefügt wird; nicht, was in den Rohstoffen bereits enthalten ist." Ein höherer Gehalt sei somit logisch, "eine Negativabweichung aber nicht". Über diese Werte wollten wir ganz allgemein mit Futtermittelherstellern reden – schließlich ist von keinem in der Studie untersuchten Produkt ein Rückschluss zu einem bestimmten Hersteller möglich. Auf unsere Nachfragen erhielten wir eine genauere Antwort.

Wie sich Futtermittel-Hersteller die Abweichungen erklären

Dr. Julienne Meints von Hersteller St. Hippolyt erklärt, dass "engmaschig regelmäßige, analytische Kontrollen unserer Rohstoffe und Vormischungen" in der Produktion die Regel seien. Den größten Einfluss habe man als Hersteller auf die Zusatzstoffe und deren exakte Beimischung. Doch die Futterexpertin verweist auch darauf, dass es bei der Untersuchung von Spurenelementen generell zu höheren Werten kommen könne.

"Auf der Deklaration müssen nur jene Spurenelemente aufgeführt werden, die dem Futtermittel zugesetzt sind. Das heißt, hier sind die nativ enthaltenen Spurenelementgehalte nicht berücksichtigt, die etwa in den Futtermittelkomponenten selbst stecken." Eine Analyse unterscheide aber nicht zwischen zugesetzten und nativ enthaltenen Stoffen, sondern sehe nur die Gesamtsumme. "Da die nativen Gehalte jedoch in der Regel sehr gering sind, liegt der Gesamtgehalt normalerweise nicht weit oberhalb der Menge des zugesetzten Stoffes."

Die Ausnahme sei Eisen, sagt Julienne Meints: Basiert das Futtermittel auf Grünfutter, das natürlicherweise stark schwankende Eisengehalte haben kann, oder ist zusätzlich Kieselgur zugesetzt, könne das den Eisenwert in die Höhe treiben. Dass die Werte teils geringer sind als angegeben, könne generell an einer "im Produktionsverlauf nicht immer zu vermeidbaren Entmischung" liegen, bevor die Pellets gepresst werden – oder schlicht an Fehlern in der Produktion, "die aber in der Praxis eher selten vorkommen dürften".

Unabhängig davon, warum von einem Nährstoff weniger oder mehr im Mineralfutter bleibt: Hat das Folgen fürs Pferd?

Kritisch fürs Pferd? Eine Einordnung

300 Prozent zu viel Eisen, 71 Prozent zu wenig Kupfer: Diese Zahlen lassen spontan die Alarmglocken klingeln, weil man sie mit einer Über- bzw. Unterversorgung an wichtigen Nährstoffen assoziiert – und möglichen negativen Folgen für die Pferde-Gesundheit. Doch ist das so? In den meisten Fällen nicht, beruhigt Dr. Eva-Maria Saliu. Hohe Eisen-Werte würden die Vierbeiner beispielsweise gut wegstecken, weil ihr Toleranzbereich sehr groß sei. Drei Ergebnisse ihrer Studie sieht die Wissenschaftlerin allerdings durchaus kritisch, weil sie sich negativ auf die Gesundheit auswirken könnten.

Das erste betrifft das Verhältnis von Kalzium zu Phosphor. Idealerweise sollte das in der Gesamtration bei 1:1 bis 2:1 (max. 3:1) liegen; in den untersuchten Produkten war die Spannweite jedoch deutlich größer. Der Spitzenreiter lag bei 12:1 (deklariert) bzw. 6:1 (gemessen). "Das funktioniert nur, wenn das Pferd gleichzeitig viel Hafer bekommt, um das wieder auszugleichen. In der Realität erhält das aber kein Freizeitpferd", sagt Eva-Maria Saliu. Bei Pferden, die nur Heu (wo das Verhältnis natürlicherweise laut Lehrbüchern bei rund 1,5:1 liegt) erhalten, entsteht so ein Kalzium-Überschuss, was auf Dauer die Nieren belastet und zu Phosphormangel führen kann.

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Zink war Spitzenreiter bei den Unterschreitungen zum deklarierten Wert – mit nur 63 Prozent im Futter,

Die anderen beiden Punkte betreffen Zink und Kupfer. Bei neun Proben lagen die Kupferkonzentrationen unter den angegebenen Werten, bei Zink waren elf Proben im Minus. Saliu: "Zink ist wichtig für Haut, Haare und Immunsystem. Bei einem Mangel könnte das Pferd anfälliger für Infekte werden." Zink wirkt wie auch Kupfer Entzündungen entgegen; Kupfer ist zudem für Knochenbildung und Enzyme wichtig. Alle drei Abweichungen können zu einer bedenklichen Über- oder Unterversorgung führen – wenn das Heu nicht mitspielt.

Der Einfluss des Heus aufs Mineralfutter

Ergänzend zum Mineralfutter untersuchte die Forschergruppe noch 16 Heuproben aus Berlin-Brandenburg. Der Hintergrund: Mit deren Ergebnissen sollte abgeglichen werden, ob Pferde anhand von Heu und Mineralfutter bedarfsgerecht ernährt werden könnten. "Dabei haben wir im Vergleich zu den Durchschnittswerten der LUFA, die ja alljährlich für ganz Deutschland ausgewiesen werden, deutliche Unterschiede festgestellt", erklärt Dr. Saliu: Das Heu aus der Region um die Hauptstadt hätte beispielsweise einen auffallend geringen Phosphorgehalt gehabt.

Während Standard-Lehrwerke der Pferdefütterung für Phosphor (P) von 3,1 g/kg Trockensubstanz (TS) ausgehen, maßen die Forscher der FU Berlin nur 1,4 g/kg TS – im Durchschnitt. Der niedrigste Wert lag bei 0,9 g/kg. Wird so ein phosphorarmes Heu mit einem Mineralfutter kombiniert, das ein Ca:P-Verhältnis von 6:1 hat, liegt es in der Gesamtration mit 7,5 Kilo Heu (TS) zwar "nur" noch bei 3:1 – aber das Pferd enthält zu wenig Phosphor (siehe rechts). Bei höherer Heumenge ist Kalzium über der Versorgungsempfehlung.

Dazu kommt, dass das untersuchte Heu auch wenig Kupfer und Zink enthielt. Das wirkt sich auf die Versorgung des Tiers mit der nötigen Menge aus, erklärt Forscherin Saliu: In 16 bzw. 12 von 19 Fällen hätte die Versorgungsempfehlung an Kupfer bzw. Zink so nicht gedeckt werden können. Das Pferd wäre unterversorgt gewesen. Die gute Nachricht jedoch: Was die Versorgung des Pferds mit Kalzium, Phosphor, Magnesium, Natrium, Kalium und Eisen angeht, so sei diese mit den durchschnittlichen Heu-Werten und den untersuchten Mineralfuttermitteln gewährleistet gewesen.

Das Fazit aus den Studien-Ergebnissen

Wollen Reiter in punkto Versorgung mit Mengen- und Spurenelementen auf Nummer Sicher gehen, können sie ihr Mineralfutter im Labor untersuchen lassen. Dazu rät auch Eva-Maria Saliu. Habe man die Werte, könne man die Ration exakter berechnen. Die Forscherin selbst hat das Mineralfutter für ihr eigenes Pferd so gegenchecken lassen.

Die Rechenbeispiele zeigen wieder klar: Es hängt ganz oft am Heu. Was im Grundfutter Nummer 1 steckt, spielt bei der Menge, die Pferde täglich fressen, einfach die größte Rolle. "Wer sein Pferd gut versorgen will, kommt an einer Heu-Analyse nicht vorbei", betont Eva-Maria Saliu. Denn selbst wenn im Mineralfutter exakt das drin ist, was draufsteht, gilt: Enthält das Produkt etwa weniger Kupfer, passt es schlichtweg nicht zu einem kupferarmen Raufutter. Das gilt natürlich ebenso umgekehrt: Steckt beispielsweise tendenziell eher viel Zink im Mineralfutter, kann das mit einem zinkhaltigen Heu zu einem Überschuss führen.

Wer das Heu bei der Analyse außen vor lässt, füttert den größten blinden Fleck – oder anders gesagt: Vitamin-C-Tabletten bringen nichts, wenn man Weißbrot und Chips dazu isst.

Wie Mineralfutter definiert wird

Jedes Mineralfutter besteht im Kern aus drei Teilen: den Mengenelementen, den Spurenelementen und den Vitaminen. Mengenelemente sind Mineralien, die in einer bestimmten Menge vorkommen, nämlich ab 50 Milligramm pro Kilo. Dazu zählen Magnesium, Kalzium, Phosphor und Natrium. Die Konzentration an Spurenelementen wie Eisen, Zink, Kupfer ist geringer.

Die zugesetzte Menge dieser drei Bestandteile orientiert sich an den Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE). Daneben gibt es Regeln vom Gesetzgeber zu Höchstgehalten von Nährstoffen wie Selen oder Zink.

Eine weitere Vorgabe im Futtermittelrecht: Ein Mineralfutter darf nur Mineralfutter heißen, wenn der Rohaschegehalt bei mindestens 40 Prozent liegt. Rohasche ist der Rest, der übrig bleibt, wenn das Futter sechs Stunden lang bei 550 Grad verbrennt. Der festgelegte Anteil soll garantieren, dass genügend Nährstoffe im Futter enthalten sind. Damit Asche entsteht, muss ein Teil der Nährstoffe anorganisch sein, erkennbar an den Endungen -oxid, -chlorid oder -sulfat.

Die Expertin

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privat
Dr. Eva-Maria Saliu, Diplomate des European College of Veterinary and Comparative Nutrition (ECVCN), arbeitet am Institut für Tierernährung der FU Berlin. www.vetmed.fu-berlin.de
Die aktuelle Ausgabe
6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023