Wissenswertes zu Netzhauterkrankungen wie die periodische Augenentzündung beim Pferd
Die Netzhaut (Retina) ist die lichtempfindliche Schicht an der hinteren Innenseite des Auges. In ihr wird das Licht, das Hornhaut, Linse und Glaskörper passierte, in elektrische Nervenimpulse umgewandelt. Diese werden über den Sehnerv ins optische Zentrum des Gehirns weitergeleitet; erst dann nimmt das Pferd das entstandene Bild wahr. Damit ein Bild entsteht, sind sogenannte Photorezeptoren (Stäbchen und Zapfen) nötig, die auf der Netzhaut sitzen. Die besonders lichtempfindlichen Stäbchen sind auf Sehen bei schwacher Beleuchtung spezialisiert; mit ihnen sieht das Pferd schwarz-weiß. Die Zapfen hingegen dienen dem Farbsehen. Pferde sind Dichromaten, sie haben im Gegensatz zum Menschen (Trichromat) nur zwei Zapfenarten. Unterscheiden können die Tiere vermutlich nur die Farben Gelb und Blau.
Wie entstehen Netzhauterkrankungen wie die periodische Augenentzündung?
Netzhautentzündungen hängen meist mit einer Aderhautentzündung (Chorioretinitis) zusammen. Die Aderhaut ernährt die Netzhaut mit Sauerstoff und energiereichen Substraten. Sie kann sich entzünden, wenn die oberen Atemwege erkranken, zum Beispiel bei schwerer Influenza oder Equinen Herpesvirus- Infektionen, und auch bei bakteriellen Infektionen, vor allem mit dem Druse-Erreger Streptococcus equi subspc. equi.
Das sind keine Einzelfälle, sagt Augenspezialistin Dr. Silvia Stadler: »Oft sehen wir allerdings nur noch die Narben in der Netzhaut – Monate oder Jahre später, nachdem das infektiöse Geschehen nicht mehr aktiv ist.« Solche Zufallsfunde sind dann nicht mehr klinisch relevant. Solche Chorioretinitis-Narben können bis zu zwanzigfach punktuell in Form von Depigmentierungen (weiße Punkte, manchmal mit braun-schwarzen Zentrum, auch »bullet hole lesions« genannt) im pigmentierten Bereich der Netzhaut unterhalb des Sehnervs (»Non-Tapetum« genannt) oder auch um den Sehnervenkopf (peripallär) als »butterfly lesions« auftreten. »Chorioretinitis und auch eine Netzhautdegeneration als Folge der Entzündung ist die häufigste Abnormalität der Netzhauterkrankung beim Pferd«, sagt Dr. Silvia Stadler.
Wie entsteht die periodische Augenentzündung?
Auch die Equine rezidivierende Uveitis (ERU, periodische Augenentzündung) hat Auswirkungen auf die Netzhaut, erklärt die Pferdefachtierärztin weiter: »Bei der Pathogenese, also der Entstehung der periodischen Augenentzündung, sind spezielle Immunzellen involviert – die CD4 T-Zellen. Deren spezifisches Ziel wiederum sind spezielle Zellen in der Netzhaut, die sogenannten retinalen Müller-Zellen. Es kommt zu einer Auto-Immunreaktion und daher auch zu Veränderungen in der Netzhaut, die mit periodischen Augenentzündung im Zusammenhang stehen.« Aderhaut, Netzhaut und der Sehnerv können auch Schaden nehmen, wenn das Pferd zum Beispiel durch einen Unfall viel Blut verliert (Ischämie). Die sogenannte »Ischämische Optische Neuropathie« entsteht bei akuter Hypovolämie (massiver Blutverlust), bei thrombo-embolischen Erkrankungen wie Sepsis oder auch nach chirurgischen Eingriffen (wie etwa dem Verschluss der Carotid-Arterie bei der Luftsackmykose, einer Pilzinfektion im Luftsack).

Erkrankungen der Netzhaut werden meistens zu spät erkannt und die Pferde erblinden.
Da der Sehnerv ein Teil des Gehirns ist, wirkt sich jeder perakuter (hoher Verlust in kürzester Zeit) Sauerstoffmangel katastrophal aus. Die Folgen sind akute Blindheit. Aufgrund der Degeneration von Nervenfasern nach dieser massiven Schädigung kann in den wenigsten Fällen die Sehfähigkeit wieder hergestellt werden. »Meist sind diese Pferde innerhalb 24 Stunden blind, die Degeneration entsteht innerhalb zwei bis vier Wochen«, sagt Pferdefachtierärztin Dr. Silvia Stadler. Dringt Flüssigkeit aus dem Glaskörper durch Löcher in der Netzhaut oder aus den Blutgefäßen der Aderhaut unter die Netzhaut, kann sich die Netzhaut ebenfalls ablösen. Netzhautlöcher entstehen vor allem durch äußere Verletzungen sowie Blutungen im Auge. Sie können Folge stumpfer Traumata sein, etwa wenn das Pferd mit dem Auge gegen ein Hindernis prallt. Meist sind es jedoch Entzündungen wie bei der periodischen Augenentzündung, die eine Flüssigkeitsansammlung (Netzhautödem) und in der Folge eine Ablösung der Netzhaut auslöst. »Auch seltene Neoplasien wie Astrozytome, Paragangliome, Gliome und Medullo-Epitheliome (Gehirntumore) oder auch metastatische Tumore wie Lymphosarkome können eine Netzhautablösung, ein Glaukom oder eine Sehnerv-Atrophie auslösen, die dann zur Blindheit führen«, erklärt Dr. Silvia Stadler.
Was passiert bei EMND?
Bei Equine Motoneuron Disease (EMND), einer neurodegenerativen Erkrankung, verkümmern bestimmte Nervenzellen (Motoneuronen). Es kommt zu einer Ansammlung von Ceroid-Lipofuszin in der retinalen Pigment-Epithelschicht der Netzhaut; bei einer Untersuchung falle dies als honigwabenartige Pigmentierung auf, erklärt Augenspezialistin Silvia Stadler. Die Netzhaut kann auch altersbedingt degenerieren: Die Schicht der Photorezeptoren, die das Licht aufnehmen, wird mit steigendem Alter dünner und stärker pigmentiert. Zudem können auch Medikamente, die falsch verdünnt in den Glaskörper injiziert werden, die Netzhaut zerstören. »Deshalb ist eine korrekte Glaskörperinjektion mit 4 mg konservierungsfreies Gentamicin an der richtigen anatomischen Stelle und geringem Volumen unerlässlich.«