Mit der Freude am Reiten ist das so ein Ding: „Da können wir es kaum erwarten, endlich zum Pferd zu kommen, doch dann läuft alles irgendwie anders als gedacht“, sagt Pferdetrainerin Tania Konnerth.
4-wöchiges Selbstcoaching-Programm für mehr Freude
Und genau hier setzt Konnerths sogenannter „Freudekurs“ an, ein vierwöchiges Selbst-Coaching-Programm für mehr Spaß und Leichtigkeit im Stall, von dem wir hier einen kleinen Auszug zeigen. „Der Kurs dreht sich um die Frage, warum alles so oft ganz anders läuft, als wir es eigentlich wollten“, erklärt die Pferdetrainerin. „Und er setzt an eben jenen Punkten an, die uns Freude oft so schwer machen.“
Aufgeteilt ist das Coaching-Programm in vier Blöcke. Für jeden sollten Reiter etwa eine Woche einplanen. „Sollten Sie zwischendurch feststellen, dass Sie für eine oder mehrere Übungen ein wenig länger brauchen, dann gönnen Sie sich die benötigte Zeit“, rät Konnerth. Viel wichtiger als ein straffer Zeitplan ist die aktive Mitarbeit. Heißt: „Ein kurzes Andenken nach dem Motto ‚ich weiß eh, was dabei rauskommt‘ führt zu keinem Erfolg“, warnt die Trainerin. „Es bedarf schon etwas Engagement und einer gewissen Offenheit, sich auf das Eigen-Coaching einzulassen.“
Was macht das Programm denn so besonders?
Eigene Gefühle erkennen, einordnen, Blockaden lösen
Der „Freudekurs“ lädt Reiter ein auf eine Reise zu sich selbst und zum Pferd. Klingt schräg, ist es dank überraschend einfacher, äußerst effektiver Übungen und Anregungen aber nicht. Die größte Herausforderung besteht darin, eigene Gefühle erkennen zu lernen und ins Miteinander mit dem Pferd einzuordnen. „Dabei werden einige Menschen auf Widerstände stoßen“, weiß Konnerth. „Doch genau diese Blockaden gilt es ja zu lösen, denn sie nehmen uns die Freude am Pferd.“
Versprochen: Sie werden staunen, was tatsächlich bei Ihnen und Ihrem Pferd gut oder schlecht läuft. Und falls Sie beide keine Baustellen miteinander haben: Coachen Sie sich trotzdem ruhig mal. Denn freuen kann man sich bekanntlich nie genug, erst recht nicht über Pferde. Auf die Freude, fertig, los!
1. Woche: Sich selbst reflektieren
So kommen Sie Ihren Emotionen auf die Spur:

Wo stehe ich gerade mit meinem Pferd?
Schnappen Sie sich ein Blatt Papier und schreiben Sie in die Mitte: „Ich und mein Pferd – so, wie es jetzt ist.“ Notieren Sie rundherum alles, was Ihnen dazu einfällt. Lassen Sie keinen Gedanken sausen, auch wenn er Ihnen peinlich oder unangenehm vorkommt!
Reflektieren Sie nun, wie Sie sich nach dieser Übung fühlen: zufrieden oder fröhlich, traurig oder frustriert? Notieren Sie diese Gefühle stichwortartig, haben Sie nur keine Angst davor. Gefühle sind der Schlüssel dazu, um herauszufinden, wie es Ihnen und Ihrem Pferd miteinander geht.
Außerdem: Unterdrückte Gefühle verschwinden nicht etwa. Sie suchen sich andere Wege, brechen dann oft an Stellen aus, wo sie nicht hingehören. Das Pferd wird angebrüllt, gebufft, getreten oder gar geschlagen. Beantworten Sie daher nun so ehrlich wie möglich die folgende Frage:
Habe ich mein Pferd schon mal aus einer Emotion heraus unfair behandelt?
Notieren Sie sich wieder ein paar Stichworte zu einem oder mehreren passenden Momenten. Keine Sorge: Es geht nicht um Schuldgefühle. Sondern darum, herauszufiltern, wozu es führen kann, wenn Gefühle im Zusammensein mit dem Pferd herausbrechen – und sich nicht mehr kontrollieren lassen.
Das kann übrigens auch dann der Fall sein, wenn Reiter völlig unangemessene Erwartungen ans Pferd stellen. Etwa wenn es als Kind- oder Partnerersatz herhalten muss, den eigenen Ehrgeiz bedienen soll oder den fehlenden Sinn des Lebens ersetzen. Folglich wird es überfordert oder übermäßig verhätschelt. Und nichts läuft so, wie sich der Mensch das erhofft hat. Das können Sie tun:
Drehen Sie im Kopf einen kleinen Film über sich und Ihr Pferd
Wie sähe das ideale Miteinander aus? Was würden Sie beide gemeinsam tun, was errreichen? Wie sieht Ihr größter Traum aus? Notieren Sie Ihr Idealbild in ein paar Stichworten. Im nächsten Schritt denken Sie eine Runde zurück: Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen haben Sie sich Ihr Pferd gekauft? Welche Bilder hatten Sie im Kopf? Was sollte Ihr Pferd unbedingt können oder lernen? Notieren Sie die Antworten und vergleichen Sie: Was von diesen Vorstellungen hat sich erfüllt, was nicht? Und wie geht es Ihnen damit?
Wichtig: Es ist gut möglich, dass Sie mit diesen Übungen Themen berühren, die Sie eigentlich nie anfassen wollten. Bleiben Sie dennoch mutig und stellen Sie sich Ihren Gefühlen. Langfristig ist dies der bessere Weg, weil Sie so aus Fehlern lernen und sich davon lösen können, was Sie belastet.
Tipp: Sie sehnen sich nach einer Aussprache mit dem Pferd? Schreiben Sie ihm einen Brief mit Ihren Gedanken. Das löst alte Blockaden. Ihre gelöste Stimmung wiederum kommt garantiert gut beim Pferd an!
Effekte Woche 1:
• Die Bedeutung der Freude für Sie selbst entdecken
• Mut zum Fühlen gewinnen
• Kontakt aufnehmen zu angenehmen und unangenehmen Gefühlen
• Bedeutung von Selbstreflexion erkennen und die Bereitschaft entwickeln, aus Fehlern zu lernen
• Eigene Emotionen annehmen
2. Woche: Positiv denken
Alte Verhaltensmuster kann man aber nur durchbrechen, wenn man sie kennt. Fragen Sie sich also:

Bei welchen Gelegenheiten fühlen sie sich manchmal oder oft überfordert?
Würden Sie etwa gerne einen besseren Stall finden, aber wissen nicht wie? Oder fehlt Ihnen auf den Gebieten Fütterung, Gesundheit oder Ausbildung Wissen? All diese Themen sind wichtig fürs Pferd, gar keine Frage. Wenn wir uns hier aber überfordert fühlen, neigen wir dazu, handlungsunfähig zu werden – es könnte ja jede Entscheidung falsch sein – oder einfach die Augen vor Problemen zu verschließen. Beides sorgt für Leid statt Freude, bei Reiter wie Pferd. Machen Sie sich bewusst: Perfektion ist fehl am Platz. Wir müssen als Pferdebesitzer dem Vierbeiner ein gutes pferdegerechtes Leben bieten, kein perfektes.
Um gut für unser Pferd sorgen zu können, brauchen wir Kraft. Die können wir aus dem Bewusstsein schöpfen, was alles gut läuft und was wir bereits geschafft haben. Machen Sie daher den Selbst-Check:
Welche Herausforderungen in der Vergangenheit haben Sie gemeistert?
Viele Menschen neigen dazu, sich vor allem über das zu unterhalten, was nicht funktioniert. Das raubt aber unheimlich viel Kraft. Deshalb ist es wichtig, den Fokus umzuprogrammieren: auf das, was gut ist und klappt. Sprechen Sie daher mit Ihren Stall-Kollegen beim nächsten Mal nur über Positives – wie toll das Schulterherein gelungen ist oder wie brav Ihr Pferd beim Spaziergang war. Wichtig: Auch Ihr Pferd wird davon profitieren. Es tut ihm gut, wenn Sie sich ehrlich über kleine Dinge freuen.
So ein positiver Fokus wird einem von Mitreitern jedoch manchmal erschwert. Da wird im Stall gejammert, alles negativ kommentiert, kritisiert oder in allem „Katastrophen“ gesehen. Überlegen Sie sich:
Wer sind solche "Negativlinge" in meinem Umfeld?
Der erste Schritt zu mehr Freude ist es, solche negativen Einflüsse von außen zu identifizieren – der zweite, sich vor ihnen zu schützen. Sagen Sie solchen Mitmenschen daher ruhig, dass Sie nicht mehr nur das Schlechte sehen möchten. In punkto Kritik gilt der Grundsatz: Immer erst etwas Gutes sagen, und erst dann die Fehler benennen.
Bei extremen Negativlingen hilft das leider nicht immer. Da ist mitunter ein harter Schnitt angebracht: Halten Sie sich dann von solchen Menschen und ihren schädlichen Einflüssen besser fern.
Effekte Woche 2:
• Erkennen, dass der eigene Fokus bestimmt, wie man die Welt sieht
• Den Blick auf die Welt von jetzt an positiver gestalten und den Fokus entsprechend umlenken
• Sich vor negativen äußeren Einflüssen schützen, zum Beispiel vor missgünstigen Mitreitern
3. Woche: Frust aufspüren
Genauso verhält es sich mit der Freude: Auch sie wird manchmal ausgebremst. Fragen Sie sich:

Effekte Woche 3:
• Freudekiller aufspüren, welche das fröhliche Miteinander von Reiter und Pferd behindern können
• Sich auf drei Punkte konzentrieren, die noch nicht optimal zwischen Ihnen und dem Pferd laufen
• Verstehen, wie man besser mit Problemen umgeht
• Gezielt und systematisch Lösungen für Probleme suchen
Was verdirbt mir die Freude?
Dazu zählt alles, was für schlechte Laune, Stress und Druck sorgt oder traurig macht. Auch im Hinblick aufs Pferd: Wann fahren Sie mit ungutem Gefühl vom Stall weg? Welche Situationen versuchen Sie zu vermeiden?
Schreiben Sie nun auf, was Ihnen zu „Freudekiller“ einfällt. Das können Ängste sein, Druck, Selbstzweifel, Frust, Kritik ... Doch halt: Wollten wir nicht den Fokus aufs Positive lenken? Ja, aber wir wollen uns die Welt nicht schönreden, sondern sie konstruktiv positiv gestalten. Heißt: Freudekiller identifizieren, damit man gut mit ihnen umgehen kann. Legen Sie dann für sich drei Top-Freudekiller fest: Was macht es Ihnen und Ihrem Pferd besonders schwer?
Für diese Freudekiller entwickeln Sie nun in vier Schritten Lösungen.
Schritt 1: Problem wahrnehmen. Wo gibt es ein Problem im Umgang mit dem Pferd? Giftet Ihr Pferd etwa beim Satteln?
Schritt 2: Problem verstehen. Vermeiden Sie automatische Interpretationen („der ist nur frech“), sondern überlegen Sie: Was könnte dahinter stecken? Etwa Rückenprobleme?
Schritt 3: Lösungen finden und ausprobieren. Überlegen Sie, was sich konkret dagegen tun ließe (Termine mit Sattler oder Tierarzt, gezieltes Rückentraining etc.).
Schritt 4: Lösungsansatz angehen. Probieren Sie eine Idee aus und beobachten, ob sie wirkt. Wenn nicht, nächster Ansatz. Wichtig: Viele Lösungen brauchen Zeit.
4. Woche: Freude etablieren
Es geht vielmehr darum, Freude im Alltag an allen möglichen Stellen oder Situationen entstehen zu lassen. Dafür braucht es Freiraum; den haben wir in den vergangenen Wochen geschaffen, etwa indem wir Freudekiller ausfindig gemacht haben. Damit sich die Freude weiter entfalten kann, geht es in der vierten und letzten Woche darum, freudige Momente im Leben zu etablieren.

Bewusste Augenblicke der Freude
Nehmen Sie bewusst Augenblicke wahr, in denen Sie sich freuen. Fragen Sie sich beispielsweise: Was lässt Sie lächeln, wenn Sie beim Pferd sind? Welche Situationen im Umgang mit dem Pferd geben Ihnen ein gutes Gefühl? Über welche Erlebnisse erzählen Sie anderen am liebsten – etwa gelungene Trainingsmomente oder innige Schmuse-Einheiten?
Freude ist aber keine One-Rider-Show. Sie entsteht nur, wenn sich beide Seiten freuen können, also Sie und Ihr Pferd. Überlegen Sie: Wann geht es Ihrem Pferd gut? Woran hat es Spaß? Wann erscheint es fröhlich und gelöst – beim gemütlichen Spaziergang, wenn es beim Putzen verwöhnt wird oder über Stangen traben darf?
Wenn Sie sich schwer damit tun, solche Momente in Worte zu fassen, fragen Sie doch einfach mal Ihre Stall-Kollegen, was ihnen Freude bereitet. Ist es der Moment, wenn die Herde über die Weide galoppiert? Oder das Gefühl einer weichen Pferdenase? Das macht es oft leichter, selbst einen Blick für Freude zu entwickeln. Je intensiver Sie sich mit solchen Glücksmomenten beschäftigen, umso eher fällt Ihnen künftig im Alltag auf, was Ihnen und Ihrem Pferd Freude bereitet. Und umso gezielter können Sie solche freudigen Erlebnisse etablieren.
Klingt toll? Dann dürfen Sie jetzt noch ein bisschen träumen...
Vorstellung eines guten Miteinander mit dem Pferd
Wie sieht in Ihrer Vorstellung ein richtig schönes Miteinander mit Ihrem Pferd aus? Das können etwa Trainingseinheiten sein, die locker-leicht ablaufen, oder ein besonders harmonisches Zusammensein. Notieren Sie nun, was Ihnen daran besonders wichtig ist: Fortschritte und Erfolge im Training, Vertrauen, Spaß, ... Versetzen Sie sich nun in Ihr Pferd hinein. Was würde es sich von Ihnen in Training, Haltung und Umgang wohl wünschen?
Jetzt kommt die spannende Auflösung: Vergleichen Sie die beiden Idealbilder von Ihnen und Ihrem Pferd. Wo gibt es Übereinstimmungen, wo Unterschiede? Versuchen Sie, für die trennenden Elemente eine Lösung zu finden, die sowohl Ihnen als auch Ihrem Pferd gut tut. Reiten Sie etwa gern Dressur, aber machen um kleine Sprünge einen großen Bogen – dann bitten Sie doch einen Stallkollegen, Ihr Pferd ab und zu über kleine Hindernisse zu reiten, wenn es ihm Spaß macht. Ihr Pferd profitiert davon (und Ihre Dressurarbeit im Übrigen auch).
Häufig sind es Momente im Umgang mit dem Pferd, die uns die Freude verderben und stattdessen für Frust sorgen. Etwa wenn wir etwas vom Pferd möchten – und es partout nicht das tut, was wir wollen. Viele Reiter neigen dann dazu, das Pferd als widersetzlich abzustempeln oder ihm vorzuwerfen, es veräppele uns nur. Aber wenn Pferde etwas nicht tun, steckt meistens ein (für sie guter) Grund dahinter. Den gilt es herauszufinden:
Kann mein Pferd überhaupt das, was ich von ihm möchte?
Für Sie mag es beispielsweise leicht erscheinen, ein Pferd am Halfter von der Weide zu führen. Tatsächlich stecken hinter diesem simplen Vorgang zahlreiche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen: Das Pferd muss wissen, dass ihm vom Menschen nichts Schlechtes droht. Es muss sich ein Halfter anlegen, also quasi „fesseln“ lassen. Und dann soll es sich von seiner Herde trennen, ohne zu wissen, was es erwartet. Auf einmal wird aus dem simplen Führen ein großes Ding, oder?
Wir Reiter sollten uns daher bewusst machen: Was für uns normal und selbstverständlich ist, ist es fürs Pferd oft nicht. Sie kennen sicher auch schwierige Situationen, in denen Ihr Pferd nicht das tut, was es soll; es lässt sich etwa nicht verladen oder die Hufe vom Schmied bearbeiten. Überlegen Sie, welche Voraussetzungen hier erfüllt sein müssen, damit Ihr Pferd das Gewünschte überhaupt leisten kann. Das hilft im täglichen Umgang mit dem Pferd enorm, weil wir so ein besseres Verständnis für unseren Vierbeiner entwickeln. Und das Pferd wiederum wird erleichtert sein, weil es nur noch solche Aufgaben bekommt, die es lösen kann.
Das sorgt für Freude, bei Ihnen und Ihrem Pferd. Was will man mehr?
Effekte Woche 4:
• Erkennen, dass Freude nicht das Ziel ist, sondern der Weg
• Bewusst Freude-Momente im Alltag wahrnehmen
• Ideen entwickeln für ein schönes Miteinander von Pferd und Reiter
• Problem-Lösungen finden, die Reiter wie Pferd guttun
• Verständnis fürs Pferd entwickeln: Nichts ist selbstverständlich