"Gut so. Weiter so." Mehr spuckt der Pferdewirtschaftsmeister nicht aus. Der alte Reitlehrer mit dem ausgezeichneten Ruf erklärt fast nichts. Stumm sitzt er hinter der Bande, lugt teilnahmslos über das oberste Brett. Trabt ein Schüler an ihm vorbei, gibt er ihm lediglich ein lahmes "Gut so. Weiter so" mit auf seinen krummen Weg.
Halten Sie Zoff in Grenzen
In der Bahn zirkeln allerlei Emotionen. Die Selbstbewussten hören nur das "Gut so". Die Ehrfürchtigen freuen sich, wenn der Reitlehrer hinschaut. Die Wissbegierigen sind frustriert. Fast alle langweilen sich – trotzdem beschwert sich keiner. Was hält Reiter bei Ausbildern, bei denen sie nichts dazu lernen? Und was dürfen Reiter von ihren Trainern erwarten? Wie und wann äußert man Kritik am besten, damit sich der Zoff in Grenzen hält?
Wie verzwickt manche Situationen zwischen Ausbilder und Schüler sein können, weiß auch Ingola Berg. Deshalb trainiert sie Reitlehrer in der Kommunikation. Die gelernte Pferdewirtin und Ausbilderin aus Berlin ist Coach (zielorientierter Begleiter und Berater) und weiß, wie kleine psychologische Tricks die Paare ein großes Stück weiterbringen.
Ingola Bergs Methoden stammen aus der Arbeitswelt und bringen auch bei Reitern verblüffende Erfolge: "Als ich das zum ersten Mal im Unterricht ausprobierte, hörten mir meine Reiter plötzlich besser zu", sagt Ingola Berg. Sie nahmen Kritik besser an und setzten auch komplizierte Anweisungen viel leichter um. Und das ist im Reitsport eine Kunst. Denn während des Reitunterrichts wird viel gesprochen, der Anteil der Kommunikation ist mit fast 80 Prozent recht hoch. Bei Reitern bleibt jedoch nur ein Bruchteil tatsächlich hängen. Effektiver wären praktische Hilfen.
Das ist schwierig, da die Hilfen vom Boden kommen, der Reiter aber mit dem Pferd in Bewegung ist. Eine bestimmte Körperhaltung, Bewegung oder Hilfe zu zeigen, ist daher nur im Halten oder im Schritt möglich. Das machen aber die wenigsten Reitlehrer, weshalb viele Korrekturen missverstanden werden. Das führt zu Frust auf beiden Seiten – auf Dauer sogar zu echten Lernblockaden.
Fragen schulen das Gefühl im Sattel
Einer von Ingola Bergs Tipps an alle Reitlehrer lautet: Stellen Sie Fragen. Oft reicht schon "War die Volte rund?" oder "Wie kamen die Schenkelhilfen an?" Nur so ließe sich der Reiter zu einer verstärkten Selbstreflektion anleiten. Außerdem sind Fragen die einzige Chance, herauszufinden, wie sich der Reiter fühlt.
Das funktioniere deutlich besser, als jede Parade vorzubeten. Zwar sehen wirklich gute Ausbilder Schwierigkeiten im Unterricht frühzeitig kommen und bieten sofort Lösungen an. In der Bahn klingt das so: "Hand weg", "mehr Bein", "vorwärts". Aber die meisten setzen das nur gut um, solange der Reitlehrer daneben steht.
Viel effektiver ist es, wenn Reiter im Unterricht spüren lernen. Erst dann können sie Probleme, die sie mit ihrem Pferd haben, von Problemen mit dem Ausbilder und dem eigenen Körper unterscheiden. "Wie soll jemand, der mit geschlossenen Augen nicht auf einem Bein stehen kann, ausbalanciert auf einem Pferd sitzen und 600 Kilo bewegen?", fragt sich Dualaktivierungs- und Mentaltrainerin Manuela Stauber aus Auerbach in Bayern.
"Viele kämpfen mit einer Rechts-Links-Schwäche und Koordinationsschwierigkeiten – da gehen Anweisungen natürlich schief." Schuld ist schnell der Reitlehrer, der den Schüler nicht fördert. Dabei liegt das eigentliche Problem beim Reitschüler.

Stress ist der größte Feind
Zoff in der Beziehung gibt es vor allem, wenn Erwartungen und Realität aufeinander prallen. Der Trainer von heute soll Reittechnik vermitteln und gleichzeitig Osteopath und Tierarzt sein. Dazu sollte er natürlich auch stressresistent, psychologisch versiert, rhetorisch geschickt und einfühlsam sein.
Sitzexpertin Frauke Behrens aus Wesendorf in Niedersachsen findet das "ein bisschen viel verlangt". Sie freut sich deshalb über die Entwicklung der letzten zehn Jahre: "Bei meinen physiotherapeutischen Sitzschulungen stelle ich fest, dass sich Reiter Spezialgebieten zuwenden – ohne den Reitlehrer in Frage zu stellen. Sie arbeiten gezielt an ihren Schwächen, die der Reitlehrer nicht mehr abdecken kann." Das reicht von der individuellen Sitzschulung bis hin zu Seminaren, die das theoretische Wissen rund ums Pferd vertiefen.
Solche Wochenendseminare sind optimal für Reiter, die Woche für Woche nach Feierabend erst spät zu ihrem Pferd in den Stall kommen und dann vom Unterricht zu viel erwarten. Dadurch stehen die Reiter unter Druck und haben wenig Chancen auf ein lockeres, gelöstes Pferd. "Stress ist für jeden Reitlehrer der größte Gegner", findet Frauke Behrens. "Stress schränkt die Bewegung ein, verspannt die Muskeln und überfordert Reiter emotional."
Viele Reiter denken auch zu sehr an das Geld, das Reitstunden kosten. Auch das stresst die Reiter und die negative Stimmung überträgt sich aufs Pferd. Das braucht aber für gute Leistungen unbedingt ein entspanntes Umfeld. Ein Teufelskreis, der schlussendlich am Selbstbewusstsein vieler Reiter nagt. Wenn es dann vom Reitlehrer noch Sätze wie "Du bist doch zu blöd, um eine Volte zu reiten" hagelt, verlieren viele Reiter das Vertrauen in die eigene Leistung.

Richtige Ansprache motiviert
Manuela Stauber ist Expertin für besonders verkorkste Fälle einer falschen Kommunikation. Ihrer Meinung nach hilft hier nur eins: Training mit positiven Worten. Gerade beim Reiten, einem Sport, der zwei Lebewesen zusammenbringt, sei es wichtig, dass man "flexibel, sensibel und individuell trainieren kann".
Christoph Hess von der Abteilung Ausbildung bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf bestätigt diesen Trend: "Reitlehrer sind heute weit mehr als reine Techniktrainer." Auch er beobachtet, dass sich die Ansprache der Reiter stark verändert hat. "Die Militärausbilder, die im Reitverein Unterricht gaben, als hätten sie noch Rekruten vor sich, gibt es nicht mehr."
Mehr Spaß statt Frust
Dafür gibt es heute mehr Ausbilder, die gefühlsorientierten Unterricht geben. Trotzdem findet Christoph Hess: "Wer weiterkommen will, muss deutliche Kritik aushalten." Vorausgesetzt, der Inhalt stimmt und ist respektvoll formuliert. Falls nicht, dürfen Reiter das ruhig ansprechen. "Wichtig ist die Ich-Botschaft", sagt Ingola Berg.
Tipp: Egal ob Stallkollege oder Reitlehrer: Wer von sich spricht ("Ich fühle mich verletzt") statt nur von anderen ("Sie sind ignorant und unverschämt") fordert sein Gegenüber nicht heraus, sondern fördert gegenseitiges Verständnis für die eigene Situation. Das führt viel schneller zu einem effektiven Unterricht als ein persönlicher Angriff.
Verliert trotzdem einer der beiden die Lust am Reitunterricht, hilft nur noch die Trennung. Denn Reiten soll Spaß machen statt Frust schaffen.

5 Sätze die Reiter blockieren
Wer kennt sie nicht, diese Sprüche? Im Reitunterricht haben sie aber eigentlich nichts zu suchen.
1. "Bleiben Sie locker!" Entweder hängt der Reiter dann passiv im Sattel oder er versucht verbissen, locker zu werden. Besser: Verspannte Reiter öffnen den Mund leicht, atmen tief ein und aus oder summen. Oft hilft auch Leichttraben statt Aussitzen.
2. "Brust raus, Schultern zurück!" Folge: Hohlkreuz und verkrampfte Schultern. Die Pferdebewegung ruckelt ungedämpft in die Hände, das Pferd geht gegen den Zügel. Besser: mit Bildern arbeiten. Der Reiter soll sich vorstellen, er öffne sein Herz. Dabei atmet er bewusst. Auch gut: große Kreise mit den Schultern und pendelnde Arme.
3. "Kreuz anspannen!" Spannt der Reiter die Rückenmuskeln an, kippt das Becken nach vorne. Das bremst aber, statt Schub nach vorne zu geben. Auch übertrieben nach hinten lehnen hilft nicht. Besser: Bleiben Sie ruhig sitzen und spannen Sie zum Treiben kurz die Bauchmuskeln an. Die kurze Aufrichtung gibt dem Pferd einen Vorwärtsimpuls.
4. "Sitzen Sie schwer ein!" Der Reiter spannt alle Muskeln an und wird dabei ganz passiv. Besser: Tief in den Bauch einatmen, die Luft bis in die Stiefelspitzen strömen lassen. Beim Ausatmen die Luft wieder hinausdrücken – das zieht den Reiter automatisch tiefer in den Sattel.
5. "Bein lang, Hacken tief!" Streckt der Reiter das Bein und drückt dabei die Absätze nach unten, blockieren Fuß-, Knie- und Hüftgelenk, die eigentlich locker federn müssten. Besser: Bügel kürzer schnallen, damit die Fußgelenke angewinkelt sind.
Der Selbst-Test für Reiter
Gute Reitlehrer werden so dringend gesucht wie die sechs passenden Zahlen auf dem Lottoschein. Selbst der beste Ruf und die größten Erfolge sind keine Garantie für eine gute Mischung. Denn stimmt die Chemie zwischen Schüler und Lehrer nicht, gibt es früher oder später Ärger.
Die gute Nachricht: Auf dem Reitplatz ist es genau wie im richtigen Leben – jeder Topf hat seinen Deckel. Und für jeden Reiter gibt es den idealen Ausbilder. Man muss nur wissen, was man sucht. Das herauszufinden, ist aber kniffliger als es scheint.
Der Reitstall als Kontaktbörse
"Nicht jeder, der Reitunterricht nimmt, will tatsächlich auch reiten lernen", ist die Erkenntnis von Ingola Berg. Die Pferdewirtin aus Berlin hat früher 40 bis 50 Stunden pro Woche unterrichtet. Dabei stellte sie fest, dass jeder mit einem anderen Bedürfnis die Bahn betritt: "Manche suchen Anerkennung, manche Selbstverwirklichung, andere suchen einfach nur Kontakt." Voraussetzung für eine ideale Partnerschaft ist, sich selbst genau zu kennen. Das sagt auch Beziehungsexpertin Dr. Maren Stephan aus Heidelberg. Sie weiß, warum sich die meisten Paare irgendwann trennen. Dabei ist es egal, ob sie Reiter sind oder nicht. Denn oft wird "mindestens eine Erwartung enttäuscht."
Tipp: Der Schlüssel zum Erfolg ist, sich vorher klar darüber zu werden, was der Unterricht bringen soll. Fast jeder Reiter weiß, was mit seinem Pferd schief läuft. Schwieriger wird’s bei der Frage: Was brauche ich, damit es besser funktioniert? Höfliche Anweisungen oder deutliche Kritik? Einen ruhigen Reitlehrer oder eher einen lebhaften Motivator? Fundierte Theorie oder lieber einen Schubs in die richtige Position?
Damit eine gute Selbstanalyse gelingt, sollte sich jeder Reiter kritisch mit den folgenden fünf Punkten auseinander setzen:
- Wie gut kann ich mich konzentrieren?
- Habe ich ein starkes Selbstvertrauen?
- Kann ich mich selbst motivieren?
- Wie gut komme ich mit Rückschlägen klar?
- Wie verhalte ich mich bei Leistungsdruck?
"Man muss immer die Persönlichkeit und die psychischen Voraussetzungen eines Athleten berücksichtigen, wenn man seine Leistung verbessern will", sagt Sportpsychologin Dr. Gaby Bussmann, die unter anderem für das Olympiakomitee Reiten Coaching-Leitlinien entwarf.
Gemeinsame Ziele definieren
Weiß Ihr Reitlehrer eigentlich, was Sie von ihm erwarten? Nein? Dann raus damit. Denn nur wer deutlich sagt, was er will, erlebt in seinem Reitunterricht mehr Spaß statt fiesen Frust. Wer weniger systematisch an die Sache herangehen will, sieht sich vorher Reitstunden an und spricht vor der Anmeldung mit dem Reitlehrer. Denn schon vorm ersten Unterricht sollte beiden klar sein, was man eigentlich erreichen will. Sonst führt die Ausbildung zum falschen Ziel – wenn auch mit den besten Absichten.
Aus der Praxis: "Ich unterrichtete ein sehr talentiertes Kind", erinnert sich Ingola Berg an einen Fall aus Berlin. "Es ritt und ritt und ritt. Ich war total begeistert. Dann sagte das Mädchen: ‚Ich will gar nicht aufs Turnier. Das ist mir viel zu stressig.’ Ich konnte es kaum glauben, musste es aber akzeptieren."
Ingola Berg förderte das Mädchen freilich weiter, nur mit einem anderen Ziel. Es bildete später die Ponys im Verein aus und ritt sie Korrektur. "Das hat dem Mädchen sehr viel Freude bereitet." Ein anderer Weg hätte mit Sicherheit zu Frust und früher oder später sicher auch zur Trennung geführt.
Nicht alles gefallen lassen
Sie müssen sich nicht alles gefallen lassen, was Ihnen auf dem Reitplatz geboten wird. "Es ist erstaunlich, wie leidensfähig Reiter sind", sagt Manuela Stauber aus dem bayerischen Auerbach. Die Mentaltrainerin staunt immer wieder über Reiter, die sich jahrelang von einem offensichtlich schlechten Ausbilder beleidigen und demotivieren lassen. Gute Gründe, sich zu verabschieden und einen neuen Ausbilder zu suchen, gibt es in ihren Augen viele. Etwa zu großer Druck. Unterschiedliche Erwartungen an Pferd und Unterrichtsziel können für großen Frust sorgen. Bleiben die Erfolge aus, mangelt es schnell an Wertschätzung.
Häufig bezeichnet der Ausbilder die Reiter dann als "zu blöd" oder behauptet, dass "der Gaul nichts taugt". Manuela Stauber ist da rigoros: "Wenn mich ein Ausbilder mehrfach anschreit oder respektlos beleidigt, steige ich ab und verlasse die Halle." Dabei kann die Reiterin und Ausbilderin sehr wohl die Zähne zusammenbeißen. "Unterricht darf nicht lasch sein. Aber es sollte ein positiver, motivierender Zug dahinter stecken." Wer vorwärts kommen will, muss offen sein für neue Lösungsansätze. "Reiter sollten bereit sein, an ihre Grenzen zu gehen. Aber alles mit gegenseitigem Respekt und Anstand." Bleibt der Ausbilder stumm, kann das genauso unerträglich sein wie verletzendes Gebrüll. Denn viele Reitlehrer können zwar oft selbst genial reiten, aber nicht erklären, wie es geht oder wie es bei ihren Schülern besser klappen könnte.
Egal, ob stumm oder kryptisch: Versteht der Reiter nicht, was der Lehrer von ihm will, wird der Unterricht schnell langweilig. Der Grund: Die Schüler hören immer die gleichen Korrekturen oder kommen ihrem Ziel über Jahre hinweg nicht näher. Das ist auch der Fall, wenn es an Vertrauen mangelt. "Wer an den Methoden des Reitlehrers zweifelt oder gar Angst hat, Anweisungen umzusetzen, ist mit Sicherheit bei seinem Ausbilder falsch", sagt Manuela Stauber.
Umgekehrt darf auch der Reitlehrer sagen, wenn er keinen Sinn in der weiteren Zusammenarbeit sieht. Zum Beispiel, wenn Reiter und Pferd an die Grenzen ihres Talents stoßen und dem Reitlehrer nichts mehr einfällt. "Der Ausbilder sollte das Problem unbedingt ansprechen", rät Manuela Stauber. Denn auch innerhalb der Grenzen lässt sich kreativ weiterarbeiten. Etwa mit Stangen, Gassen, Bällen oder Therabändern. "Will der Trainingspartner das nicht annehmen: Trennen Sie sich lieber. Und zwar, bevor Stress aufkommt."