Tatsächlich können die meisten Reiter beim Leichttraben noch wichtige Details verbessern: Egal ob es um die Balance, das Rhythmusgefühl oder einen flüssigeren Bewegungsablauf geht. CAVALLO-Leserinnen konnten sich dazu per Videoanalyse Tipps von drei Expertinnen holen – wo erkennen Sie sich wieder?
Reiterin 1 – sanfter Einsitzen
Knackpunkt bei unserer ersten Kandidatin: der Oberkörper.
Das Rezept für sanfteres Einsitzen: Oberkörper vor!
Knackpunkt bei unserer ersten Kandidatin: der Oberkörper. Isabelle von Neumann-Cosel hat zudem Rhythmus-Tipps.
Zu gerade: "Beim Einsitzen bleibt die Reiterin kerzengerade – dadurch kommt sie relativ oft mit der Schulter und der Hüfte hinter die Bewegung. Es wird so schwieriger, wieder aus dem Sattel zu kommen und sanft einzusitzen. Das Pferd will seinen Rücken schützen und macht sich fest. Deshalb fehlt es ihm auch an Schwung und Tempo. Hier hilft rhythmisches Aufstehen von einem Stuhl, sodass die Oberschenkel richtig brennen. Oder in die Hocke gehen und wieder aufstehen, den Po dabei nach hinten schieben." Christine Hlauscheck
Brustkorb vor: "Die Reiterin bringt beim Aufstehen das Becken nach vorne, aber der Brustkorb bleibt dahinter zurück, sie kommt hinter die Bewegung. Das kann man sich fürs Pferd vorstellen wie einen zu tief hängenden Rucksack bei uns – wir wollen ihn mit jedem Schritt nach oben schubsen. Weil die Reiterin so außerdem zu weit hinten im Sattel einsitzt, belastet das die Lendenwirbelsäule des Pferds am Übergang zum Kreuzbein – genau diese Stelle soll es aber nach oben bringen, um tragfähig zu sein. Eine bessere Stabilität in der Rumpfmuskulatur könnte der Reiterin helfen. Dafür am Boden den Unterarmstütz (Planke) üben." Frauke Behrens
Flüssiger werden: "Die Reiterin steht zu hoch auf und sitzt zu lange ein, das macht das Pferd langsamer. Dagegen hilft es, die Vorstellung von der Bewegung beim Leichttraben zu korrigieren und nicht an Sitzen und Stehen, sondern an niedrigeres und höheres Knien zu denken. Ziel ist ein flüssiger Ablauf, ohne im Auf oder Ab anzuhalten. Die Knie klemmen leicht. Dadurch klopft der Unterschenkel etwas. Leichttraben ohne Bügel kann helfen." Isabelle von Neumann-Cosel
Reiterin 2 – stabile Beine für bessere Balance
Allen Expertinnen fallen hier die Beine ins Auge.
Bein zurück: "Das Pferd trabt taktmäßig, die Reiterin wirkt fein ein. Die leichte Vorlage des Oberkörpers finde ich beim Leichttraben richtig. Beim Einsitzen rutschen allerdings die Unterschenkel nach vorne. Sie sollten so liegen, dass Sprunggelenk, Hüfte und Schultern auf einer Linie sind. Eine gute Übung: Bewusst von einem Stuhl aufstehen. Dabei nehmen wir nicht nur den Oberkörper vor, sondern ziehen auch automatisch die Beine unter den Körper – so kann man in jedem Moment des Aufstehens innehalten. Das passt zur zweiten Übung: zwei Takte stehenbleiben, einen sitzen. Das gelingt nur bei korrekter Lage der Beine." Christine Hlauscheck
Sattel prüfen: "Sehr gut gefällt mir hier, dass die Reiterin dem Pferd mit weicher, nachgebender Hand genug Raum lässt. Was mir aber auffällt: Der Sattel scheint zu klein zu sein für ihre langen Beine. Daher rutscht bei Hinsetzen das Knie über die Pausche. So entsteht eine Außenrotation in der Hüfte, was den Unterschenkel weniger stabil macht. Helfen könnte, die Pauschen entfernen zu lassen. Danach würde ich die Bügel um ein bis zwei Löcher kürzen. Der rechte Fuß ist noch etwas stärker nach außen gedreht, auch die Hüfte. Dadurch bringt die Reiterin links mehr Gewicht in den Sattel, kommt aber rechts stärker mit dem Unterschenkel ans Pferd. Helfen könnte das Reiten mit Tennisbällen unter den Gesäßknochen im Schritt. Sie haben eine Tiefenwirkung und bringen die Muskulatur dazu, loszulassen." Frauke Behrens
Becken aufrichten: "Das Becken der Reiterin ist nach hinten herausgestellt, der Oberkörper kommt dadurch zu weit nach vorne; sie sitzt im Hohlkreuz. Die Vorneigung veranlasst das Pferd zum Eilen. Um besser einwirken zu können, die Beckenstellung bewusst wahrnehmen und das Becken aufrichten. Außerdem bewusst im Bein nach unten federn, so liegt es ruhiger." Isabelle von Neumann-Cosel
Reiterin 3 – kürzere Bügel für besseres Einsitzen
Tipps: Mehr Vorwärtstendenz im Sitz, weniger schief.
Bügel kürzen: "Die Reiterin landet sehr weit hinten im Sattel beim Einsitzen. Da helfen gedachte Entenfüßchen unter den Gesäßknochen, mit denen man nach vorne watschelt. Die Bügel würde ich etwas kürzen, ich habe das Gefühl, dass sie mit den Zehen danach angelt. Wenn die Beine baumeln, sollte die Trittfläche auf Höhe des eigenen Sprunggelenks sein. Es kann helfen, im Schritt die Füße aus den Bügeln zu nehmen und vorne über die Pauschen zu legen, um die eigene Sitzposition zu spüren. Bitte nur geführt und wenn das Pferd brav ist!" Christine Hlauscheck
Schiefe verbessern: "Ich konzentriere mich hier mal auf die horizontale Balance: Von hinten gesehen schwingt die Reiterin beim Aufstehen leicht nach links und spreizt den linken Unterschenkel ab. Das Pferd dreht zugleich im rechten Hinterbein in der Hüfte nach innen – die zwei beeinflussen sich gegenseitig, schief zu werden. Dadurch, dass ihre rechte Hüfte nach vorne verschoben ist, schafft die Reiterin es nicht, den Oberkörper nach links zu drehen. Dann würde sie kippen. Um beide Beckenhälften besser wahrzunehmen, würde ich im Schritt einen Tennisball unter jeden Gesäßknochen legen." Frauke Behrens
Vorwärts: "Die Reiterin hat einen flüssigen Bewegungsablauf, kommt aber gelegentlich in Rückwärtstendenz in Sitz und Händen. Das ist ein Störfaktor für eine feine Kommunikation. Daher Bügel verkürzen, Gewicht bewusst auf dem Mittelfuß platzieren. Die Anlehnung von hinten nach vorn (Hüfte zur Hand) denken. Das gedachte Ziel ist: die Zügel ,schieben‘ statt an ihnen zu ziehen. Was noch hilft: leichttraben ohne Bügel mit ,hängenden‘ Beinen, die Bewegung nur aus Hüfte und Oberkörper heraus machen." Isabelle von Neumann-Cosel
Reiterin 4 – mehr Losgelassenheit
Tipps: Mehr Lösen fürs Pferd, weniger seitliche Schiefe und mehr Vorwärtstendenz im Oberkörper.
Oberlinie lockern: "Dieses energische Pony sollte gerade beim Leichtraben noch etwas freier gehen dürfen – es könnte deutlich mehr bergauf traben. Leichttraben soll die Oberlinie lockern. Daher rate ich der Reiterin, mehr ,ihren Händen hinterherzureiten‘, den Hals nach vorne länger werden zu lassen, ohne dabei die Anlehnung zu verlieren. Ein Tipp für noch mehr Losgelassenheit: etwas energischer aufstehen, aber etwas langsamer einsitzen. Beim Aufstehen den Bauchnabel mehr nach oben zu den Ohrenspitzen des Ponys bringen, beim Einsitzen kurz innehalten, bevor sie den Sattel berührt." Christine Hlauscheck
Bauchmuskeln gegen Schiefe: "Die Reiterin könnte sich mehr über die Unterstützungsfläche der Füße ausbalancieren, nicht nur über die Knie – dann würden die Unterschenkel beim Aufstehen weniger weggestreckt. Außerdem fällt mir auf, dass sie beim Aufstehen links leicht in der Hüfte einknickt und nach rechts schwingt – wie ein kleiner Extraschlenker im Oberkörper. Grund könnte eventuell eine leichte Skoliose, also eine S-förmige Verkrümmung der Wirbelsäule sein. Solche Reiter sollten weniger die Rückenmuskeln anspannen (das bringt sie in ihre Schiefe) und mehr die untere Bauchmuskulatur nutzen. Diese lässt sich zum Beispiel mit schrägen Sit Ups gut trainieren. Wenn ich nach links reiten möchte, links die schräge Bauchmuskulatur anspannen." Frauke Behrens
Oberkörper vor: "Die Reiterin hat einen sehr langen Oberkörper, dem die Vorwärtstendenz fehlt. Dagegen den leichten Sitz erarbeiten, dabei das Becken zurückschieben und den Oberkörper entsprechend nach vorne folgen lassen. Hier den Zusammenhang von Oberkörper und Becken ausprobieren: Oberkörper abwechselnd höher oder tiefer nehmen wollen und im Becken entsprechend ausgleichen. Dann Übergänge zwischen leichtem Sitz und Leichtraben mit stabil bleibenden Unterschenkeln reiten. Später kann man zwischen leichtem Sitz, Aussitzen und Leichttraben wechseln." Isabelle von Neumann-Cosel
Reiterin 5 – Schwebesitz
Die Reiterin hat eine Tendenz zum Stuhlsitz.
Abfahrtshocke: "Die Reiterin hat eine Tendenz zum Stuhlsitz und sollte beim Hinsetzen weiter vorne im Sattel landen. Dafür kleine Entenfüßchen unter den Gesäßknochen vorstellen und im Sattel nach vorne ,watscheln‘, bis die Sattelmitte erreicht ist. Aus dieser Position fällt auch höheres Aufstehen leichter. Die Schultern dürfen sich leicht runden. Meine Übungsempfehlungen: Abfahrtshocke am Boden üben, dabei Schwerpunkt über die Füße bringen. Beim Reiten: zweimal stehenbleiben, einmal sitzen." Christine Hlauscheck
Körperhälften ausgleichen: "In Bezug auf die Körperhälften fällt mir hier auf, dass das linke Bein der Reiterin deutlich aktiver ist als das rechte. Außerdem trägt sie die rechte Schulter und Hand ständig etwas höher. Um beide Hirn- und dadurch auch beide Körperhälften besser auszugleichen, hilft eine anfangs kniffelige Übung: Den linken Zügel in die rechte Hand nehmen, den rechten in die linke und so Schlangenlinien durch die Bahn reiten. Außerdem scheint mir die Muskulatur auf der Hinterseite des Beins verkürzt, es ist etwas hochgezogen, die Fußsohle nicht waagerecht zum Pferd. Die Muskulatur von Gesäß und Beinrückseite würde ich regelmäßig dehnen." Frauke Behrens
Im Absatz federn: "Die Reiterin hat eine sicheren Grundsitz und ein gutes Rhythmusgefühl. Dabei klemmt sie aber leicht im Knie und zieht das Bein hoch. Mein Tipp: Schwebesitz im Trab erarbeiten, bis die Absätze nach unten federn – dabei NICHT leichttraben, auch nicht angedeutet; so lange üben, bis Hüft-, Knie und Fußgelenke die Bewegung gleichmäßig kompensieren. Dazu MUSS der Absatz nach unten federn! Daraus ins Leichttraben wechseln und das Federn in die tiefen Absätze beibehalten. Außerdem würde ich die Bügellänge prüfen und ggf. ein Loch kürzen." Isabelle von Neumann-Cosel
Reiterin 6 – raus aus dem Hohlkreuz
Bein vor, Ferse runter, Hüfte ausbalancieren.
Gerader sitzen: "Die Reiterin trabt fein leicht, es gibt nur wenige Momente, in denen sie mit dem Oberkörper zu weit nach vorne kommt. Das sieht man dann daran, dass das Bein nach hinten wegfliegt. Gerade auf gebogenen Linien kommt die äußere Hüfte zu stark vor, evtl., weil die innere Hand aktiv ist. Tipp: Viel ganze Bahn reiten, sich darauf konzentrieren, dass beide Gesäßknochen gleichzeitig mit gleicher Intensität im Sattel landen. Ein Blick in den Spiegel hilft auch, Schiefe zu erkennen; wer buntes Klebeband auf den Jackenreißverschluss klebt, tut sich leichter." Christine Hlauscheck
Ins Lot: "Die Unterschenkel sind viel zu weit hinten, wodurch die Reiterin mit dem Oberkörper das Gewicht nach vorne ausgleicht. Dadurch bekommt sie das Gefühl, zu weit vorne zu sitzen. Brustkorb, Becken und Beine sind nicht im Lot, weil die Reiterin in der Lendenwirbelsäule sehr hohl wird, ins Hohlkreuz kommt. Das Gegenmittel: sich vorstellen, dass die Brustbeinspitze nach unten in die Eingeweide pikst. Das entspannt die Muskulatur der Lendenwirbelsäule. Das Kinn dabei oben lassen." Frauke Behrens
Langes Bein: "Die Reiterin hat einen sicheren Grundsitz, treibt aber beim Einsitzen noch zu viel mit der Ferse. Bügel evtl. ein Loch länger machen und im Absatz nach unten durchfedern. Nicht an ,Knieschluss‘ denken, sondern das Knie in der Bewegung auf und ab gleiten lassen. Für mehr Bewegungssymmetrie im Becken: an der langen Seite endloser Fußwechsel (zweimal sitzen, einmal Aufstehen, beim Aufstehen abwechselnd einmal den linken, einmal den rechten Hüftknochen nach vorne schieben). Gelegentlich ist das Aufstehen zu lang, hier hilft: schnell hinsetzen, langsam aufstehen." Isabelle von Neumann-Cosel
Die Expertinnen:
Frauke Behrens ist Physiotherapeutin und spezialisiert auf Sitzschulungen für Reiter, unter anderem mit ihrem Reitsimulator. www.kentauros- system.jimdosite.com
Christine Hlauscheck ist Pferdewirtschaftsmeisterin, Reitlehrerin und Erfinderin des kreativen Trainingskonzepts "Kreismeister". www.christine-hlauscheck.de
Isabelle von Neumann-Cosel, Turnierrichterin, Fachbuchautorin und Reitlehrerin, die gern motiviert: Ihre Analysen klängen in der Verkürzung ein klein wenig barscher als sonst.