Damensattel-Reiten ist kein Relikt vergangener Tage. Auch wenn das Bild von mutigen Amazonen, die im Jagdrock über Hindernisse springen und im Feld galoppieren, heute selten ist, gibt es diverse Enthusiasten, die das Reiten im Damensattel für sich entdecken. So manche Reiterin klettert dabei nicht nur für eine Showeinlage, sondern täglich in den Sattel mit dem Hörnchen.Allen voran reiten Berit Hoffmann, die im Seitsitz springt, und Bettina Keil, die vor mehr als 20 Jahren in den Damensattel wechselte und heute Dressurprüfungen bis Klasse M meistert. Hoffmann und Keil sind die erfolgreichsten Damensattel-Reiterinnen Deutschlands: Sie starten bei internationalen Turnieren und machten in Großbritannien, dem Mutterland des „Side Saddle Riding“, ihre Trainer-Lizenz.
Die Pferde sollen so flach wie möglich springen
„Auch beim Damensattel-Reiten ist das oberste Gebot die Freude des Pferds an der Arbeit“, sagt Berit Hoffmann, die in Pinneberg bei Hamburg lebt. Wer sie reiten sieht, bekommt Respekt vor Pferd und Mensch: Hoffmanns 17-jähriger Holsteiner Cayenne P, genannt Charly, galoppiert flüssig durch den Parcours. Zielgenau kann die Reiterin das ehemalige Vielseitigkeitspferd – Charly gewann in dieser Disziplin 2003 die Militärweltmeisterschaft bei den jungen Reitern, einem Wettkampf für reitende Berufssoldaten – an die Sprünge steuern. „Charly geht auch Dressurlektionen, aber viel lieber springt er“, sagt Hoffmann. Deshalb startet die 35-Jährige mit ihm auf internationalen Damensattel-Turnieren auch in Springprüfungen. In dieser Turnierklasse müssen die Pferde Hindernisse bis zu einer Höhe von 80 Zentimetern überwinden. „Sie sollen dabei möglichst flach springen, damit der seitlich sitzende Reiter der Bewegung über dem Sprung leichter folgen kann“, erklärt Berit Hoffmann.Um sich auf die jährliche „National Show“, das größte Damensattel-Event der britischen „Side Saddle Association“ in Addington, vorzubereiten, verbrachte Hoffmann 2009 einige Tage bei Roger Philpot in Pittern Hill. Der Brite, der bei Birmingham seine Reitschule betreibt, gilt als einer der besten Lehrer für das Damensattel-Reiten. Am Ende sicherte sich Berit Hoffmann – auch dank ihrer Flugstunden, den „Flying Lessons“, bei Roger Philpot – den Titel des besten ausländischen Reiters, im Inselstaat England treffend „Oversea Champion“ (Übersee-Champion) genannt. Dass eine Deutsche zu solchen Erfolgen im Seitsitz reitet, ist ungewöhnlich. Denn während es im englischsprachigen Ausland auf fast allen Turnieren Damensattel-Prüfungen gibt – in Großbritannien galoppieren die Damen inzwischen sogar bei Jagden wieder seitwärts –, gilt Deutschland in Bezug auf die damenhafte Reitkultur eher als Entwicklungsland.Um das zu ändern, wurde 1997 der Verein „Reiten im Damensattel e.V.“ – kurz RID – im schwäbischen Tübingen gegründet. Zu den Gründerinnen gehörte die exzellente Ausbilderin Dorothee Baumann-Pellny, die damals mit Nachnamen Faltejsek hieß.Baumann-Pellny, einst Schülerin des Reitmeisters Egon von Neindorff, setzte sich mit ihren Mitstreiterinnen das Ziel, das Damensattel-Reiten wieder zum Leben zu erwecken und neue Standards zu setzen. „Wir haben über hundert Mitglieder. Sogar Jugendliche reiten im Damensattel“, sagt sie.Shows, Lehrgänge, Richter-Seminare und Turniere haben die Vereinsmitglieder schon organisiert. Zudem bietet der Verein einen Kurs in Sattelkunde an. „Zur Sicherheit des Reiters und zum Wohl des Pferds ist es unabdingbar, einen passenden Sattel zu haben“, erklärt Bettina Keil, 1. Vorsitzende des RID. In diesen Kursen lernen Reiterinnen die richtige Lage und Beschaffenheit des Damensattels. Merkmale eines modernen Sattels, wie er heute verwendet wird, sind die tischgerade Sitzfläche, ein großes Sattelblatt auf der linken Seite und ein kleines auf der rechten. Typisch sind das fest stehende Horn, das Einschraubhorn darunter sowie der seitlich laufende Balancegurt.




















Reiten im Damensattel: Skala der Ausbildung
„Viele der heute verfügbaren Sättel sind bis zu 70 Jahre alt und müssen aufwendig umgepolstert werden. Oft liegt der Einstiegspreis bei 2000 oder 3000 Euro“, sagt Bettina Keil. Eine Maßanfertigung kann bis zu 5000 Euro kosten. „Der Sicherheitsbügel, der sich im Fall eines Sturzes öffnet, wird erst kurz vor dem Aufsitzen befestigt“, erklärt Keil. „In der Regel fallen Reiterinnen nach der vom Horn abgewandten Seite vom Pferd. Da ist es wichtig, dass der Bügel ihr Bein freigibt und sie nicht quer überm Pferd festhält.“Der Anspruch des RID liegt fernab jeglichen Kostümreitens. Für Bettina Keil, die schon als Kind vom Reiten im Damensattel fasziniert war, stehen klassische Reitkunst, Stil und Tradition im Vordergrund. „Wir setzen im Damensattel die Skala der Ausbildung und damit die klassische Reitlehre um“, sagt die 43-Jährige. Wer bei ihr reitet, versteht schnell, wie eng Prinzipien der klassischen Reitlehre und das Reiten im Damensattel verwoben sind. So fordert Keil aktives Von-hinten-nach-vorne-Reiten. Die Pferde sollen durch den Körper schwingen und im Vorwärts-Abwärts die stete Anlehnung an die Reiterhand suchen. Keil möchte reelles Reiten fördern. Im Sattel ihres Westfalen Falcone startet sie bei internationalen Turnieren bis zur Klasse M; ab und zu sitzt sie selber als Richterin am Viereck und will zudem erreichen, dass der RID eine FN-Reitabzeichenprüfung für das Reiten im Damensattel anbieten darf.„Reiten im Damensattel ist gefühlvolles Reiten. Auch unsere Kursteilnehmer lernen viel über feine Hilfen und die Sensibilität der Pferde“, sagt Bettina Keil. „Einige stellen sogar fest, dass diese Art zu reiten eine Alternative zum Herrensattel sein kann.“ Für Keil ist das Reiten im Damensattel ein Prüfstein für die Balance, die Koordination und die Losgelassenheit des Reiters. Außerdem sieht man, wie gut ein Pferd ausgebildet ist. „Unter dem Damensattel zeigt sich schnell, ob das Pferd im Sinne der klassischen Reitlehre reell gearbeitet wurde“, sagt Bettina Keil. „Schwächen werden sofort deutlich. Diese Erkenntnisse kann man für das konventionelle Reiten nutzen.“







Nur durch den Seitsitz unterscheiden sich schließlich Damensattel- und herkömmliches Reiten. Hilfen, Lektionen und Ausbildungsprinzipien sind dieselben. „Wir wollen Pferde unter dem Sattel, die ihre Aufgaben mit Takt, Losgelassenheit, Anlehnung und Schwung meistern“, erklärt Bettina Keil. „Im Grunde eignen sich alle Rassen als Damenreitpferd.“Ehe man ihnen jedoch einen Damensattel auflegt, müssen die Pferde konventionell gelernt haben, im Gleichgewicht zu gehen und ihre Balance zu halten. Sie müssen sicher auf Hilfen zum Halten, Antraben und Angaloppieren reagieren. Das Anreiten junger Pferde im Damensattel ist nicht üblich – zu groß ist die Gefahr, dass die unerfahrenen, übermütigen Tiere scheuen, bocken, steigen oder durchgehen und damit den einseitig sitzenden Reiter gefährden. Manche bereits ausgebildeten Pferde profitieren dagegen von der Arbeit im Seitsitz. „Oft gehen Pferde lieber unter dem Damensattel, weil der Schenkeldruck des Reiters auf den Rippenkäfig des Pferds entfällt“, sagt Desmond O‘Brien, A-Instructor für das Damensattel-Reiten und ehemaliger Sattelmeister der Spanischen Hofreitschule. Der Reitstock – im Damensattel-Vokabular auch Sitzstock genannt – ersetzt den Schenkel und dient als Impulsgeber.















Reiten im Damensattel: Der korrekte Seitsitz
Bei weit ausgebildeten Pferden treibt der Sitzstock am Gurt vorwärts, hinter dem Gurt wirkt er seitwärts. „Dabei muss der Reiter mit Oberkörper und Hüfte trotz des Seitsitzes gerade und aufrecht im Sattel sitzen“, erklärt Bettina Keil. „Der Schwerpunkt des Reiters liegt dabei auf dem rechten Oberschenkel. Die Handhaltung ist etwas breiter als im Herrensitz, weil zwischen den Fäusten das rechte Knie aufragt.“Für den britischen Ausbilder Roger Philpot reduziert sich der korrekte Sitz auf den simplen Leitspruch „Think elegant“: Stellen Sie sich einfach vor, Sie reiten als elegante Adelige im Damensattel Ihre Ländereien ab. „Da stellt sich schnell ein neues Reitgefühl ein, das von Leichtigkeit geprägt ist“, sagt Bettina Keil.Wer einen Versuch im Seiten-Reiten wagt, muss sich nicht gleich in ein elegantes Reitkostüm, Habit genannt, werfen. Für den ersten Ritt – oder das Training – reichen Reithose, Handschuhe, Helm und ein paar weiche Reitstiefel aus. „Ein passendes, einige hundert Euro teures Habit lässt man sich erst anfertigen, wenn man beim Damensattel-Reiten bleibt“, sagt Bettina Keil. „Dann ist es nämlich bei allen offiziellen Auftritten Pflicht.“





















„Die Pferde gehen mit Damensattel freier“
Fünf Fragen an den Österreicher Desmond O‘Brien, A-Instructor fürs Reiten im Damensattel.CAVALLO: Was fasziniert Sie am Reiten im Damensattel?O‘Brien: Mich freut, dass viele Pferde unter dem Damensattel feiner reitbar sind und besser reagieren.Was unterscheidet das Reiten im Seitsitz von anderen Reitweisen?Reiten im Damensattel ist keine eigene Reitweise. Auch Western- oder Gangpferde lassen sich sehr gut unter dem Damensattel reiten. Der fehlende Schenkel wird dabei durch den Reitstock ersetzt. Durch den seitlichen Sitz entfällt der Druck der Oberschenkel auf den Rippenkäfig der Pferde. Sie gehen freier.Die meisten Reiter übernehmen diese neue Erfahrung des leichteren Reitens. Damensättel sind rar. Worauf kommt es beim Kauf an?Der Sattel muss Pferd und Reiterin passen, da sonst das Pferd keine Freude hat – und die Reiterin Schwierigkeiten beim Sitzen. Der Sattel darf weder zu eng noch zu weit für das Pferd sein. Je waagerechter die Sitzfläche, umso besser. Für die Größe des Damensattels ist die Länge des Oberschenkels und die Breite der Hüfte entscheidend.Trauen sich auch Männer in den Damensattel?Es gibt kaum Berührungsängste. Selbst Reitlehrer interessieren sich dafür. In Deutschland gibt es um die 13 geprüfte Ausbilder. In Österreich sind es 15 sogenannte Damensattel-Lehrwarte.In Österreich ist das Damensattel-Reiten in Prüfungsordnungen für Turniere verankert – warum?Beim Reiten im Damensattel hat Österreich eine lange Tradition, die es auch weiterhin zu pflegen gilt. Unsere Richter werden dafür speziell geschult. Das Reiten im Damensattel ist kein Kostümreiten. Es ist reelles Reiten.





















Ausprobiert: „Reiten im Seit-Sitz“
Reiten im Seitsitz sieht leicht aus. CAVALLO-Redakteurin Diana Maier hat es probiert – und kämpfte mit den Hilfen. Wohin bloß mit dem Bein? Und was ist das für ein seltsames Gefühl, nicht im, sondern auf dem Sattel zu sitzen? Kursleiterin Bettina Keil hilft mir, meinen rechten Schenkel um das Horn zu legen und den linken Stiefel im Bügel zu platzieren. Da läuft Wallach Grannus auch schon los. Mir fehlt mein rechtes Bein am Pferd. Mit beiden Knien am Sattel und beiden Schenkeln am Pferdebauch fühle ich mich deutlich besser.






Um die Balance im ungewohnten Seitsitz zu halten, nehme ich die rechte Schulter leicht zurück, ohne dabei in der Hüfte einzuknicken. Insgesamt fühle ich mich hilflos. Grannus nimmt es gelassen. Der Wallach wird zum ersten Mal im Seitsitz geritten und reagiert sofort auf meine Hilfen. Im Schritt bittet mich Bettina Keil auf den Zirkel. Obwohl ich das Gefühl habe, meine Beine kaum bewegen zu können, läuft Grannus artig entlang der Zirkellinie. Mich verblüfft, dass die Beine scheinbar keine Rolle spielen. Wenn ich meinen Oberkörper nach links oder rechts drehe und sich dadurch mein Schwerpunkt verändert, folgt Grannus einfach meinen Gewichtshilfen. Das macht mich stolz. Immerhin habe ich im Schritt bereits einige Bahnfiguren geschafft. „Die rechte Stiefelspitze nach unten drücken. Nur so können Sie sich ausbalancieren.“ Bettina Keil korrigiert meine Beinhaltung. „Und immer schön mit der Hand federn und der Nickbewegung des Pferdehalses folgen.“ Ich bin so auf meinen Sitz konzentriert, dass ich die Hände fast vergessen habe. Jetzt soll ich antraben. Würde ich normal im Sattel sitzen, wüsste ich, wie das geht. Mit nur einem Bein und einem Reitstock als Schenkelersatz ist die Koordination der Hilfen deutlich schwerer. Ich richte mich auf und schiebe mein Becken nach vorne. Grannus tippelt, er trabt nicht. „Das probieren wir gleich noch mal“, sagt Bettina Keil, die mich traben sehen will.

Beim zweiten Versuch rettet mich der Reitstock. Eine Berührung reicht, und Grannus trabt an. Doch schon nach wenigen Metern ist Schluss. Mir wird flau. Ich fühle mich wie ein hilfloser Beifahrer. Dabei bereitet mir der Wallach keinen Grund zur Sorge. Aber mit dieser ungewohnten Art, auf dem Pferd zu sitzen, komme ich nicht klar. Die Sattelfläche ist flach wie ein Brett. Im Trab kann ich höchstens auf der Stelle schaukeln, aber nicht richtig mitschwingen. Ich finde, dass Reiten im Damensattel viel einfacher aussieht, als es in Wirklichkeit ist. Wie kann es sein, dass die Schauspielerin Romy Schneider als Kaiserin Sissi im Jagdgalopp durch Wälder ritt, wenn ich mich bereits im Trab verloren fühle? „Nicht denken, reiten“, fordert Bettina Keil. Also auf ein Neues. „Leicht machen im Sattel, den Oberkörper etwas nach vorne beugen, damit Sie Ihr Pferd nicht ausbremsen“, verlangt Bettina Keil. Und siehe da: Grannus trabt. Eine ganze Runde auf dem Zirkel. Ob ich galoppieren will? Nein. Ich will absteigen und den Kursteilnehmerinnen zuschauen. Die können das viel besser.









