Pferdeenergie lenken: Tipps für Gelassenheit und Motivation

Wie checken wir das Energielevel von Pferden und kommen auf eine Wellenlänge? Welche Rolle spielt unsere Intuition? Und wie gehen wir auf sensible oder phlegmatische Pferdetypen ein – vom Boden und im Sattel?

Seit ihrer Kindheit liebt Ines Kremeike Pferde. Aber vor zwei Jahren war sie kurz davor, das Reiten aufzugeben. Die Energie ihres PRE-Wallachs Don brachte sie an Grenzen. "Ich wollte alles richtig machen, aber das steigerte den Druck nur", weiß sie heute. Der Schimmel wurde immer überdrehter, biss sich selbst bei Stress, stand keine Sekunde still.

Doch dann gab es einen Wendepunkt: Die Pferdebesitzerin sah Nicole Künzel bei einem Kurs. Die Ausbilderin für klassische Dressur und Bodenarbeit ritt ihren Hengst: Das Paar piaffierte voller Anmut und Kraft. Ein paar Sekunden später stand der Hengst gelassen am langen Zügel da. Völlig unaufgeregt. "Ich konnte kaum glauben, dass so ein Energiewechsel möglich ist. Das motivierte mich", erzählt Ines Kremeike. Sie bildete sich bei Nicole Künzel fort – und lernte, die Energie ihres Pferds in die richtigen Bahnen zu lenken.

Wie lernen überreaktive Pferde Gelassenheit?

Wie lässt sich Energie positiv nutzen? Und was motiviert eher antriebslose Typen? Dazu finden Sie hier Inspirationen und Übungen. Üben Sie das Spiel mit Energie! Auch Ihre Ausstrahlung wird sich dadurch verändern. Denn: Sie sind mit Ihrem Pferd verbunden – Ihre Energien beeinflussen sich.

Das Energie-Level von Pferden spiegelt sich in Körper und Psyche

Pferde zeigen unterschiedliche Energie-Zustände: Es gibt Energiesparer, die kaum etwas aus der Ruhe bringt. Reiter müssen selbst mehr Energie aufwenden, um solche Typen zu motivieren. "Hoch energetische Pferde sind hingegen oft blitzschnell in ihren Reaktionen, äußerst sensitiv und neigen eher zu Nervosität", erklärt Ausbilderin Nicole Künzel.

Muskeltonus und fasziale Spannung verraten etwas über den Energie-Typ. Vollblüter weisen oft eine höhere Faszienspannung auf als etwa Kaltblüter. Ihr Körper muss Energie schnell zur Verfügung stellen – beispielsweise für Sprints. Spannen sich die Faszien und lassen los, übertragen sie mit ihrer seilartigen Struktur Muskelkräfte auf den Pferdekörper. So sind große Leistungen mit vergleichsweise wenig Energie-Aufwand möglich.

Der Energiezustand ist zum Teil auch rassebedingt und liegt in den Genen. "Portugiesische Pferde haben oft eine hohe Grundenergie. Sie wurden für Stierkampf und Rinderarbeit gezüchtet. Dafür müssen sie wach, aufmerksam und reaktionsschnell sein", erklärt Nicole Künzel.

Es gibt bei Pferden ruhige und quirlige Typen. Jeder Energiezustand hat seine eigene Qualität: Lebhafte Typen können andere leicht motivieren.

Wer mit seinem Pferd kommuniziert, sollte sich seiner eigenen Energie bewusst sein. Checken Sie: Haben Sie eine positive innere Einstellung? Wie ist Ihre Körperspannung? Eine gute Grundspannung äußert sich als aufrechte Haltung mit getragenem Kopf. Der Körper strahlt Präsenz aus, die Atmung fließt. "Wer das als Ausgangspunkt mitbringt, kann mit erhöhter Aufmerksamkeit des Pferds rechnen.”

Wollen Sie herausfinden, wie Sie selbst wirken und ob Ihre Antennen für Energie auf Empfang sind? Probieren Sie das mit verschiedenen Personen aus! Eine sitzt in der Mitte auf einem Stuhl und schließt die Augen. Die anderen nähern sich nacheinander an – und entfernen sich. Wie fühlt sich das für die Person auf dem Stuhl an? Nimmt sie die Annäherung wahr? Fühlt sich jeder Mensch ähnlich an – oder gibt es Unterschiede? Energie ist zwar unsichtbar, aber fühlbar. "Das Experiment führt vor Augen, dass der Mensch nicht dort endet, wo seine Haut ihn begrenzt”, so Künzel.

Ihr Pferd braucht einen Energieschub? So geht’s bald volle Kraft voraus

Übung 1: Spanischer Schritt macht stolz und mutig

Hoch das Bein! Im Spanischen Schritt hebt das Pferd abwechselnd ein Vorderbein nach vorne-oben. "Dieser Bewegungsablauf macht Pferde stolz und selbstbewusst", sagt Nicole Künzel. In der Herde heben Pferde die Beine als Imponiergeste. Diesen psychologischen Effekt nutzt die Ausbilderin etwa im Gelassenheitstraining. Sie führt Pferde im Spanischen Schritt auf unbekannte Gegenstände zu. "Der erhabene Bewegungsablauf spiegelt sich in der Psyche. Pferde begegnen Herausforderungen selbstbewusster."

Voraussetzung: Pferde sollten sich respektvoll dem Menschen gegenüber verhalten und dessen Raum akzeptieren. "Sonst besteht das Risiko, dass sie ihr erhobenes Bein gegen den Reiter einsetzen”, weiß die Ausbilderin. Ist der Spanische Schritt noch nicht mit dem Erziehungsstand kompatibel, üben Sie lieber erdende Lektionen wie das Kompliment. Übrigens: Wie Sie diese Zirkuslektion Ihrem Pferd Schritt für Schritt beibringen, beschreibt Nicole Künzel im Buch: "Alles Zirkus!? Motivation und Freude für Pferd & Mensch durch Zirkuslektionen” (evipo-verlag.de).

Alle Übungen finden Sie im vollständigen Artikel. Jetzt weiterlesen:

Übung 2: Gelände-Kick für ausdrucksvolle Piaffen

Sie wünschen sich ein Pferd mit mehr Ausdruck – etwa in der Piaffe? Üben Sie Dressur öfter im Gelände. Nicole Künzel piaffiert mit ihrem Hengst Suavito am liebsten draußen. "Da hat Suavito ohnehin eine fröhliche Grundenergie, die ich für die Piaffe nutze", erzählt die Ausbilderin. Natürlich hat sie das Piaffieren am Anfang in der Reitbahn geübt. Sitzt der Ablauf, bringt Abwechslung neuen Pfiff. Manche Lektionen wie die Piaffe sind von Natur aus energiegeladen. Das Pferd braucht dafür eine höhere Grundenergie und mehr Kraft als etwa für eine Dehnungshaltung. Die versammelten Tritte kommen ursprünglich aus einem gewissen Erregungszustand des Pferds. "Etwa wenn ein Hengst einer Stute imponieren will und um sie tänzelt", sagt Nicole Künzel. Pferde sollen bei der hohen Lektion nicht in Stress geraten, aber zugleich ausdrucksvolle Bewegungen zeigen. Das erfordert auch vom Reiter, dass er das Spiel mit Energie beherrscht. Checken Sie: Können Sie piaffieren und danach die Zügel sofort hingeben? Entspannt sich das Pferd direkt? Das sollte Ihr Ziel sein.

Tipp: Spulen Sie nicht das stets gleiche Programm ab. Fragen Sie sich immer wieder: Ist die Bahnarbeit abwechslungsreich genug? Was motiviert mein Pferd, gute Leistung zu bringen? Ein Umgebungswechsel, Unterricht bei einem neuen Ausbilder, zusammen trainieren mit netten Pferd-Reiter-Paaren – all das sorgt für frische Energieschübe.

Erfolgsgeschichte: Diana und Fink

Bei Druck ging der Motor aus

Auf dem Turnierplatz streikte der 13-jährige Warmblut-Wallach Fink.

Hannoveraner Fink war schüchtern und in sich gekehrt. Er zeigte in der Bewegung tolle Momente – aber meistens zündete er einfach nicht. Seine Besitzerin war gefrustet. Sie konnte das Potenzial ihres Pferds einfach nicht abrufen: "Je mehr ich von Fink forderte, desto introvertierter wurde er.” Kam Diana Weniger mit ihrem Wallach etwa auf einen Turnierplatz, stellte dieser die Arbeit ein. "Er fühlte sich wie eine zähe Masse Kaugummi unter mir an.”

Die erfahrene Pferdefrau wollte aber mit feinen Hilfen reiten – und nicht immer mehr Energie aufwenden. "Pferde sind ja auch nicht einfach so faul. Sie haben Gründe”, meint die Reiterin.

Sie ließ die Gesundheit rundum checken. Tatsächlich offenbarte sich leichtes Equines Asthma. "Fink konnte einfach auch nicht so, wie er wollte.” Der Wallach inhalierte regelmäßig und startete im August 2020 das Training mit Nicole Künzel.

Der Hannoveraner wurde körperlich schnell fitter, aber der Weg aus dem introvertierten Verhalten erforderte Geduld. Fink steckte in den alten Mustern. "Unsere Aufgabe war es, ihm klarzumachen, dass er wieder loslegen darf – und das auch kann”, sagt Nicole Künzel. Über Zirkuslektionen und die freie Kommunikation fand Fink den Weg zu neuem Mut und Fleiß. Fink ging anfangs nicht auf Dinge zu, die ihm nicht geheuer waren. "Das hat sich mit dem Spanischen Schritt total verändert”, erzählt Diana Weniger. Die Übung machte selbstbewusst. Der Wallach strahlte von da an aus: Schaut her, hier bin ich! Diana Weniger übte mit ihm auch Arbeit an der Hand. In kleinen Schritten baute sie das Pferd neu auf. Mittlerweile piaffiert und galoppiert Fink sogar an der Hand. Die Geduld zahlt sich aus.

Solche Pferde profitieren von Übung 1, 2, 3 und 4. Alle Übungen finden Sie hier im vollständigen Artikel:

Die Expertin