Klar, ein guter Reitersitz ist immer entscheidend, damit das Pferd sich gut bewegen kann. Spannend ist aber: Gangpferde, bei denen die Gangarten oft nicht so klar getrennt sind und der richtige Takt etwa im Tölt eine sehr fragile Sache sein kann, zeigen Sitzfehler des Reiters oft besonders deutlich auf. Umso problematischer, dass in der Islandpferdeszene manche lange gelehrten "Sitzmarotten" wie ein zurückgelehnter Oberkörper oder hohe Hände nur langsam verschwinden.
Svenja Braun vom Islandpferdegestüt Lixhof (www.lixhof.de), Pferdewirtschaftsmeisterin Spezialreitweisen Gangreiten und Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners, liegt daran, das zu ändern. Gemeinsam mit Claudia Butry, ebenfalls Bewegungstrainerin und Trainerin A FN mit Schwerpunkt Dressur, wird sie heute drei Reiterinnen coachen.
1. Fall: Islandstute mit großen Bewegungen

Als erste ist Clara Stadler dran. Auf Fuchsstute Salvör saß sie zuvor noch nie. Die neunjährige Viergängerin ist sehr flott und eifrig, hat viel Bewegung und viel Rhythmus, sagt Svenja Braun. Auch Claudia Butry beobachtet: "Die Stute hat große Bewegungen, das ist oft gar nicht mehr so bequem, wie man es vom Tölt immer denkt."
Das Problem: Clara kann den Bewegungen mit dem Becken noch nicht ideal folgen. "Sie macht etwas zu schiebende Bewegungen. Stattdessen sollte sie sich einfach mitnehmen lassen", beobachtet Svenja Braun. Auch Claudia Butry bemerkt: "Sie geht auf den ersten Blick vermeintlich gut mit der Bewegung mit, für den Tölt müsste ihr Becken aber passiver, stabiler sein." Durch die leicht schiebende Bewegung gerät Clara im Oberköper etwas in Rücklage, auch die Hände bekommen unbeabsichtigt eine leichte Rückwärtstendenz.
Die Übung: Claudia Butry will Clara zu etwas mehr Spannung in der Rumpfmuskulatur verhelfen, so dass ihr Becken ruhiger bleibt. Dazu setzt sie am Kreuzdarmbeingelenk (auch Iliosakralgelenk genannt) an.

"Es ist die Schaltfläche zum Pferd. Wenn es nicht frei ist, ist keine dreidimensionale Beckenbewegung möglich", erklärt Butry. Die ist aber nötig, um sich von den Bewegungen mitnehmen zu lassen. Clara soll sich für die Übung auf eine Matte legen, die Beine aufstellen und zunächst den Knöchel des rechten Beins aufs linke Knie legen.

Die Arme liegen neben dem Körper. Nun soll Clara beide Beine langsam von links nach rechts bewegen. Alternativ kann sie das linke Bein ausstrecken, das rechte am Boden aufstellen und nach links und rechts fallen lassen. Zehn Mal, Seite wechseln.

Danach-Effekt: Ein erster Effekt ist sofort sichtbar: Clara sitzt besser in der Bewegung, der Oberkörper kommt etwas mehr nach vorne. Salvör geht mehr bergauf und weniger verhalten. Butry empfiehlt, die Übungen regelmäßig vor dem Reiten zu machen.
2. Fall: Runde Schultern – Brustmuskeln dehnen für mehr Takt

Saskia Fiedler reitet ihre fünfjährige Stute Atorka, eine Fünfgängerin, im Schritt vor. Die Stute ist noch nicht lange unter dem Sattel.

Das Problem: Svenja Braun bemerkt, dass Saskia sich mehr im Oberkörper aufrichten sollte. "Sie wird in den Schultern rund, und das bewirkt dann eine Tendenz zum Stuhlsitz und dadurch zum Schieben mit dem Becken." Die Hand geht tendenziell mit nach hinten, wodurch Stute Atorka mit der Nase etwas hinter die Senkrechte gerät und auf die Vorhand fällt.

"Anders als bei Clara liegt die Ursache für die Rückwärtstendenz im Sitz hier nicht vorrangig im Becken, sondern im Brust- und Schulterbereich", analysiert Claudia Butry.
Die Übungen: Saskia soll darum eine Übung machen, die ihr hilft, sich im Brustwirbelbereich mehr aufzurichten. Dazu legt sie sich auf der Seite auf eine Matte. Die Beine soll Saskia zunächst übereinander im 90-Grad-Winkel seitlich ablegen und dann das obere Bein vor das untere bringen. Zunächst soll sie den oberen Arm senkrecht nach oben strecken

und ihn dann soweit nach hinten bewegen und Richtung Boden bringen, wie ihr Knie noch am Boden bleiben kann.

Der Kopf bleibt auf der Matte liegen. "Das öffnet die Brustmuskulatur", erklärt Claudia Butry. "Die neigt von Natur aus zum Verkürzen und zieht uns dann in eine krumme Haltung."
In einer Variante soll Saskia danach ihren Kopf in Richtung des ausgestreckten Arms mitdrehen. "Das sollte im Normalfall leichter fallen, als wenn er liegenbleibt. Ist das nicht so, deutet das auf Verspannungen im Nacken hin", so Butry. Diese könne man dann gezielt lösen, etwa durch langsames Kopfkreisen oder Neigen des Kopfs zu einer Seite, um die Nackenmuskeln zu lösen. Bei Saskia ist aber alles in Ordnung.

Die Übung mobilisiert nicht nur den Brustwirbelbereich und fördert die Aufrichtung, sie verbessert auch die Drehfähigkeit im Rumpfbereich: in der Hüfte, im Oberkörper und in Hals und Nacken. Das ist wichtig, um Wendungen korrekt zu reiten.
Danach-Effekt: Direkt nach der ersten Übungseinheit hält sich Saskia im Schulterbereich wesentlich aufrechter. Tägliches Üben oder eine Einheit vor jedem Reiten können den Sitz weiter verbessern.

Eine leichte Tendenz zum Schieben ist noch da. "Saskia sollte im Schritt noch mehr an eine rechts-links-Bewegung statt an ein Von-vorne-nach-hinten denken", rät Svenja Braun. Der Schritt, der vorher etwas zum Pass tendierte, hat sich bereits verbessert. Je mehr sich Saskia vom Pferd bewegen lässt, desto klarer wird der Takt. Der Bewegungsfluss wird nicht mehr ausgebremst, Atorka kommt auch mit der Nase mehr vor.
Um den Schritt weiter zu verbessern, sollte Saskia die Stute sich immer wieder nach unten dehnen lassen, da sich das Jungpferd noch nicht für längere Zeit selbst tragen kann. Die flexiblere Hand aus den jetzt freier beweglichen Schultern macht das einfacher und fördert, dass die Stute sich mehr an die Hand herandehnen möchte.
3. Fall: Mächtiger Trab – Wackeliger Boden für mehr Balance

Kai Anna Braun ist wie ihre Schwester, Trainerin Svenja Braun, mit Islandpferden aufgewachsen. Sie bildet regelmäßig Jungpferde selbst aus, so auch Wallach Flóki, fünf Jahre alt und seit einem knappen Jahr unter dem Sattel. Der aus Island importierte Rappe hat viel Potential, fünf Gänge und raumgreifende Bewegungen – besonders im Trab. "Er kann sich richtig vom Boden abdrücken", so seine Reiterin. "Ich muss mich selber noch mehr mit seinem Bewegungsablauf anfreunden."

Das Problem: Flóki macht sich in der Oberlinie manchmal noch etwas fest und verkriecht sich dann hinter der Senkrechten. Kai sitzt den Trab bei ihrem Jungpferd deshalb nur phasenweise aus. Beim Vorreiten zeigt sich bei ihr im Trab und Galopp die Tendenz, nach links unten zu schauen. "Ich denke, das ist ein Gleichgewichtsthema, weil das Pferd den Reiter mit seinem mächtigen Trab sehr fordert", analysiert Claudia Butry. Außerdem fallen der Trainerin Kais Fußgelenke auf: Die sind etwas instabil und zeigen etwas zu sehr nach außen.

"Die Füße müssen nicht parallel zum Pferdebauch sein, aber dem Fußgelenk mehr Stabilität zu geben, würde Kais Sitz noch ruhiger machen", so die Sitzexpertin.
Die Übungen: Um Kais Fußgelenke zu stabilisieren, begibt sie sich auf wackeligen Boden: ein Balancepad ist das Mittel der Wahl. Es spricht die Propriorezeptoren an, die dafür zuständig sind, wahrzunehmen wo sich der Körper im Raum befindet und diese Informationen ans Gehirn weiterzuleiten. Zunächst soll Kai auf beiden Beinen stehen, die Arme zu den Seiten ausbreiten und sich im ganzen Körper langsam von links nach rechts drehen. Das Gleiche folgt später auf jeweils nur einem Bein.

Im nächsten Schritt integriert Kai ihren Blick. Dazu dürfen wieder beide Beine aufs Balancepad, einen Arm streckt sie nun mit ausgestrecktem Daumen langsam nach oben neben ihren Kopf aus. Der Blick folgt während dieser langsamen Bewegung dem Daumen, der Kopf dreht sich mit.

"Die Augenbewegung fördert den Gleichgewichtssinn noch mehr und trainiert, einen klaren Fokus zu wahren", erklärt Claudia Butry. Die Kopfbewegung aktiviert über bestimmte Gehirnstrukturen zudem die Streckermuskulatur im Nackenbereich. Die Übung kann Kai also helfen, ihren Kopf gerade auszurichten und nach vorne zu blicken. Außerdem verbessert das Balancepad nicht nur die Stabilität der Beine, sondern schult insgesamt das Gleichgewicht, so dass die Reiterin besser in Balance sitzen kann.

Danach-Effekt: Kai trägt ihren Kopf deutlich gerader und wirkt ausbalancierter. "Ich saß mehr in der Bewegung und konnte auch Flóki mehr Gleichgewicht vermitteln", stellt sie fest. Claudia Butry ist auch mit dem Effekt auf die Fußgelenke zufrieden. "Die sind ruhiger und federn die Bewegung besser nach unten ab." Auch Flókis Haltung ändert sich durch den besser ausbalancierten Sitz der Reiterin: Seine Nase kommt vor, der Trab ist freier. Der Grund dafür: "Wenn der Reiter nach unten schaut, gerät das Pferd auf die Vorhand. Jetzt kann Flóki mehr bergauf traben."
Richtig Sitzen im Rennpass
Der fünfte Gang der Islandpferde ist rasant. "Viele denken deshalb, im Pass komme es auf den Sitz nicht so sehr an", erklärt IPZV-Trainerin Svenja Braun. Das stimmt aber nicht.
Oben bleiben: Das gilt vor allem fürs Pferd. "Im Rennpass ist der Pferdekörper sehr gestreckt, das Pferd soll aber trotzdem eine Bergauftendenz haben", so Svenja Braun. Sacken dagegen Widerrist und Schultern mehr nach unten, ist die Oberlinie gebrochen und das Pferd kann seine Balance im Renntempo nicht mehr halten. "Es springt dann eher in den Kreuzgalopp über oder verliert den gleichmäßigen Takt."
Im Schwerpunkt: Damit das nicht passiert, ist entscheidend, dass der Reiter im Schwerpunkt sitzt und den Oberkörper nur ganz leicht nach vorne bringt, um nicht hinter die Bewegung zu geraten. Gerät der Reiter dagegen zu stark in Vorlage, fällt das Pferd eher auf die Vorhand. Tipp: Auf einem beweglichen Hocker lässt sich üben, die Oberkörper-Aufrichtung über das Kippen der Hüfte zu steuern.