Das erste Dressurpferd (Teil 1)
Vivian Gabor verliebt sich in ein Dressurpferd

Früher ritt sie erfolgreich Western, jetzt verliebte sich Verhaltenstrainerin Vivian Gabor in Dressurpferd Alizé. Das kam nicht überall gut an.

Vivian Gabor wechselt zur Dressur
Foto: Elke Vogelsang

Der Traum vom schwarzen Dressurpferd entwickelte sich an einem Abend im Reiterstübchen. Vorher ploppte er mal auf – aber nach diesem Gespräch unter Pferdemädels ließ er Dr. Vivian Gabor nicht mehr los. "Ich wünschte mir ein Pferd, auf dem man sitzt und schwebt. Dieses besondere Reitgefühl reizte mich", sagt die 39-jährige Ausbilderin.

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Das erste Dressurpferd
So kam Vivian Gabor an ihr erstes Dressurpferd
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Kurze Zeit später traf sie per Zufall auf ihre schwarze Schönheit. Alizé ist eine sechsjährige Westfalen-Stute mit Top-Abstammung: In den Papieren stehen Namen wie Dressurvererber Fidertanz und Trakehner-Star Kostolany. Pferd und Reiterin hatten sich nicht gesucht, aber gefunden.

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Thomas Grünhage
Nur fliegen ist schöner! Vivian Gabor träumte von diesem Reitgefühl.

Halb im Scherz hieß es: Willst du sie haben?

Vivian Gabor ritt eigentlich gerade einen Wallach Probe. Und Alizé stand eigentlich gar nicht zum Verkauf. Tja, eigentlich. Und als reiche das noch nicht, trafen die Zwei sich auch noch in der Stadt, die für ihre Nicht-Existenz bekannt ist: Bielefeld.

Die Bodenarbeits-Expertin gab dort einen Verladekurs. Nach dem Training kam eine Kursteilnehmerin auf Vivian Gabor zu und fragte, halb im Scherz, halb im Ernst: Willst du nicht Alizé mitnehmen? Alizés Besitzerin hatte ihr am Abend zuvor gesagt: Wenn sie das Pferd verkaufen würde, dann nur an Vivian Gabor.

Die Rappstute stand seit Längerem nur auf der Weide. Ihre Besitzerin hatte Alizé dreijährig vom Züchter gekauft und fünfjährig für einen Monat zum Anreiten in Ausbildung gegeben. Sie selbst ritt die Stute nicht. Sie wollte Alizé aber eigentlich auch nicht weggeben. Das Warmblut mit Trakehnerblut hatte zwar keine Unarten, brauchte aber eine erfahrene Hand.

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privat
Ihr passt doch gar nicht zusammen? Von wegen! So sieht ein Dreamteam aus.

Besser sollte sie etwas gelangweilt sein, als durch zahlreiche Hände zu gehen. Das stand fest. Aber nun war Vivian Gabor da. Zufall? Schicksal? Wer weiß.

Schon auf den ersten Blick total verliebt

Auf jeden Fall zeigte die Kursteilnehmerin ihr das Pferd. Alizé erspähte die beiden am Weidezaun und trabte auf sie zu. Vivian Gabor behält als Wissenschaftlerin stets einen kühlen Kopf. Aber bei der Stute war es sofort um sie geschehen.

"Alizé ist sehr menschenbezogen, das hat sich schon im ersten Moment gezeigt. Und diese Gänge!", schwärmt sie. Im Freilauf war Alizé aufgeregt: Sie baute sich auf, schnaubte – und schwebte raumgreifend über den Boden.

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Anfangs trabt Alizé aufgeregt im Kreis, kommt dann aber schnell runter.

Und dann ging alles ganz schnell: Ein Anruf bei der Besitzerin, ein langes Gespräch. Schließlich fuhr Vivian Gabor nach Hause – und ein paar Tage später wieder zurück. Diesmal mit ihrem Partner im Gepäck und mit Pferdeanhänger. Sie holte Alizé auf Probe ab. Doch nach drei Tagen war klar: Alizé bleibt.

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Willkommen zu Hause: Alizé beschnuppert ihre neuen Aktivstall-Kumpels.

Woran hat die Ausbilderin gemerkt, dass sie mit Alizé ein gutes Team werden kann? Den Schlüsselmoment gab’s im Roundpen. Vivian Gabor testete im Freitraining, wie das Warmblut auf ihre Körpersignale reagierte.

Das Dressurtalent düste anfangs aufgeregt im Kreis. Aber die Ausbilderin gab der Stute Aufgaben und gewann so ihre Aufmerksamkeit. "Nach zehn Minuten konnte ich sie seitwärts weichen lassen. Ich sah, dass Alizé sich aufregt, aber auch schnell wieder runterkommt. Sie zeigte mir ihre zwei Seiten", erzählt Vivian Gabor.

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Erstmal alles kennenlernen. Vivian und Alizé zusammen beim Rundgang über den Hof.

Die Black Beauty weckt neue Reit-Begeisterung

Mit dem neuen Pferd kam auch eine zuvor unbekannte Shopping-Lust auf. Vivian Gabor kaufte sich neue Klamotten – im Partner-Look mit der Dressurausrüstung fürs Pferd: "Ich liebe dieses Braun." Und die Profitrainerin hat bei Alizé nicht nur Herzchen in den Augen, sondern neuerdings auch Herzchen-Leckerlis in der Jackentasche.

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Endlich wieder reiten: Die Berufstrainerin freut sich auf den Feierabend mit Alizé.

"Es ist so eine Freude, mit Alizé zu arbeiten. Da schaffe ich es auch noch abends nach einem langen Arbeitstag, mich zum Training zu motivieren."

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Im Roundpen beobachtet die Verhaltenstrainerin die Stute genau: Wie reagiert sie auf ihre Signale?

Diese Freude teilte Vivian Gabor auch in den sozialen Medien – und von einigen Reitern blies ihr ein kalter Wind entgegen: Bist du nicht Westernreiterin? Was willst du mit einem Dressurpferd? Hast du jetzt die Seiten gewechselt? Vivian Gabor ärgerte sich.

Ja, sie war früher erfolgreich im Westernsport unterwegs gewesen. Hatte sogar an der Deutschen Meisterschaft im Reining teilgenommen. Mit ihrem Criollo Pablo drehte sie gerne Spins und absolviert Trails. Aber: Der Wallach ist mittlerweile 22 Jahre – und die zwei sind schon lange nur noch freizeitmäßig unterwegs.

"Ich bin bewusst aus der Western-Schiene gegangen, da ich mich nicht in eine Reitweise drängen lassen möchte", sagt sie.

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Familienzusammenführung: Alizé (6) trifft auf den Australian Shepherd Tibo (11).

Die Trainerin hat den Stempel "Western"

Auf Messen und Vorführungen achtet die Expertin für Pferdeverhalten bewusst auf ihre Kleidung: Sie trägt spanische Stiefel statt Westernstiefel, und ihre Pferde präsentiert sie meist ohne Sattel. "Ich möchte für faire Ausbildung stehen – für alle Reiter und Pferde. Trotzdem habe ich bei vielen den Stempel als Westernreiterin."

Vivian Gabor ist Trainerin B Leistungssport Westernreiten. Das stimmt. Sie ritt selbst aber viele Jahre auch klassisch. Schon lange unterrichtet sie Schüler aller Reitsparten. Aber das Image als Westernreiterin hält sich hartnäckig. "Manche Schüler werden von Stallkollegen angesprochen, warum sie bei mir Unterricht nehmen – ich sei doch Westernreiterin", erzählt sie.

Mit den Kommentaren zu Alizé lief das Fass über. Vivian Gabor bezog Stellung – und veröffentlichte ihren bisher längsten Facebook-Post. Darin schreibt sie: "In der Reiterei sollten wir doch so weit sein, über Reitweisen und Horizonte hinwegzudenken und den guten Umgang mit dem Pferd als eins und allumfassend zu sehen. […] Habt bitte Freude mit Euren Pferden – und lasst sie diese Freude ebenso empfinden – egal, was ihr oder das Pferd anhabt. […] Ich mache mich hiermit auf einen interessanten Weg, auf dem ich noch viel dazulernen darf!"

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Da haben sich zwei gefunden: Vivian Gabor verliebte sich auf den ersten Blick in Stute Alizé.

Die Reaktionen auf den Post waren überwältigend. Viele Menschen teilten ihn und bedankten sich bei Vivian Gabor. "Offenbar habe ich damit einen Nerv getroffen", sagt sie.

Der Reiterin macht das Mut, mit ihrer "Lisi" weiter beispielhaft voranzugehen. Sie möchte ehrlich über die Faszination und Schwierigkeiten in der Ausbildung berichten. "Die Bewegungen und Talente moderner Sportpferde sind eine Herausforderung. Für mich ist klar, dass ich mich weiterbilden möchte und mir Unterstützung hole", sagt sie.

Ob Alizé sich im Training wohl viele Herzchen-Leckerlis verdient? Lassen wir uns überraschen.

Vivian & Alizé

Neues Team: Der damals fünfjährigen Westfalen-Stute Alizé fehlte eine Aufgabe. Der Ausbilderin Dr. Vivian Gabor fehlte ein Ausgleich. Seit Jahren arbeitet die Verhaltenstrainerin und Stallbetreiberin professionell mit Pferden. Die Kehrseite: Sie ritt immer weniger zur eigenen Freude. Per Zufall traf sie 2020 auf Stute Alizé und kaufte sie. Ein Dressurpferd besaß sie nie zuvor, war früher im Westernsport erfolgreich. Mit Alizé entdeckt sie ihr Hobby neu.

So geht's weiter

Willkommen im Aktivstall! Ein Dressurpferd mit Top-Abstammung gehört in die Box und versteht sich nicht mit Ponys? Das wollen wir doch mal sehen! Im nächsten Teil unserer Serie berichten wir, wie sich Alizé im Aktivstall von Vivian Gabor einlebt. Außerdem macht sich das Dressurpferd auf dem Offroad-Trail die Hufe schmutzig.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023