Die Yogini reitet mit: Im Meditationssitz zu Aufrichtung

Ute Stabingies ist CAVALLO-Redakteurin, leidenschaftliche Westernreiterin und liebt Yoga. Beides gedanklich zu verbinden, bringt sie auf dem Pferderücken noch besser ins Fühlen.
Für eine lockere Aufrichtung ohne zu verkrampfen denke ich tatsächlich an den altbekannten Faden, der mich am Kopf in die Höhe zieht. Die Schulterblätter bringe ich dabei wie die Nadeln eines Kompass’ in zwei Richtungen nach außen. Das entspricht auch dem angenehmen Sitz, dem Svastikasana im Yoga.

Die Atmung wird leichter, das Becken rutscht dabei gleich ein paar Zentimeter nach unten und wird angenehm geerdet, wie ein entspannter Sandsack. So vorbereitet, kann man die Schritte des Pferds zu Beginn des Trainings gut erfühlen und sich eingrooven.
Gegen Einknicken in der Hüfte stelle ich mir meinen Rumpf wie eine Tonne oder Coladose vor – aber ohne zerknautschte Mitte!

Sich innerhalb dieses Dosen-Radius zu bewegen, stabilisiert mich ungemein. Unkontrollierte Bewegungen fallen weg. Außerdem hilft es, eine gute Körperspannung zu entwickeln.
Noch eines meiner Lieblingsbilder ist die Billardkugel.

Das Becken wie auf einer solchen Kugel rollend ganz leicht und fließend in alle Richtungen zu bewegen, fördert die Konzentration und Achtsamkeit für die eigenen Bewegungen. Ich stelle mir dabei das Zifferblatt einer Uhr vor, und beobachte, zu welcher Uhrzeit mein Becken rollt. Das kann man übrigens auch prima mit Franklin-Bällen unterm Gesäß ausprobieren.
Wenn die Angst zum Schutzengel wird
Nach einem Reitunfall im Gelände saß eine Weile lang oft die Angst mit im Sattel. Immer wenn sie mir mal wieder ins Ohr geflüstert hat, dass ich bloß aufpassen soll, weil es da vorne gefährlich werden könnte, habe ich sie bewusst an einen Platz in meiner Nähe geschickt.

Dort lief sie dann neben, vor oder hinter mir mit und bekam eine Aufgabe: als Schutzengel auf mich und mein Pferd aufzupassen. Diese Idee von Ausbilderin Tuuli Tietze half mir.

Auf dem Platz oder in der Halle entspanne ich Situationen gerne, indem ich mir vorstelle, dass meine Beine so lang sind, dass sie bis zum Boden herunterreichen. Ich lasse sie locker fallen, habe aber notfalls einen festen Stand. Das gibt mir ein sicheres Gefühl und meine Entspannung überträgt sich auch auf mein Pferd.
Ich nutze das Bild mit den langen Beinen auch gerne zum Antraben im Aussitzen. So sitze ich tief, locker und ausbalanciert im Sattel, treibe korrekt aus der Wade und mein Pferd trabt viel geschlossener und losgelassener an.
Nadine Szymanski arbeitet mit ihrem Schimmel-Wallach Callando gerne in Ruhe dressurmäßig oder streift durch die Natur.
Warum treiben wie Rollerfahren ist

Barbara Böke wünscht sich leichtes und feines Reiten. Das innere Bild vom Tretroller hilft ihr dabei, ihren Wallach Chicco sensibel und fein am Bein zu halten.
Eines meiner Lieblingsbilder kommt von Dressurausbilderin Claudia Butry; sie hat das Treiben mal mit dem T
retroller-Fahren als Kind verglichen. Heißt: "Stell dir vor, dein Pferd ist ein Tretroller – du musst es nur dann wieder anschubsen, wenn es aufhört zu rollen."

Das versuche ich mir immer dann wieder in Erinnerung zu rufen, wenn mein Pferd nicht in Schwung kommt. Anstatt dann in die Falle zu rutschen, mehr zu treiben, versuche ich die treibenden Hilfen einmal energisch zu geben und meinen Chicco dann "rollen" zu lassen – bis er den nächsten Schubs braucht. Das macht es nach kurzer Zeit immer deutlich einfacher, weil er so viel aufmerksamer auf meine Impulse reagiert. Das passt auch zu einem Leitspruch von Jim Masterson, dem Erfinder einer hauchfeinen Körperarbeit mit Pferden, den ich mir gerne in den Kopf rufe: "Wenn du denkst, du musst mehr machen – mach weniger." Wenn ich beim Reiten ab und zu das Gefühl bekomme: "Boah, das fühlt sich gerade aber alles anstrengend an", denke ich an den Masterson-Satz, atme durch – und versuche, wieder leichtere Hilfen zu geben.
Goldmedaille gegen Schreibtisch-Haltung
Mein Sitz ist eine Baustelle, und mein Unterbewusstsein soll daran arbeiten. Währenddessen liege ich faul auf der Yogamatte und stelle mir vor, wie ich balanciert im Sattel sitze und geschmeidig den Bewegungen meines Pferds folge. Mein Unterbewusstsein muss sich bestimmt ganz schön abrackern.
Um Sitzkorrektur mit Hypnose ging es im Kurs von Christine Ziervogel und Kristin Schulte, den ich im Jahr 2013 besuchte. "Typische Schreibtischhaltung, Rundung oben im Rücken, nach vorn gestreckter Kopf, steifes Becken", beschrieb Physiotherapeutin Kristin Schulte meine gröbsten Sitzschwächen. Wir lernten – ganz wach und ohne Trance – unseren Rumpf immer erst vom Becken aufwärts richtig aufzurichten.

"Stellt euch vor, ihr hättet eine Goldmedaille um den Hals", dieses innere Bild der Kursleiterin brachte mein zusammengesunkenes Brustbein sofort nach vorn und meinen Schildkrötenhals nach hinten. Wer steht schon buckelig auf dem Siegertreppchen? Und auch mein Bauchgefühl profitierte, was das Atmen betraf. Die Atmung des Reiters sollte ruhig und gleichmäßig sein. Von den drei Phasen bleiben im Sattel meist nur das Einatmen und Ausatmen übrig, die Atempause verschwindet.
Statt korrekter Bauchatmung, bei der Luft optimal in die Lungen strömt, atmete ich nur mit schneller, flacher Brustatmung. Kristin Schultes Trick half: "Lege deine Hand auf den Hosenbund und ertaste, wie sich etwa der Knopf anfühlt."

Schon atmet man tiefer ein, der Bauch wölbt sich. Das funktioniert auch wunderbar, wenn man sich die tastende Hand am Knopf nur vorstellt. Nur das bewusst Gelernte ins Unterbewusstsein zu übertragen, ist mir leider nicht gelungen.

Linda Krüger, 53, ist CAVALLO-Chefredakteurin und reitet seit ihrem sechsten Lebensjahr. Sie hat zwei Quarter-Stuten und einen Vollblut-Wallach.
Fruchtige Körpermitte
Meine liebsten inneren Bilder erinnern ein bisschen an Obstsalat: Bei einem CAVALLO-Termin mit Centered-Riding-Trainerin Dr. Lysan Massmann entdeckte ich, was Melonen und Zitronen im Kopf – oder besser gesagt im Körperzentrum – so alles bewirken können.
Lysan Massmann schlug einer Reiterin vor, sich ihr Körperzentrum als eine große Melone vorzustellen, die beim Schrittreiten rückwärts rollt.

Das bewirkte eine von außen kaum sichtbare Veränderung in der Beckenbewegung und Körperspannung. Das Pferd reagierte sofort darauf und schritt flüssiger und mit größeren Schritten voran.
Als nächstes sollte die Reiterin dann nicht in die sprichwörtliche saure Zitrone beißen, aber sich eine vorstellen: wiederum als ihr Körperzentrum. Tatsächlich reagierte das Pferd auch auf dieses Bild, verkürzte seine Schritte und baute mehr Körperspannung auf. Selbst zurück auf dem Pferderücken, habe ich diesen fast magischen Trick natürlich sofort ausprobiert und bei der nächsten Runde im Gelände mit meiner Isländerstute Lippa Melonen und Zitronen gerollt. Und tatsächlich: Es funktionierte. Die beiden Bilder kann ich wunderbar nutzen, um auch auf Ausritten unterschiedliche Gangmaße einzubauen und noch feiner zu reiten.

Natalie Steinmann kümmert sich bei CAVALLO um Trainingsthemen und probiert Tipps natürlich auch privat aus.
Innere Bilder? Keine Zeit!

Lisa Rädlein ist Fotografin bei CAVALLO und ein total visueller Mensch. Mit inneren Bildern reitet sie trotzdem nicht. Zumindest bisher...
Meine Stute Juli ist ein nervöser Typ, bei ihr muss ich die ganze Zeit "online" sein und sie beschäftigen. Gedanklich bin ich darum immer schon bei der nächsten Volte, dem nächsten Schulterherein oder dem Angaloppieren am Bahnpunkt. Ich bin dabei voll auf meine Hilfen und Paraden konzentriert. Für innere Bilder habe ich da gefühlt gar nicht die Zeit. Ich hatte bisher allerdings auch noch keinen Reitlehrer, der mit inneren Bildern gearbeitet hat. Meist ging es eher darum, über bestimmte Lektionen und den Aufbau der Trainingsstunde eine Einheit zwischen mir und meinem Pferd zu schaffen.
Wer weiß, vielleicht sollte ich es mal ausprobieren? Denn ich könnte mir durchaus vorstellen, dass innere Bilder Juli helfen könnten, mehr loszulassen. Bisher kamen wir zwei aber einfach noch nicht dazu.