Darf man Pferde mit Regenwasser tränken?

Ratgeber Haltung: Regenwasser zum Pferde tränken?
Darf man Pferde mit Regenwasser tränken?

Zuletzt aktualisiert am 10.07.2013
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Foto: Lisa Rädlein

Regen kann sauer sein – oder als Dauererscheinung an den Nerven zerren. Zu seinen angenehmen Eigenschaften gehört hingegen, dass er gratis vom Himmel fällt. Ganz im Gegensatz zum Wasser aus der Leitung, das je nach Versorger richtig ins Geld gehen kann. So kostete der Kubikmeter Wasser (1000 Liter) im Landkreis Stendhal im Norden von Sachsen-Anhalt 2009 nur günstige 86 Cent. Dafür mussten die Bewohner einiger Ostharz-Gemeinden des gleichen Bundeslandes tief in die Tasche greifen. Sie zahlten für dieselbe Wassermenge 3,89 Euro. Das ist fast doppelt so viel wie der Bundesdurchschnitt. Für den Pferdehalter kann das schnell ordentlich ins Geld gehen.

„Um eine 20 x 40 Meter großeHalle und einen gleich großen Platz im Sommer zu bewässern, benötigt man pro Woche etwa 15 000 bis 25 000 Liter“, sagt Elmar Brügger, landwirtschaftlicher Berater an der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Münster. Ein Betrieb in Stendhal würde für diese Fläche zwischen 12,90 und 21,50 Euro in der Woche ausgeben.

Im Ostharz wiederum wären zwischen 58,35 und 97,25 Euro fällig. „Im Einzelfall kann es sich daher lohnen, Regenwasser in einer Zisterne zu sammeln, um damit den Platz zu sprengen oder die Toilette zu spülen“, sagt Elmar Brügger. Der Preis für einen gebrauchten 20.000-Liter-Tank beträgt zwischen 4000 und 5000 Euro. Hinzu kommen die Kosten für eine Pumpe sowie der Einbau im Erdboden. „Andernfalls friert Ihnen das alles im Winter schneller ein“, sagt Brügger. Wie schnell sich der Regenwassertank amortisiert, hängt vom Einzelfall ab. „Im regenarmen Brandenburg wird das vermutlich länger dauern als in Schleswig-Holstein“, betont der Experte.

Tränkwasser muss frei von Dreck sein

Die Kosten lassen sich noch schneller hereinholen, wenn das Regenwasser auch zum Tränken verwendet wird. Laut Lehrbuch trinkt ein Pferd im Tagesdurchschnitt etwa 5,5 Liter Wasser pro 100 Kilogramm Lebendgewicht. Bei einem normalen Warmblüter mit 600 Kilo sind das 33 Liter am Tag oder 12 045 Liter im Jahr. Ein Pensionsbetrieb mit 50 Pferden im Landkreis Stendhal müsste jährlich knapp 518 Euro ausgeben, um die Tiere ausreichend zu versorgen, ein Betrieb im Ostharz sogar rund 2342 Euro.

Ob Regenwasser aber überhaupt als Tränkwasser verwendet werden sollte, ist bei Experten stark umstritten. „Ich sehe das sehr skeptisch“, sagt Georg W. Fink, Reitanlagenplaner aus Aufkirchen/Bayern. Ihm bereitet vor allem die hygienische Qualität Kopfzerbrechen: „Regenwasser läuft meist über Stall- und Hallendächer, bevor es gesammelt wird. Dabei kann es zu Verunreinigungen kommen, etwa durch Vogelkot.“ Hinzu addieren sich mögliche Belastungen durch Feinstaub, Industrieabgase oder die Dachbedeckungen selbst, wenn diese etwa aus Bitumen oder asbesthaltigen Materialien bestehen. „Ich würde Regenwasser daher lediglich für die Toilettenspülung oder zum Wässern von Reitplatz- und Hallenböden verwenden“, rät Fink.

Info:

Im Vergleich zum Trinkwasser für Menschen gibt es beim Tränkwasser für Pferde keine vergleichbar detaillierten rechtlichen Anforderungen. Auskunft darüber, welche Qualitätsstandards Tränkwasser erfüllen sollte, gibt der „Orientierungsrahmen zur futterrechtlichen Beurteilung der hygienischen Qualität von Tränkwasser“ des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Mineralstoffe im Regenwasser

„Regenwasser enthält außerdem kaum Spurenelemente und Mineralien“, gibt Georg W. Fink zu bedenken. Ein Argument, das Professor Dr. Ellen Kienzle sofort entkräftet: „Tränkwasser leistet generell nur einen kleinen Beitrag zur Mineralstoffversorgung“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Ein geringer Mineralstoffgehalt im Wasser könnte sich allenfalls einmal negativ auswirken, wenn Pferde überhitzt sind oder nach einer längeren Durstperiode übermäßig saufen. Nachteilige Folgen sind aber auch dann sehr selten.“

Möglich sei jedoch eine Belastung mit Bakterien wie Escherichia coli, Streptokokken, Salmonellen, aber auch Pilzen und Algen. „Das ist eine Frage des Vorgehens“, sagt Jürgen Lamp vom Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp im schleswig-holsteinischen Blekendorf. „Dachwasser hat nur nach Dauerregen eine gute Qualität“, so der Experte für Pferdehaltung. Bei warmem Wetter und Lichteinstrahlung bilden sich im Regenwasser ebenso Algen wie in einem Tränkebottich, der nicht regelmäßig geleert wird.

„Regenwasser sollte daher nur in undurchsichtigen, schwarzen Tanks gelagert werden, die mehrmals im Jahr mit dem Hochdruckreiniger gesäubert werden müssen“, rät Dr. Petra Wolf. Chlortabletten oder andere Reinigungsmittel lehnt die Tierärztin vom Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover ab. „Es kann sein, dass die Pferde das Wasser wegen des Geschmacks dann nicht mehr trinken. Außerdem ist fraglich, wie effektiv diese Mittel sind.“ Wer will, kann die Qualität des Wassers auch bei einer Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) oder am TiHo-Institut für Tierernährung testen lassen. Die Kosten für eine umfassende Analyse betragen 80 bis 100 Euro.

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Lenz

Dauerregen ist am besten

Einer, der seine Pferde mit Regenwasser tränkt, ist Wolfgang Friedrichs. Der 63-jährige Apotheker züchtet in Rheinbach bei Bonn seit zehn Jahren Tinker (www.gestuet-friedrichshof.de). Hygiene-Bedenken hält er für übertrieben: „Unsere Pferde stehen in Offenställen auf einer Weide ohne Wasseranschluss. Im Sommer trinken sie aus einem Bach. Im Winter bekommen sie Regenwasser, das wir von den Stalldächern sammeln und in einem 10.000-Liter-Fass speichern. Daraus pumpe ich das Wasser in einzelne Plastikcontainer, die jeweils 1.000 Liter fassen. Ungefähr 15 Pferde teilen sich so einen Container. “Ob Pferde durch Keime im Tränkwasser erkranken, hängt von der Konzentration ab„, meint der Züchter.

Die Konzentration lässt sich mit einfachen Mitteln gering halten. “Bei mir reicht das Wasser etwa drei Tage und wird dann erneuert. Da kann gar nichts verderben„, sagt Wolfgang Friedrichs. Damit über den Regen kein Dreck vom Dach ins Wasser gelangt, sollte man nur Dauerregen sammeln: “Ich warte immer, bis ich den Eindruck habe, dass das Dach wirklich sauber gespült ist, und verwende erst das nachlaufende Wasser„, erzählt Friedrichs. “Natürlich müssen auch die Dachrinnen und der Zulauf zum Fallrohr regelmäßig gereinigt werden. Wasserfass und Container mache ich mindestens einmal im Monat mit dem Hochdruckreiniger sauber. Außerdem habe ich beim Füttern immer einen Blick auf die Wassercontainer und die Pferde. Wenn die nicht trinken, weiß ich, dass mit dem Wasser etwas nicht in Ordnung ist.„

In diesem Jahr will Wolfgang Friedrichs seine Regenwasserversorgung für etwa 10.000 Euro auf eine unterirdische Zisterne mit sechs Betonfässern à 10.000 Liter umstellen. Eine Tauchpumpe soll das Wasser dann in einen Kreislauf mit Selbsttränken befördern. “Dadurch bleibt das Wasser in Bewegung und immer frisch„, meint Friedrichs. Ein vorgeschalteter Filter soll Schwebstoffe und Kleintiere aussieben. Da die Zisterne lichtdicht unter der Erde liegt, rechnet Friedrichs auch nicht mit Algenbildung.

Gefahr im Tränkwasser: Biologe Dr. Michael Saefkow im Podcast-Interview

Wir Reiter machen uns ständig Gedanken über die richtige Fütterung unserer Pferde – aber wie sieht es eigentlich mit einem ganz wichtigen Element darin aus: dem Wasser? Da schlummern etliche Gefahren, die wir allzu oft übersehen, sagt Dr. Michael Saefkow. Der Biologe beschäftigt sich seit Jahren mit der Sauberkeit von Wasser und meint: Im Tränkwasser können sich gesundheitsgefährdende Mikroorganismen finden. Diese Toxine können mittel- oder langfristig zu Krankheiten führen, weil sie das Pferd schleichend vergiften können. Wir sprechen mit Dr. Saefkow, wie sich diese Gefahr verringern lässt und worauf Reiter beim Tränkwasser generell achten sollten.

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