Die diesjährige deutsche Hafer-Ernte war katastrophal. Das Getreide ist energiearm, häufig auch schimmelig oder vermilbt. „Fressen Pferde verdorbene Körner, können sie Atembeschwerden bekommen“, warnt Dr. Anne Mößeler, Fütterungsexpertin an der Tiermedizinischen Hochschule in Hannover. „Schimmelpilze können Koliken auslösen oder die Nieren schädigen.“ Manche Pferde reagieren auch allergisch auf Milbenkot.
Die schlechte Ernte kündigte sich bereits im Frühjahr an. „Eigentlich wird Hafer im Februar gesät“, sagt Carsten Schmidt, Berater bei der IG Pflanzenzucht in Schleswig-Holstein. „In diesem Jahr konnten die Landwirte erst Ende März auf die Felder, weil der Winter so lange dauerte.“ Damit sich die Körner füllen, braucht junger Hafer Wärme und Wasser. In diesem Frühjahr war es zu trocken – das Getreide verkümmerte.
Erst vor der Ernte im August regnete es. „Dann, wenn man das Wasser nicht gebrauchen kann“, sagt Schmidt. Denn je reifer der Hafer, desto leichter können sich Pilze und Bakterien einnisten. Durch den Regen wurde das feuchte Getreide zu einem idealen Biotop für Milben und Keime.
Die Hafer-Qualität lässt sich auswiegen
Äußerlich erkennt man nicht, wie feucht Hafer ist. Werden die Körner nach der Ernte nicht ausreichend getrocknet, bleiben Schimmelpilzsporen und Bakterien am Getreide haften. Die Qualiät des Hafers lässt sich jedoch auswiegen. Guter Hafer wiegt über 54 Kilogramm pro 100 Liter. Je schwerer das Getreide, desto keimfreier ist es. „In diesem Jahr beträgt das Hektolitergewicht vielerorts nur 46 bis 48 Kilogramm“, vermutet Ernst Lamers, Geschäftsführer der Fortin-Mühlenwerke in Düsseldorf.

Wie unappetitlich Hafer sein kann, zeigt eine Untersuchung aus dem Jahr 2004, durchgeführt von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und der Agravis Raiffeisen AG in Münster. Die Mitarbeiter untersuchten rund 30 Haferproben verschiedener Betriebe. Das Erschreckende: Die Hälfte des Getreides entpuppte sich als Gammel-Hafer. „Sind die Haferkörner grau und riechen muffig, sollte man das Getreide nicht füttern“, rät Anne Mößeler.
Das Tückische: nicht immer sieht der Reiter dem Hafer mit bloßem Auge an, ob er genießbar ist. „Zudem kann man sich nicht darauf verlassen, dass Pferde verdorbenes Getreide aussortieren“, so Mößeler. Selbst wenn die Tiere nur an vermilbten oder verschimmelten Hafer riechen, atmen sie Pilzsporen ein, die allergische Reaktionen auslösen können.
Der Check auf den ersten Blick:
1. Farbe
Weiß, gelb oder schwarz. Graue Stellen sind Schimmel; grüne Körner sind unreif.
2. Geruch
Nussig. Der Hafer sollte nicht muffig, ranzig, sauer oder nach Stall riechen.
3. Geschmack
Süßlich, nussig. Sonst ist das Getreide unreif, verdorben oder schimmelig.
Hafer-Check: Der Glas-Wasser-Test
Um zu sehen, wie gut Ihr Getreide ist, können Sie den Glas-Wasser-Test von Dr. Dorothe Meyer, Fütterungsexpertin der Firma Iwest in Hohenpeißenberg/Bayern, machen.
„Geben Sie eine Handvoll ganze Haferkörner in ein Glas, und füllen Sie es mit Leitungswasser auf.“ Sofort zeigt sich, wie schwer der Hafer ist: Je mehr Körner sich am Boden sammeln, desto wertvoller das Getreide. Noch etwas fällt sofort auf: „Ist das Wasser getrübt, ist der Hafer dreckig“, meint Meyer. Auch Milbenkot und Erdkrümel werden sichtbar.

Lassen Sie das Glas weitere 20 Minuten stehen. Färben sich die Körner rot, haben sich Pilze im Hafer eingenistet. Schimmelige Stellen werden dunkel; unreifes Getreide wird grün. „Verfärbungen einzelner Körner sind nicht schlimm“, sagt Dorothe Meyer. „Ist der ganze Glasinhalt bunt, sollten Reiter den Hafer nicht mehr füttern, sondern wegschmeißen.“
Hafer gut lagern oder sofort füttern

Hafer, den Sie bei Genossenschaften oder Futtermittelherstellern kaufen, können Sie sofort in den Trog schütten. Dieses Getreide wurde nach der Ernte ausreichend getrocknet, häufig auch mehrfach gereinigt – optimale Voraussetzungen für keimarmen Hafer. Am besten hält sich das Getreide in einem luftdurchlässigen Papiersack (ohne innere Plastikschicht), wenn er dunkel und kühl gelagert wird. „Stellen Sie Sackware nicht auf den Boden, sondern auf eine Palette“, rät Fütterungsexpertin Anne Mößeler. „Dann halten sich ganze Körner über mehrere Monate.“
Wer Hafer quetscht oder walzt, sollte das Getreide innerhalb der darauffolgenden Tage verwenden, weil es sonst ranzig wird. Der Test: Probieren Sie den Hafer. Schmeckt er bitter, sollten Sie ihn wegschmeißen. Kaufen Sie Hafer bei einem Landwirt, sollten Sie sich vorher erkundigen, ob das Getreide noch feucht ist und behandelt werden muss. Finger weg von Hafer, der nach der Ernte nicht mindestens zwölf Wochen lang trocknen konnte.
Was das Litergewicht des Hafers verrät

Seit Jahrzehnten gilt das Litergewicht als Qualitätsmerkmal beim Getreidekauf. Je schwerer der Hafer, desto teurer ist er. „In großen, runden Körnen steckt mehr Energie als in kleinem, schmalen Getreide“, sagt Tierärztin Dr. Anne Mößeler. „Viele Reiter wundern sich, warum ihr Pferd trotz einem vollen Hafertrog nicht zunimmt.“ Häufig liegt dies daran, dass die Portion nur nach Volumen und nicht nach Gewicht beurteilt wird.
Dem gegenüber steht das Ergebnis einer Studie der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (siehe Seite 67), bei der das Litergewicht von 29 Haferproben ermittelt und der Energiegehalt im Labor bestimmt wurde. Das Verwirrende: Leichte Körner mit einem Hektolitergewicht von 42 Kilogramm enthielten fast genauso viele Kohlenhydrate wie Hafer, der 63 Kilogramm wog. Ob das nur ein Zufall war, wurde nicht untersucht.
Landwirte setzen jedenfalls weiterhin auf eine Waage bei der Beurteilung des Energiegehalts. Worin sich Wissenschaft und Futtermittelhändler einig sind: Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Litergewicht und der Keimbelastung. Je schwerer der Hafer, desto weniger Bakterien enthält das Getreide.
So bestimmen Sie das Litergewicht Ihres Hafers: Mit dem Messbecher einen Liter ungequetschte Körner abmessen, dann mit einer Haushaltswaage wiegen. Unter 400 Gramm sind weniger wertvoller Hafer, 450 bis 500 Gramm sind normal, über 500 Gramm sehr gut. Achtung: Die Werte von gequetschtem Getreide liegen rund 25 bis 30 Prozent unter dem Gewicht ganzer Körner.
Das beste Futter für Ihr Pferd

Jede Menge Hafersorten sind im Angebot: 32 Sommerhafer-Sorten sind vom Bundessortenamt in Hannover geprüft und für deutsche Felder zugelassen. Je nach Spelzenfarbe unterscheidet man zwischen Gelb-, Weiß- und Schwarzhafer.
„In Schleswig-Holstein wird mehr Weißhafer, vorzugsweise die Sorte Kaplan, angebaut“, sagt Carsten Schmidt, Berater bei der IG Pflanzenzucht. „In Niedersachsen ist Gelbhafer, besonders die Sorte Dominik, beliebter.“ Schwarzhafer wird in Deutschland nur selten angebaut.

Viele Reiter glauben, dass Schwarzhafer die wertvollste Sorte sei. Ein Irrglaube: Bis auf das Aussehen unterscheiden sich die drei Rispen-Getreide nicht nenneswert voneinander. Schwarzhafer hat schwarz pigmentierte Spelzen. Mehr nicht. „Alle Sorten enthalten annähernd die gleiche Menge an Nährstoffen“, sagt Fütterungsexpertin Anne Mößeler.
Vielmehr sollte der Reiter darauf achten, wo der Hafer angebaut wurde. Viele Futtermittelhersteller importieren ihr Getreide, weil deutscher Hafer häufig zu leicht und dreckig ist. „Am besten ist australischer Hafer, direkt danach kommen skandinavische Körner“, sagt Ernst Lamers, Geschäftsführer der Fortin-Mühlenwerke. „In Skandinavien sind die Böden und das Wetter besser als bei uns“, sagt Carsten Schmidt. Kurze Vegetationsperioden, viel Sonne und eine fruchtbare Erde sorgen dafür, dass sich die Körner prall füllen und der Hafer weniger verpilzt in die Futtersäcke rutscht. An welcher Stelle der deutsche Hafer im weltweiten Ranking steht, verschweigt Ernst Lamers.
Ebenfalls gut und verhältnismäßig günstig: Getreidekörner aus England, Irland oder Schwarzhafer aus Frankreich.
In allen Pferdemüslis von Nösenberger landet ausschließlich finnischer Hafer, der ein Hektolitergewicht von mindestens 58 Kilogramm hat. „Das Getreide kostet fast das Dreifache im Vergleich zum deutschen Hafer“, sagt Inhaber Arnd von zur Gathen. Auch andere deutsche Futtermittelhersteller importieren ihr Getreide. „Gelbhafer kaufen wir in Schweden und Finnland ein, unser Schwarzhafer stammt aus Frankreich“, sagt Udo Steinbock von Höveler in Nordrhein-Westfalen.