Dürfen Pferde Heu ohne Ende zur Verfügung haben?

Dürfen Pferde Heu ohne Ende zur Verfügung haben?
Heu ohne Ende?

Veröffentlicht am 28.10.2021
Heu ohne Ende?
Foto: Rädlein

Pro – Was für eine Heufütterung ad libitum spricht

Heu ad libitum
Lisa Rädlein

Für Wohlbefinden & Entspannung: Pferde können ihr natürliches Fressbedürfnis von 16 Stunden pro Tag mit einer ad-libitum-Fütterung am besten stillen. Die sorgt auch für harmonischere Gruppen in Offenställen und zufriedene Boxennachbarn, weil kein Futterneid oder Hunger entsteht. Langes Kauen entspannt zudem unsere Vierbeiner.

Schutz gegen Magengeschwüre: Der Pferdemagen bildet ständig Magensäure. Damit die nicht die empfindlichen Magenschleimhäute angreift, braucht der Magen Futter; rund um die Uhr, mit maximal vier Stunden Fresspause. Freie Heufütterung ermöglicht das und noch mehr: Durchs Kauen wird Speichel gebildet. Die darin enthaltenen Stoffe und Bikarbonate puffern die Magensäure zusätzlich ab.

Schutz für die Zähne: Pferdezähne schieben jedes Jahr zwei bis drei Millimeter aus dem Kiefer heraus, da sie auf ständigen Abrieb ausgelegt sind. Das passiert beim ausgiebigen und gründlichen Kauen von Heu automatisch.

Schutz für den Darm: Eine gesunde Darmflora (Mikrobiom) ist zentral für eine optimale Nährstoffverwertung, die Mangelerscheinungen vorbeugt, und sorgt zudem für ein intaktes Immunsystem als Schutz vor Infektionen und Allergien. Qualitativ hochwertiges Heu zur freien Verfügung füttert die lebenswichtigen Darmbakterien, die schnell aus dem Gleichgewicht geraten, optimal und kontinuierlich. Dass die Pferde das Futter nicht schlingen, beugt Fehlgärungen vor – was ebenso wie eine aktive Darmmotorik Koliken vorbeugt.

Contra – Was gegen die Heufütterung ad libitum spricht

Heu ad libitum
Lisa Rädlein

Mangelnde hygienische Qualität: Leider ist Heu nicht immer absolut einwandfrei, sondern etwa mit mehr Schimmelpilzen oder Dreck belastet, als Pferden guttut – mit der Folge von Verdauungs- und Atemwegsproblemen. Dann ist rationiertes Heu mit unbelasteter Raufutter-Ergänzung (z.B. Heucobs) die bessere Alternative.

Gefahr für Verdauungsprobleme: Ist das Heu zu grobstängelig (zu überständiges Gras bei der Ernte), belastet das die Verdauung. Der hohe holzige Lignin-Anteil ist für Pferde schwer verdaulich, die Dickdarmflora gerät aus dem Gleichgewicht, die Gefahr für Kotwasser oder Koliken steigt. Bei Kotwasser empfehlen einige Fütterungsexperten auch, Heu zu rationieren: Denn jedes Kilo Heu bindet mehrere Liter Wasser. Das kann Kotwasserprobleme mitunter verschärfen.

Gefahr von Übergewicht: Heu hat ordentlich Energie. Das kann sich bei zu wenig Arbeit in Übergewicht niederschlagen. Kleines Beispiel: Ein 500-Kilo-Warmblüter braucht im Erhaltungsbedarf täglich rund 55 Megajoule (MJ). Ein Kilo Heu liefert zwischen 7 und 10 MJ. Frisst ein Pferd ad libitum, kalkulieren Forscher mit 2,5 Prozent des Körpergewichts an Heumenge; beim Beispielpferd also 12,5 Kilo. Je nach Energiegehalt des Heus nimmt das Pferd so täglich zwischen 87,5 und 125 MJ auf – weit bis extrem weit über dem Erhaltungsbedarf.

Unbegrenzte Fütterung mit energiereichem Heu ist daher nichts für übergewichtige Pferde. Sie nehmen sonst noch weiter zu.

Vorsicht bei Stoffwechselproblemen: Heu kann eine echte Zuckerbombe sein, was von Grasarten, Schnittzeitpunkt und Umweltbedingungen abhängt – und kann 150 Gramm je Kilo Trockenmasse und mehr betragen. Stoffwechselkranke Tiere sollten nur Heu mit einem Zuckergehalt unter 6 Prozent bekommen. Wie viel im Heu steckt, finden Pferdebesitzer nur mit einer Analyse heraus.

Fazit

Kann man Heu nun ad libitum füttern? Das hängt vom einzelnen Pferd ab. Die all-you-can-eat-Fütterung ist bei schwerfuttrigen Kandidaten definitiv eine gute Lösung, ebenso bei Senioren und bei Tieren, die täglich gearbeitet werden.

Bei Pferden, die übergewichtig sind oder Stoffwechselprobleme haben, sieht das etwas anders aus: Dicke Pferde sollten Heu nur nach Diät-Plan bekommen, also auf jeden Fall rationiert. Ein Mix mit Stroh (1/3 Stroh, 2/3 Heu) wäre hier auch möglich.

Leidet das Pferd an EMS oder Cushing, braucht es eine stärke- und zuckerarme Fütterung – und das gilt auch fürs Heu. Besser ist es hier, das Raufutter zu portionieren und die Fresszeiten etwa durch Heunetze oder zeitgesteuerte Raufen zu verlängern.

Wer die optimale Heufütterung möchte, lässt sein Raufutter im Labor analysieren. Dann lässt sich die Heumenge perfekt an den Bedarf anpassen. Barbara Böke, CAVALLO-Redakteurin.