Eine Zuflucht für Pferde und Kinder: Neues Hilfsprojekt von Equiwent

Zuflucht für Pferde und Kinder
Neues Hilfsprojekt von Equiwent

Veröffentlicht am 13.02.2025
Blondes Mädchen und weißes Pferd kuscheln Stirn an Stirn
Foto: SimonSkafar/ gettyimages

Durch einen Wandschrank gelangen Kinder in der Romanreihe "Die Chroniken von Narnia” in eine fabelhafte Welt voller Abenteuer. In unserer Welt verbirgt sich das Fabelhafte hinter einem massiven Holztor: Hier erwacht ein alter Gutshof gerade zu neuem Leben, hier sollen Kinder auch Abenteuer erleben – aber vor allem Zuflucht finden. Vor Schlägen, Misshandlungen, Vernachlässigung. Für misshandelte Frauen soll der Hof ebenfalls eine Anlaufstelle in der Not werden. Und für hufkranke oder verwahrloste Pferde. Und für Hunde.

Nein, mit einem Satz lässt sich das "Projekt Deutschland”, das Hufschmied Markus Raabe mit seiner Hilfsorganisation Equiwent vor ziemlich genau einem Jahr angestoßen hat, wirklich nicht beschreiben. Auch nicht mit zweien oder dreien. Viel zu breit gefächert sind dafür die Pläne des Mannes, der sich mit dem Equiwent-Team in den letzten 15 Jahren vorwiegend in Rumänien engagiert hat.

Im Fokus der Hilfsorganisation standen dort vor allem die zehntausenden Arbeitspferde, ohne die das Leben in den ländlichen Gebieten nahezu unmöglich wird. "Aber Rumänien verändert sich, es werden weniger Arbeitspferde und unser Team vor Ort ist sehr eingespielt”, erzählt Markus Raabe. Weniger zu tun also für ihn, seinen Sohn Jannis und seine Geschäftspartnerin Tiffany Hild, das Führungsteam von Equiwent.

Der Hufschmied wäre aber nicht der, der er ist, wenn er nun die Hände in den Schoß gelegt hätte. "An Silvester fiel der Entschluss, dass wir uns jetzt mehr in Deutschland engagieren wollen. Denn auch hier ist die Not oft riesig groß”, sagt Markus Raabe.

Ein Blick auf den alten Gutshof mit Fachwerk
Rädlein

Andere Neujahrsvorsätze verpuffen, ehe der Januar um ist. Dieser nicht. Vor allem, weil Markus Raabe das Glück unter die Arme griff: "Im Juni rief mich eine Frau an, die ihren Hof verkaufen wollte – aber nur für ein gemeinnütziges Projekt. Es war perfekt für unsere Pläne.” Denn die Pläne brauchen Platz, und den bietet der Hof: ein gut gepflegtes Wohnhaus gehört dazu, ein altes Fachwerkhaus mit mehreren Zimmern und großen Gemeinschaftsräumen, ein weiteres Gebäude mit mehreren, kleinen Wohnungen, ein Stallgebäude mit Boxen und dazu noch kleinere Nebengebäude.

Wie das so ist, wenn man Platz hat: Es sammeln sich Dinge an, die man gelegentlich ausmisten muss. Das taten Markus Raabe und sein Team; vor allem Hecken und Grünpflanzen wucherten an einigen Ecken und Enden.

Nach diesem Rundumschlag machte sich das Team daran, den Hof zu renovieren und neuzugestalten. Und das lief im Turbogang: Pflanzen und Hecken sind gestutzt, als wir im Oktober zu Besuch sind, Zäune gesetzt, Zufahrt und Wendebereich vor dem Stall schon gepflastert. Ein Stück dahinter flexen und hämmern einige Männer gerade noch.

Außenansicht neu gebauter Sand-Paddocks
Rädlein

Der Stall selbst ist verwaist, obwohl der Hof bei unserem Besuch schon Heimat für drei Pferde ist: Ein Fjordpferd, ein schwarzes und ein cremefarbenes Pony undefinierbarer Herkunft stehen ein paar Schritte hinter dem Stallgebäude auf einem Paddock mit großem Unterstand und mümmeln an Heunetzen. Der Verein Equiwent übernahm sie aus schlechter Haltung; bis Mitte Dezember kamen vier weitere Tierschutzfälle hinzu.

Gegenüber von den dreien hat das Team im Oktober schon sechs große, befestigte Paddocks angelegt; bis Mitte Dezember kamen noch Unterstände dafür hinzu. Fürs kommende Frühjahr ist der Bau einer Reithalle mit acht angegliederten Boxen geplant. Ein kleiner Offenstall mit Auslauf soll auch noch entstehen; der Rest des rund 20 000 Quadratmeter großen Geländes ist Weide.

Traumhafte Bedingungen für die Pferde, die hier leben dürfen. Nur temporär werden davon die vierbeinigen Patienten profitieren, die Markus Raabe und Tiffany Hild in ihrer Schmiede im Stallgebäude versorgen. Beide konzentrieren sich künftig nur noch auf knifflige Fälle wie Pferde mit Hufkrebs oder Hufrollensyndrom. Ebenfalls nur zeitweise auf dem Hof einziehen werden die Pferde von Reitern, die hier Kurse zur Hufbearbeitung bei Raabe belegen.

Zwei Ponies fressen auf dem Paddock aus dem Heunetz
Rädlein

Länger bleiben hingegen Tierschutzfälle. "Wenn Veterinärämter Pferde beschlagnahmen und unterbringen müssen, können sie das bei uns tun”, so Markus Raabe; die vier hinzugekommenen Pferde sind solche Fälle.

Equiwent übernimmt zudem immer wieder selbst vernachlässigte Tiere. Einige von ihnen sollen künftig einen Job bekommen: als Therapiepferde. Allerdings "nicht kommerziell und nicht für jeden möglich, sondern nur für Kinder, die durchs Raster fallen, deren Eltern sich das nicht leisten können”, betont Markus Raabe. Und das sind einige hierzulande: Laut Statistischem Bundesamt war 2023 knapp jedes fünfte Kind in Deutschland armutsgefährdet. Für diese Kinder, Kinder mit Handicap oder schweren Krankheiten plant Markus Raabe auch Tageserlebnisse auf dem Hof ("mir schwebt da eine Quad-Bahn mit Kinder-Quads vor”) oder einen Wünschebus, der etwa den langersehnten Ausflug in einen Freizeitpark wahr werden lässt. Abenteuer eben hinterm Hoftor.

Aber nicht nur. Das fast 200 Jahre alte Fachwerkhaus ist ein Zufluchtsort. Etwa für Obdachlose, die hier regelmäßig ihre Hunde kostenfrei behandeln, entwurmen, entflohen lassen können. Gleich hinter der Eingangstür liegt ein großer Gemeinschaftsraum, daneben eine funktional eingerichtete Küche mit Süßigkeiten, Getränken und Dosen voller Suppen in der Vorratskammer. Man weiß ja nie, wann die ersten Notfälle vor der Tür stehen. "Wir sind mit Polizei, Ordnungs- und Jugendämtern vernetzt. Sie wissen, dass wir ab jetzt Kinder und deren Betreuer aufnehmen können.” Kinder also, die sofort vor ihrer eigenen Familie geschützt werden müssen.

Lisa Raedlein

Mehrere Holztreppen führen in die oberen Stockwerke, wo fertig eingerichtete Zimmer auf die Kinder warten. Im Backsteingebäude nebenan stehen vier Appartements mit Küche und Bad parat für Frauen, die mit ihren Kindern fliehen müssen – und hier auch Hund und Pferd mitbringen können.

Traumatisierte Kinder sollen zudem in einem großen, hellen Raum unterm Dachfirst heilen können; hier bietet eine Therapeutin Audio- und Mal-Therapie für die Kinder an. Markus Raabes Stimme zittert ein wenig, als er uns den Raum zeigt. "Es gibt nichts, das mehr Schutz braucht, als ein Kind”, sagt der Hufschmied, dessen eigene Kindheit nicht immer einfach war. Dass er jetzt Kindern wie Pferden unter einem Dach helfen kann, "ist das, wovon ich immer geträumt habe”. Eine ganz fabelhafte Welt hinterm Hoftor.

Hufschmied Markus Raabe und sein Sohn Jannis Raabe im Porträt
Markus und Jannis Raabe
Hilfe durch Equiwent