Meine Stallbetreiberin schaltet regelmäßig den Strom für unseren Koppelzaun ab, wohl aus Kostengründen. Sie selbst leugnet das und erfindet Ausreden, wenn der Zaun mal wieder ohne Strom war. Der Hof liegt am Waldrand inmitten von Feldern und Wiesen, daher heißt es immer ,Hier passiert eh nichts‘, wenn man seine Bedenken äußert. Wer haftet nun im Schadensfall, sollte mein Pferd aus der Koppel ausbrechen?" Leseranfrage per E-Mail; Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt
Tierhalter- und Tierhüterhaftung gilt es hier zu unterscheiden. Bricht ein Pferd aus der Koppel aus und verursacht einen Schaden bei einem Dritten, dann ist zunächst der Besitzer des Pferdes (Tierhalter) unabhängig von eigenem Verschulden für den Schaden verantwortlich (siehe § 833 BGB). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass tierisches Verhalten unberechenbar ist und es deshalb auf ein Verschulden des Tierhalters nicht ankommt.
Daneben kann auch der Stallbetreiber (Tieraufseher) nach § 834 BGB haften, wenn er bei der Beschaffenheit der Koppel-Umzäunung gegen Sorgfaltspflichten verstoßen hat und diese Pflichtverletzung ursächlich für das Ausbrechen war.
In den "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten" (Hrsg.: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) heißt es: "Die Einzäunung muss so beschaffen sein, dass größtmögliche Sicherheit für Tier und Mensch gewährleistet ist. Dabei sind die arttypischen Verhaltensweisen des Pferdes als Fluchttier und die Besonderheiten seines Sichtfeldes zu berücksichtigen."
Bei der Umzäunung sind je nach Lage und Umfeld der Koppel verschiedene Aspekte zu beachten. Nähere Information dazu sind dem aid-Heft "Sichere Weidezäune" zu entnehmen. Es gibt verschiedene Verordnungen und auch DIN-Vorschriften, aus denen sich die Vorgaben zur sicheren Umzäunung ergeben. Dazu gehört: Weiden und auch die Stromzufuhr müssen täglich kontrolliert und mögliche Fehlerquellen, wie zum Beispiel in den Zaun eingewachsenes Gras oder zerschlissene Zaunbänder, umgehend behoben werden.
Teilweise wird verlangt, ein "Weidetagebuch" zu führen. Im Falle eines Rechtsstreits wäre dies zur Entlastung des Stallbetreibers und für den Nachweis, dass hier keine Sorgfaltspflichtverletzung bestand, durchaus hilfreich.
Das Abschalten des Stroms aus "Ersparnisgründen" ist schlicht nicht nachvollziehbar und mit Sicherheit ein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten des Stallbetreibers.
Eine Pferdeweide mit Elektrozäunen nicht dauerhaft mit ausreichender Stromzufuhr zu versorgen, entspricht nicht den Anforderungen eines sorgsamen Stallbetreibers. Verletzt sich das Pferd infolge eines Ausbruchs aus der Weide, so können Schadenersatzansprüche gegen den Stallbetreiber entstehen. Hier kann nur empfohlen werden, den Stallbetreiber "abzumahnen", also schriftlich und unter Verweis auf die oben genannten Informationen aufzufordern, das vertragswidrige Verhalten umgehend abzustellen.
Unternimmt man als Pferdebesitzer hingegen nichts und nimmt diesen Zustand in Kauf, so kann einem für den Fall, dass sich das Pferd etwa beim Ausbruch aus der Weide verletzt, unter Umständen auch ein Mitverschuldensanteil zugerechnet werden. Durch das Mitverschulden verringert sich der Haftungsanteil des Stallbetreibers zum Nachteil des Pferdebesitzers.
Die Expertin
Birgit Blank betreibt seit gut 15 Jahren eine Anwaltskanzlei in München. Die passionierte Reiterin befasst sich mit Rechtsfragen rund ums Pferd. www.ra-blank.de
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